Anterhaltungsblatt des Vorwäris
Nr. 9.
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Sonntag, den 14. Januar.
( Nachdruck verboten).
Das Weiberdorf.
Roman aus der Eifel von Clara Viebig . ,, Et es en Schand," rief die Denzborn, dat Dir dat Tina half dud schlaon laoßt! Krieht hän beim Schlawittchen! Läßte los, dau infamichte Karnallij!" Sie zerrte den Jungen am Bein.
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,, Laoßt hän nor", schrie die Steffes gegen, kömmert Eich erscht om Eiren Jong! Dän Carl haot ganz rächt, dat Tina pisatt se Dag on Naacht. Wän onschullige Könner schlät, es fälwer Prüjel wert. Eier Hannickel soll mer nor fommen! Hän haot dat Hubertche geschlaon, dat em ale Rippen wieh dhun ech verklaogen em bei de Hähren vom Gericht, on Eich derzu, Eich scheinheilig Luder!"
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Wat- wat" zeterte die Denzborn, Ihr wollt noch räden?! Su en Mensch, su en mannsdoll Mensch, su en" in der Wut versagten ihr die Ausdrücke dat zu de Mannsleid rennt, e subal als de Fra net derhäm es! Pfui" sie spuckte aus„ su en ,, Et es net waohr, et es net waohr", kreischte die Steffes; sie war blutrot im Geficht und wirbelte wie ein Ball auf die große startfuochige Gegnerin zu." Ihr seid nor neid'sch, ja, neid'sch haha!" Sie lachte krampfhaft. Ihr wollt säliver gären, Ihr
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Die andre schlug ihr auf den Mund:„ Liegnersch!" Ihr wollt sälwer gären, haha. alde Schatehk!" Haha, alde Schateht!" Wie einen Schlachtruf nahmen die jüngeren Weiber das auf.
Die schwarze Vrun. die blonde Leis gefellten sich zur Steffes; sie hatten längst einen heimlichen Groll auf die Denzborn, die allem nachschynoberte. Annemarei, dat es rächt! Laoß der neist gefaalen, Annemarei! Dat scheel Luder maant, et fönnt hei kommandieren?! Su hammer net gewett! Olau, Schateht, alde Schatekh! Hahahaha!" Ein nicht endenvollendes Gelächter pflanzte sich fort.
Die paar, die noch arbeiteten, erhoben sich auch von den Knien; in großen Sprüngen stürzten sie herzu, die Sichel in der Hand schwingend, mit flatternden Röcken und Geschrei.
Da wurden Haare gelassen!
Kathrine Denzborn hatte Annemarie Steffes am Schopf gepackt.„ Dau mannsdoll Mensch, dau- faog et noch ehs dau!"
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Wollst sälwer gären!"
Waart, ech will dech liehren!"
Der Kampf wurde ernsthaft. Die große Gegnerin schüttelte die kleine wie ein Bindel Kleider; diese schlug mit Händen und Füßen aus. Ließen sie sich einen Augenblick Tos, um Atem zu schöpfen, gleich stürzten sie wieder aufeinander.
Schreien, Schimpfworte, Kreischen, Lachen, ohrenbetäubendes Geschnatter.
Zwei Parteien hatten sich gebildet, Frau stand gegen Frau; so manche hatten heimlichen Groll auszufechten, es waren nicht mehr die Denzborn und die Steffes allein, die auf einander losgingen,
Die Geschwister Pötsch waren vergessen; Karl, die Hände in den Taschen feiner zerlumpten Hose, sah grinsend dem Tumult zu; Billa lag heuleud am Boden.
Tina wischte mit dem Handrücken das Blut von der Nase, dann schlich sie mit funkelnden Augen dem Weiberknäuel näher. Sie hatte auch ihre Feindinnen darunter- rasch der Steffes ein Bein gestellt! warum hatte ihr die vorhin nicht bei gestanden.
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Nun steckte sie mitten drin im Kampf. Die blonde Leis, das Bäschen von der Steffes und Tinas gefährlichste Nebenbuhlerin mit ihren goldenen Zöpfen war sie nicht erst vorhin aus Bittchens Thür geschlichen?-versette ihr eins. ,, Hol Dech in Aacht, Dau Schleckermaul!" zischte Tina hinter zusammengebissenen Zähnen.
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" Dau Roznaos," schrie die Blonde verächtlich; sie war um ein oder zwei Jahre älter.
Dau överstännige Swetsch( Zwetsche)[" ., Dau onreifen Appel!"
1900
Ech roppen der Dein rot Börschten( Bürste) aus 1" Tina griff kräftig in die goldenen Zöpfe.
Brun, Vrun," rief Leis die Freundin zu Hilfe, komm ehs här! Gief dem da ans hinnen drut. ech halen der verliewien Kat de Poten!"
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,, Hal Dau Dein Schnöß! Brun, tomm bei mech." schrie Tina.„ Ech saon der, dat Leis Brun, Brun! et es heit beim Pittchen gewest et haot zom Wittchen gesaot- et hält dech för en Naar- Brun, Brun!"
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Wat?!" In einem Augenblick hatte sich das Blättchen gewendet, die Schwarze fehrte sich gegen die Blonde: " Beim Bittchen gewest? Mech för en Naor halen O dau falsch Dingen!"
Mit triumphierendem Lächeln sah Tina zu, wie die Freundinnen auf einander losfuhren.
Das war ein Spektakel! Ein Lärmen. ein Schimpfen, ein Schreien. Vom Berghaug tönte es nieder zum Thal, an Bittchens Hütte vorbei der schlief ruhig weiter und brach sich schallend an der jenseitigen Höhenwand.
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Sie hörten alle nicht das Mittagsglöcklein; nur Bäbbi. Die stand abseits und starrte mit großen traumverlorenen Augen ins Gewühl. Früher hätte sie auch frischiveg am Kampf teilgenommen aber jegt?!
Es war alles untergegangen in der großen Sehnsucht. Als das Glöcklein läutete, befreuzte sie sich; die Sichel entfiel ihr, langsam sank sie auf die Kuie und faltete die Hände- Was that der Loreng wohl icht? Dachte er jetzt auch an sie? Wär er doch erst wieder hier ach!
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Steh uf!" schrie die alte Schneidersch fie an, schläffte?" Die Alte hatte sich auch anı Zaur beteiligt, besonders mit dem Mundwerk; sie hatte aber auch bald darin ihren Meister gefunden, nun ergoß sich die ganze angestaute Flut von Scheltworten über die Schrotegertochter, diesen Dorn in ihrem Auge.
Mit einem wilden Zugrimm fuhr die Alte auf sie los. Es wurde Bäbbi nichts erspart; laut und gellend, vor aller Welt wurde ihr ihr Fehltritt vorgeworfen. Kein Mädchen war je so schlecht gewesen, so lumpig, so armselig und so berechnend dazu. Was hätte der Lorenz für Partien machen fönnen, aber sie hing ihm ja wie ein Kloß am Bein, merkte es gar nicht, daß er sie gern los geworden wäre- ja, er hatte sie satt, der Mutter hatte er's vertraut!
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Schwerfällig richtete sich Bäbbi auf, stumm, mit düsteren Augen hatte sie auf den Kampf der Weiber gestarrt- Heulen, Schreien, geschwungene Fäuste, verzerrte Gesichter. ein wildes Durcheinander erregter Gestalten jetzt schien sich auch ihr Blick langsam daran zu entzünden. Als die Schwiegermutter fchloß: Hän haot dech faat, faat bis zom Efel, hän wönscht dech. wuh dän Peffer wächst" flammte er auf.
Sie fehrte sich gegen die Alte, raffte die Sichel auf, thr Gesicht glühte, ihr Auge glitzerte unheimlich. ein irres wildes Lachen rang sich aus ihrer gequälten Brust. Sie hob drohend die Sichel- aber. da, sie ließ sie wieder fallen, statt dessen schwang sie die Faust und schmetterte sie nieder auf den Rücken der Schwiegermutter, daß der Hören und Sehen verging.
Die Alte knickte in die uie, schützte den Kopf mit beiden Armen und schrie laut. Hageldichte Schläge. Die Alte duckte sich und wand sich wie ein Burm Bäbbi stand über ihr gleich einer Rächerin, totenbleich. die Lippen fest aufeinander gepreßt. Sie schlug drauf los mit einer Art von Befreiung. von Erlösung.
Hör auf," freischte die Altc..cch zeihn dech an Ech fluchen der!"
Ununterbrochen fielen die Schläge. ,, Hör auf, ech saon et dem Lorenz!" ., Lorenz!"
Jammernd, beschwörend, bittend zugleich schrie Bäbbi den Namen nach; der erhobene Arm fiel ihr zur Seite, fie. starrte verwirrt drein, als erwache sie aus einem Traum. Ein Zittern, ein Rütteln ging durch ihren ganzen Körper, sie schwankte, die Füße schienen sie nicht länger zu tragen. Mit einem dumpfen Laut schlug sie die Hände vors Gesicht.