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sich beeilen muß. Sie läßt sich auf der Diele nieder, sie wühlt und durchwühlt alles, so daß sich schließlich der ganze Boden mit rosa Bändchen bedeckt.
Sie beginnt ihre Arbeit, ohne aufzustehen. Die Nadel erglänzt in ihren kleinen Fingern, die Seide tuistert und die rosa Schleife wächst und wächst. Jezt ist sie fertig. Das Mädchen springt auf und läuft zum Spiegel. Sie ist wie ausgelassen.
Wie ihr das doch gut steht, besonders das Rosa.
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Eine Minute schwieg fie, dann wandte sie sich dem ungeduldigen Dienstmädchen, das schon gehen wollte, zu, mit bleichem, aber gefaßten Gesicht, und die Furche erschien jezt noch tiefer als sonst.
" Lassen Sie das Kleid hier, um 10 Uhr werde ich es bringen." Als die Thür sich hinter dem Mädchen schloß, legte sie hastig das roja Bändchen ab, als ob es sie drückte, warf es von sich und setzte fich dann ruhig und traurig an die Arbeit. Sie fühlte sich wieder als Maschine.
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Auf ihren Lippen erscheint ein fofettes Lächeln: Sie wird wo möglich dem schönen Assistenten gar nicht gefallen, weil sie jest gar keine bleiche Blondine mehr ist. Sie hat eine gesunde Gesichtsfarbe, leines Feuilleton. die kleinen roten Flecken, die sie so entstellen, wenn sie sich an der Maschine überarbeitet hat, sind verschwunden. Die Funken in den grauen Augen beginnen immer gefährlicher zu sprühen. Warte uur, du, Telegraphenassistent, wirst sehen, daß auch eine simple Schneiderin gefallen fann! Das erhitzte Mädchen fängt an, sich anzukleiden. Es glättet die blonden Haare so lange, bis sie wie pures Gold glänzen. Mit zwei Nadeln wird die Schleife an dem bescheidenen grauen Kleidchen befestigt. Jetzt lächelt es seinem Ebenbilde im Spiegel zu. Ihm ist so wohl, so leicht, als ob es gar nicht die gedrückte Schneiderin wäre, die mit großen Schweißtropfen auf der Stien und matten, zitternden Knien die lange Nacht hindurch mit den krankhaft geröteten Augen über der Arbeit hockte.
Jetzt iſt ſie nicht mehr diefelbe! Jene war nur eine kleine Maschine zum Kleidernähen für fremdes Bergnügen, um aber ist daraus ein Wesen mit heißem, schnellem Blute geworden, das in sich die Jugend, das Recht zum Leben, zum Vergnügen spürt, ein Wesen, das gefallen will. Morgen vielleicht wird alles erlöschen, alles zu Ende sein, aber nur nicht heute, nein, heute nicht. Eilig bläst sie die Lampe aus, nimmt ein Tuch über den Kopf, läuft zur Thür hinaus, stößt aber mit irgend jemand zusammen und eine zornige Frauenstimme ruft:
" Wohnt hier die Schneiderin? Machen Sie doch Licht, man kann sich bei dieser Finsternis ja Hals und Bein brechen!"
Das Mädchen tritt wie von einer Schlange berührt zurüd. Tastend sucht es die Zündhölzer. Sein Herz schlägt start und unregelmäßig. Es fühlt das heiße Lampenglas, das die Hand brennt, nicht, die weit geöffneten Augen find ängstlich auf das unbeweglich an der Thür stehende Dienstmädchen gerichtet, das ein Paket in seinen roten Händen trägt.
Mit Mit schelem Blick betrachtet dieses die schlanke Gestalt im grauen Kleide. Die kleinen, grünen Augen bleiben auf dem rosa Bändchen haften.
Da ertönt der Schneiderin Stimme: Wünschen Sie etwas von mir?" Die Angeredete nähert sich und mit einer groben Bewegung wirft sie das Paket auf den Tisch.„ Meine Herrin schickt Ihnen das Kleid zurück und beauftragte mich, Ihnen zu sagen, es wäre wohl im Traum genäht. Die Taille wäre ganz gräßlich und der Rock an der einen Seite viel zu furz!" Sie wickelte das Bündel auseinander und vor den Augen des Mädchens glänzte wieder jenes rosa Kleid, das fie vor einer Stunde hingetragen hatte.. Wahrhaftig, die Nähte sind schief!
Wie konnte sie nur träumen!
Maschinen haben kein Recht zu träumen, das hat sie ja ganz vergessen.
Entschuldigen Sie mich bitte bei Ihrer Herrin," bat sie mit ruhiger, ergebener Stimme, ich weiß nicht, wie es kam, daß ich so schlecht nähte. Ich werde es ausbessern und das Kleid morgen selbst hinbringen."
Aber das Dienstmädchen rührt sich nicht von der Stelle. " Das Kleid muß heute fertig sein," sagt sie gebieterisch, die Herrin fährt zum Ball beim Gouverneur und muß es um 10 Uhr bestimmt haben."
Auf den Zügen der bestürzten Schneiderin malt sich ein plößlicher Schrecken. Hente! Das ist ja unmöglich!... und die Hochzeit?... An dem Kleid muß sie ja wenigstens drei Stunden arbeiten.
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Aber heute fann ich's auf keinen Fall ändern", worauf das Dienstmädchen ärgerlich ruft: So?! Das ist ja nett! Die Herrin läßt sagen, wenn Sie das Kleid nicht sofort ausbesserten, würde sie Ihnen nie mehr Arbeit geben und allen Bekannten erzählen, wie zu verlässig Sie find".
Damit begint es, das Kleid wieder zusammenzufalten und schielt dabei mit bösen Augen nach der Schneiderin. Die aber steht unbeweglich und schweigsam, und die Gedanken jagen einander wie im Sturme in ihrem Kopfe.
Sie kann sich ja durchaus nicht entschließen, auf diese Hochzeit zu verzichten. Sie hat so oft daran gedacht, sich so sehr darüber gefreut! Diese Dame hat ja so viel, hat ja immer Bergnügen. Ein Ball mehr oder weniger, das ist ja nicht schlimm, aber für sie ist doch dieser Abend viel, sehr viel!
Und vor ihren Augen taucht verschwommen das Bild des Herrn Bennon auf, so wie sie es sich in ihren letzten Träumen vorgestellt hatte. Sie wird morgen ja zu der Dame hingehen, sie wird sich entschuldigen, ihr alles sagen. Die Dame wird ja verstehen und verzeihen Wenn sie es aber nicht thun wird, wenn sie die Drohung ausführt, von der ihre Magd sprach?
Die kleine Schneiderin erschrat. Das Gespenst der Arbeitslosigkeit stand vor ihr, und daneben Hunger und Armut. Zugleich erschien wieder das Geficht des schönen Assistenten, und in ihren Ohren er flangen die Worte: Du wirst ihm gefallen. Er liebt ja Blondinen.
bedeutender
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Yermat" im Eise. Schon früher haben wir kurz über die Fahrt des russischen Vice- Admirals Makarow mit seinem Eisbrecher Yermak" berichtet, nunmehr werden im„ Globus " folgende Einzelheiten nachgetragen, da jezt genauere Nachrichten von dem Gisfahrer vorliegen. Eigentlich ist die" Jermat" in erster Linie für die Karaſee gebaut worden, um dort für die Handelsschiffe Bahn zu brechen. Nur unter diesen Umständen, d. h. für wirtschaftlich ungbare Zivede, hatte Makarow die für das Unternehmen nötige Summe erhalten können. Die Starasee hat nur einjähriges Eis; als sich aber der Dampfer gut bewährte, beschloß man, im Sommer 1899 die Fahrt ins Polareis nordwestlich von Spißbergen zu wagen. Das wichtigste Ergebnis der Fahrt war natürlich das Berhalten des Schiffes i ber im Eise. Dabei zeigte sich ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen der Ostsee und dem Polarmeer. In der Ostsee war das Eis nirgends und niemals sehr dick, aber schon Gis von 1/3 bis 2/3 Meter Dicke schien manchmal mehr Kraft zu beanspruchen, als" Vermat" besaß. Ganz anders ist dies im Polareise, das nirgends eine ununterbrochene Decke von einem Ufer zum andern bildet wie das Eis der Ostsee , sondern aus einzelnen Schollen von verschiedener und manchmal ziemlich Größe und Mächtigkeit besteht. Werden dieselben nicht gepreßt, dann ist es für ein Schiff wie„ Dermat" sehr leicht, und ausweichen. Außerdem bricht das Eis sehr leicht, so daß es Matarow, selbst wenn teine Pressungen vorhanden sind, für das einfachste hält, gerade durch zu gehen. Dies scheint für diceres Bolareis sehr schwierig zu sein, doch sogar Eis von 4 Meter Dide wurde mit Leichtigkeit durchbrochen, wenn man das Schiff arbeiten ließ, vorausgesetzt, daß für die zerbrochenen Stüde Plag zum Ausweichen da da war. Nach Matarows Untersuchungen tommt das daher, daß der untere Teil der Eisschollen mehr oder weniger eine konstante Temperatur befizt, die Temperatur der Oberflächenteile dagegen mit der Lufttemperatur stark schwankt. Hierdurch werden Spannungen und Spalten in der Scholle hervor gerufen oder vorbereitet, an denen das Eis bricht, sowie fich das Schiff hinaufschiebt und auch ohne dies vielleicht eine halbe Stunde später bei der nächsten Temperaturschwankung, dem nächsten Stoß 2c. geborsten wäre. Dice Schollen zerbrechen deshalb auch leichter als dünne, die oft unter dem Stiel heraus wieder an einer Schiffsſeite auftauchen, und sehr leicht zerbrach das Eis der sogenannten„ Hum mods". Es muß nach Makorows Beschreibung ein imposantes Schauspiel gewesen sein, wenn sich das Schiff 3 Meter hoch auf das Eis schob, dann mit Krachen das Eis brach und das Schiff zwischen ausweichenden Schollen unterzutauchen schien, dann vorwärts ging und sich wieder auf das Eis schob, worauf sich das Spiel wiederholte. Die Expedition brachte hiervon gelungene finematographische Aufnahmen mit. Bei diesem ersten Versuch mit dem Eisbrecher wurde die ganze vorhandene Maschinenftärte fast nie ausgenugt. Die Erfolge hatten darunter zu leiden, daß Dermat" aus finanziellen Rücksichten für doppelte Zwede tonftruiert war, die sich, wie sich herausgestellt, zum Teil widersprechen. Trotzdem find die Leistungen des Schiffes so große gewesen, daß man weitgehende Hoffnungen an die Verfolgung dieser Versuche knüpfen kann.-
Musik.
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„ Gegen den Sarasate ist der Wilhelmi ein Joachim." So un gefähr soll sich einst Bülow ausgedrückt haben. Beim neulichen Konzert des nun seit bald einem Jahrhundert weltberühmten Geigers Pablo de Sarasate mußte ich immer wieder daran denken, sofern ich sein eigentlich musikalisch fünstlerisches Leisten beachtete. Zwar ist es ihm hoch anzurechnen, daß er eine Sonate von Bach nicht vervirtuofierte; und verärgert und ermattet war er wohl auch. Allein das hat schwerlich etwas zu thun damit, daß nicht bald jemand so ohne irgend ein Gestalten der Toufolgen spielt wie Sarafate; da stehen die Töne nebeneinander, einer wie der andre: 0000 usw., eine Perlenschmur; und kein fein oder was es sonst an Gestaltungen giebt, kommt ihm in den Sinn. Nun aber die einzelnen Töne als solche: etwas so Rundes, Klares, Bolles, insonderheit Weiches namentlich in den höchsten Regionen und eine solche Leichtigkeit und Hegenmeisterei, wie sie in Sarasates eigentlich violinistisch- künstlerischen Leistungen liegt, giebt es kaum wieder. Kalt wie eine Hundeschnauze! Aber wenn jemand ausgerechnet nur nach der Geigentunst fragt und dann behauptet:„ Gegen den Joachim ist der Wilhelmi ein Sarasate" was soll man dazu sagen?! Frau B. Marr Goldschmidt spielte mehrere Soloftücke( darunter zwei entzückend schöne des noch nicht genug geschätzten Rubinstein) sehr gut, wirklich sehe gut," und begleitete Herrn Sarasate etwas weniger gut. Sollte das Absicht gewesen sein, um ihn nicht zu blamieren??
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Schön, aber ausdruckslos: das war uns gleich wieder in anderer