Anterhaltungsblatt des Vorwärts

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Str. 10. and thug Dienstag, den 16 Januar.

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( Nachdruck verboten).

Das Weiberdorf.

Roman aus der Eifel von Clara Viebig . " Jeßmarijusep!" Wie eine Herde Schafe, vom Wolf ge­scheucht, flüchteten die Frauen in die Kirche. Da lagen sie auf den Fliesen und schlugen die Brust und befeten und feufzten zum Steinerweichen. Sie waren ganz zerknirscht.

Maria, Jongfrau voller Gnaden, bewaohr ons!" Heiliger Donatus, sänftig dat Ongewieder, dan kannst et! Heiliger Donatus, ech flehen dea) an, laoß mein Gerscht net 30 Schannen gänn- se sticht als in Mandelu!"

Heilige Maria, Moddergotts, ech haon et net e su bees gemaaut, we ech dem frech Wiensch ans appliciert haou. Dau werst en Einsiehn haou o liew Moddergöttesche, rechen et

nir net an!"

Draußen kracht der Donner; Kanonenschüsse fenert er durchs Thal, von einem Ende zum andern.

Gegrüßet feist Du, Mariahilf, heiliger Donatus!" hilf, heiliger Donatus!" Meerstern, ich dich grüße, Gottes Mutter füße!"

Der Tag ist schwarz wie die Nacht, in den Winkeln der Stirche hodt grauliche Dämmerung- jezt bebt der alte Bau jetzt loht ein feuriger Blitz durch die Dunkelheit, noch feuriger durch das bunte Glas i 3 Fensters, drauf das Bildnis des Heiligen Donatus steht, mitten zwischent Bligen. Ein gellendes Auffreischen drinnen antwortet der dröhnenden Stimme draußen, immter lauter wird das Murmeln, inter rajcher bewegen fich die Lippen.

lonHeiliger Donatus,

-ech grüßen dech- gelowt feist dn!" Maria, Moddergotts, bitt for ons!" Maria, cd) grüßen dech dreinnddreißigtausendmal!" Die Stirnen neigeit sich bis auf die Fliesen; Gelöbuisse, Bersprechungen werden den Wunderthätigen gemacht.

Sie brauchten nicht allzu lange mehr zu beten; so rasch wie co gekommen, so rasch lies; das Unwetter nach), es zog über die Berge in einem Hui. Vor der Kirchthfir gackerten schon wieder die Hühner und scharrten nach Würmeru. Spatzen schirpten vergnügt und lupften das wasse Gefieder. Die Zauche floß, durch den Regen von den Misthaufen weggespült, quer über die Gasse, aber am blauen Himmel stand schon wieder die Sonne und lachte. od aut

Sie fuirten und bekreuzten sich noch einmal an der Kirchen thür und tunften den Finger is steinerne Weihwasserbecken. " Dunnerknippchen, waor dat en Bäder," sagte die eine. und die andere: Deivel aoch, dat konnt en bees Ouverlegen haat gänu!"

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Sie waren alle guter Dinge, lachten und schwagten. Die Feindinnen sprachen wieder miteinander; mit Geschäfer machte man sich selbander auf, aus dem Wald das abgeschlagene Dürrholz zu holen.

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Bäbbi blieb allein zurück. Ihr Murmeln halfte wieder im einsamen Raunt; fie hatte nicht beten können zwischen den andern jetzt betete fie. Sie wußte selbst nicht, was sie sprach, Worte waren es kaum, nur ein Gestammel, cin Schuterzvolles Lallen.

Flehend richtete sie den trüben Blick auf das Marienbild; das lächelte. Sie niďte tranrig rein ja, die war rein und heilig, darum lächelte sie auch so stumm; die verstand so viel Sündhaftigkeit nicht. Erbarm Dech!"

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Mit einem Stöhnen schlug Bäbbi die Stirn auf den kalten Stein sie hatte die Hand erhoben gegen die, die den Lorenz geboren hatte, sie hatte seine Mutter geschlagen! Was würde Der Lorenz sagen?!

Wenn sie das Schreckliche, was ihr Gewissen bedrückte, doch nur einem Menschenohr anvertrauen fönnte! Wenur ein reinerer Mund für sie bei der da oben den Fürsprecher machte, dan würde auch der Lorenz ihr verzeihen t

Eine furchtbare Augst erfaßte fie wenn er fich von ihr wendete, wenn er nicht wiederkehrte!

Halb irr vor Furcht wand und krümmte sie sich und rang die Hände: Maria, Moddergotts, verzeih mer- Lorenz, komm widder! Ech will dein Modder uf Händen tragen, se soll mech schlaon, half dud schlaon, ech muyen net! Stomin widder, komm widder!".

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Lauge noch Ing Bäbbi vor dem Altar; füßlächelnud blickte änderte sich: Ein grenzenloses Gefühl der Verlassenheit über­das Marienbild nieder, fein Zug in dem Wachsgesicht ver

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fam die Einsamte da war niemand, der ihr helfen konnte! Zerschlagen an allen Gliedern schlich sie sich endlich fort.

Als sie bald darauf, die Hotte auf dem Rücken, den anderen Weibern nach zum Kumowald hinaufwanderte, schloß fich ihr Peter Miffert an. Er wollte der Zeih entgegen­gehen. Seinen zerlumpten Werktagsanzug hatte er mit dent Sonntagsstaat vertauscht; viel war an dem auch nicht dran, aber die Hofen, die ihm sonst schlotterten, hatte er stramm heraufgezogen, die Müße mit dem blanken Wachstuchschild faß ihm verwogen auf den dunklen Kringelhaaren.

Er pfiff und sang, aber sein Singen war mißtönend wie das Gefrächze des Hähers, der aufgeschreckt in den Baum­wipfeln flatterte und argwöhnisch von dort niederäugte. Die Zeih mochte sich heut schön veramesiert" haben! Bittchen hatte sich eine Hafelgerte abgeschnitten, mit der hieb er rechts und links, daß die Blätter der Büsche flogen.

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Duht dat net!" Bäbbi fah ihn aus ihren traurigen Augen beweglich an. De arui Dinger! Am Busch sein se e fu loſtig grün, Ihr haut- se af, du liegen se kapot uf der Straß on gann zertret!" Waorom net gaor" sagte er leichthin, aber er hieb doch nicht mehr.

Schweigend gingen sie beide weiter. jedes in seine Ge­danken versunken. Plötzlich schluchzte Bäbbi auf, schwer ließ sie sich auf einen Stein am Wege fallen. Glauwt Ihr, dat dan Lorenz widder kömmt?" ftieß sie hervor; ihr Blick bohrte sich mit angftvoller Frage in Pittchens Geficht.

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Er fühlte ihre Angst heraus und lachte gutmütig: No, waorom dann net?! Waor soll han dan annerschter giehn?!" Maant Ihr? Maant Ihr werklich?" Sie preßte seine Hand o wie gut that ihr seine Zuversicht! Schluchzend hielt sie ihn am Aermel fest und lehnte die Stirn an seinen Rock.

Aewer, Bäbb, seid doch net gädig!" Ob fajön oder häß­lich, er fonnte kein Frauenzimmer weinen schen; er war gang gerührt von ihren Thränen, er quetschte sich neben sie auf den Stein und streichelte ihre Hand. Väbb, Bäbbche, kreisch) doch net e fu! in italo disur tale

Waun hän mech net mich liew haot, duhu ech mer en Laad an," murmelte sie mit finsterer Entschlossenheit. Jubil Das traf Bittchen wie ein Schlag wenn ihn die Zeih nicht mehr lieb hätte, was würde er dann thun

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Er sprang fo hastig auf, daß Väbbi ihn erschrocken Eweil giehn ech adjes!? adjes! ef

anjah.

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Das war nicht sein gewöhnlicher fauler Schlendergang, bei dem er die Füße kaum hob und nur langjam weiter schlorrte; er rannte.

Tannen rechts, Tannen links. Schwarze Niesenwände, Steine die einen schmalen Streifen Himmel einrahmen. Hütte, fein Stückchen bebautes Land mehr. Kein Mensch, feine grafende Kuh, keine meckernde Ziege, auch kein Wild, fein Vogel.

Ohne eine Nadel zu regen, in majestätischer Größe stehen die Tannen, wie aus der Urwelt stammend mit ihren Riesen­bärten von abgestorbenem grauem Moos, ihren überhand­langen braunen schuppigen Zapfen, ihrem dunkelflüssigen Harz, das in zähem Rinnfal aus der zerklüfteten Borke sickert.

Tiefstes Schweigen. Ein Schweigen, in dem auch der leicht­herzige Wandrer stumt wird; eine gebieterische Hand streckt sich aus dem Dunkel der Aeste und legt sich auf seinen Mund: Still!"

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Hinter den finftien Stämmen tanchen Gedanken auf, dämmernde ahnungsbauge Gedanken; tücfisch brechen sie hervor wie Räuber aus den Hinterhalt und überfallen den Harm­lofen. Man erschrickt vor dem eigenen Fußtritt, man hält den Atem an und steht und lauscht, und dann packt einen die Angst im Genic, wie ein schwarzes Tuch fällt es einem über den Kopf weg ist der Frohsinn. Ein grüblerischer Ernst hält den Menschen umflammert und läßt ihn nicht los in dieser Einsamkeit. in time pink

Weltabgeschieden ist ber gewaltige Walder hier