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und die Schuld stand auch schon so lange, noch von damals her, wo ihr Mann starb. Nein, dem Wirt sagte sie lieber nichts.
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Aber wie denn? Sie versuchte in Gedanken einen Ueberschlag zu machen. Siebzig Pfennig gingen ab für Milch für das kind; dem durfte nichts fehlen. Sie warf einen zärtlichen Blick zu dem Kleinen Buben hinüber, der spielend auf einem Kissen in der Ecke saß! Etwas Mehl war noch da. Das gab für drei Mittage eine Suppe. Die andern Tage behalf man sich mit Kaffee und Schmalzstulle, etwas Wurstabfall gab ihr wohl die Schlächterfrau. Nun ja, so würde es gehen. Sie atmete auf, dann verfinsterte sich plötzlich ihr Gesicht, die Kohlen an die Kohlen hatte sie noch nicht gedacht. Woher die nehmen? Mit einer ungeduldigen Bewegung riß sie die Arbeit herum. Ach was, es mußte eingerichtet werden. Der Grünframfrige mußte noch einmal borgen. Sie wollte mit ihm sprechen, gleich nachher, wenn sie vom Liefern fam. Hundert Preßkohlen und drei Liter Petroleum, das war am Ende doch keine Gefährlichkeit. Würden drei Liter reichen? Sie hielt inne und sah nachdenklich vor sich hin. Na es war wohl schon beffer, sie sprach gleich um vier an, sie mußte doch wieder die Nächte durcharbeiten, da verzehrte die Lampe schon etwas.
der Sinn für die Sache verloren gegangen, blieb der letztere Att als das Wesentliche zurück, und auch die Kirche dürfte nicht wenig zu diefer Deformation beigetragen haben, weil nun das Ganze als bie Zerstörung der heidnischen Kultmale erschien. Das ist in den Bräuchen des Todaustragens" oder„ Winterverbrennens" erhalten, die wir am Fastnachtstage und während der folgenden Zeit finden. Gewöhnlich wird diese Handlung auch das„ Faschingbegraben" und ähnlich genannt. In Böhmen pflegt man am letzten Tage der Fast nacht oder an Aschermittwoch eine große ausgestopfte Figur in Gestalt eines Mannes auf einer Tragbahre herumzutragen und zuletzt ins Wasser zu werfen oder im Schnee zu begraben. Die Strohpuppe dem Wasser zu übergeben, ist auch in Westfalen üblich. Anderwärts in derselben Landschaft, wie in Marsberg , wird die Puppe, die während des Festes auf dem Tanzboden steht, in einem Düngerhaufen verscharrt, was das Begraben des" Fass'lawent" heißt. An der Aar trug man bis vor wenig Jahren einen Strohmann unter Gesängen zum Thor hinaus und verbrannte ihn. So verfährt man noch heute in Richterschwhl am Züricher See, wo die Puppe auf einer Wiese ganz wie die alten Fetische an einer hohen Stange befestigt wird, um alsdann verbrannt zu werden. In Osterode am Harz wird noch ein wirklicher Mensch in einen Sie feufzte auf, bengte sich aber zugleich wieder tiefer über die Backtrog gelegt und symbolisch begraben, was dem Ur- Arbeit. Na man nicht tragisch werden, dabei kam nichts heraus. sprunge des Grundgedankens näher steht, da es in der Ueberhaupt war es gleich zwei Uhr und sie hatte noch in sieben That Geister von Toten waren, die einst dem Feste bei- Jacken Aermel und Kragen einzunähen. Eine fliegende Röte stieg wohnten und deren man sich nun entledigte. Die Rede, welche die in ihren Wangen empor. Osteroder bei diesem Att halten, spielt auf das Ausgraben der Fastnacht" an, und das läßt vernuuten, daß man vordem die Reste der vergrabenen Heiligtümer auch bei dieser Festzeit, wie sonst zur Kirmes, wieder hervorsuchte.
In diesen dramatischen Darstellungen ist zugleich schon der Gedanke des Geisterbannens eingeschlossen. Obwohl sich die Alten keine Festfeier ohne Teilnahme der Götter und Seelen denken konnten, wollten sie doch nach dem Feste vor diesen Gästen Ruhe haben. Man scheute sich darum nicht, sie mit einiger Gewalt zu verscheuchen, und wenn man ihre Fetische fortbrachte, mußte man wohl auch sie selbst los sein. Förmliche Austreibungsakte bilden noch den Schluß der Fastnacht. Ein bevorzugtes Mittel find Feuerbrände, vor denen die Geister nach alter Erfahrung einen heillosen Respekt haben. So zündet man in Rheinhessen am Fastnachtsdienstage draußen im Freien große Feuer an, die man„ Halfeuer" nennt, weil sie den„ Hal" verbrennen sollen. Der" Hal" ist der uralte Begriff der Totenstätte und des Scelenreichs; der Hesse räuchert also alles, was zur Geisterwelt gehört, gründlich aus. In Oldenburg und Westfalen wurden bis in jüngste Beit brennende Strohbündel herumgetragen, worauf die bekannte aus Stroh gefertigte Figur den Flammen übergeben wird. Dieses Ausfeuern ist namentlich am Sonntag nach Fastnacht üblich; so in Schwaben , in der Schweiz usw. Auch der Lärm scheucht die Geister, und die einzelnen Gegenden find nicht gerade in Verlegenheit, wenn es gilt, recht geräuschvoll zu verfahren. In Basel wird am ersten Sonntag der Fasten von früh bis spät Straße auf und Straße ab getrommelt, daß die Fenster klirren.
Durch die ganze Fastenperiode ziehen sich charakteristische Bräuche der Faschingszeit, weil ja gerade in diesen Abschnitt die alte Frühlingsfeier fiel. Nach der im Eingange erörterten Verschiebung des Volksfestes blieben an der Fastenzeit freilich mir diejenigen der überlieferten Veranstaltungen hängen, welche sich mit der kirchlichen Zucht vertrugen; fo insbesondere verschiedene Austreibungsakte und jene Aufführungen, wie das" Todaustragen" und dergleichen mehr.
Nach alledem gehört Fastnacht zu denjenigen urgermanischen Festzeiten, die ihren rein vollstümlichen Charakter und zahlreiche Merkmale ihrer Herkunft bewahrt haben, weil sie entweder, wie die Kirmeszeit des Herbstes, von vornherein außerhalb der kirchlichen Festtreise lagen oder diefe doch zu umgehen vermochten.-
Kleines Feuilleton.
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Mami!" Eine fleine zierliche Gestalt ist neben sie getreten, weiches Händchen legt sich auf ihren Arm.
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Was denn, Frizchen?" Sie fragt es ohne aufzusehen. Mami, Fenster inden!"
„ Aus dem Fenster fucken will das Kind? Na ja, warte nur noch ein Weilchen, ich habe jetzt keine Zeit. Geh spiele mit Deinem Hottepferdchen."
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" Fenster fucken." Er wiederholt es mit dem Eigenfimm leiner Kinder und versucht sich um ihren Stuhl herumzudrängen. " Nein, hier kannst Du jezt nicht durch, Du störst mich geh 1" Der Kleine schrickt bei dem rauhen Selang ihrer Stimme zu sammen. Ein Weilchen steht er, den Finger im Munde, und überlegt, dann tappelt er, von einem neuen Gedanken erfaßt, zu seinem Spielzeug zurück und nimmt es auf: Aach ja-hotti is trant. Armer Hotti sehr frant. Zudecken, Mami, ja?" „ Ja, ja deck ihn nur zu. Nein, aber, was machst Du denn da, Du unnützer Junge? Wirst Du mal Mamas Arbeit liegen lassen!" Sie springt auf und reißt ihm die spitzenbesetzte Jade fort, in die er eben das schmutzige Holzpferd wickeln will." So, jetzt bleibst Du hier in der Ecke sitzen und spielst, und nicht gerührt, verstanden?" Mit hartem Griff drückt sie ihn auf sein Rissen nieder und stürzt nach ihrer Maschine zurild. Schon gleich drei Uhr und noch fünf Paar Mermel!!
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Die Maschine raffelt von neuem, eine ganze Weile hört man nichts, als das Klappern der Räder, dann plötzlich ein feines thränendurchzittertes Stimmchen:" Nich' böse, Mami, Frizzchen- gutfein nich böse."
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,, Nein, nein, ich bin Dir auch nicht böse, Herzchen, aber nun mich auch nicht, Mama muß nähen. „ Mami Kuß geben!"
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" Ja, Mama wird Dir auch einen Kuß geben, aber nachher. Jetzt geh nur geh!" Sie schleudert die Jacke, die eben fertig geworden, zu den andren und nimmt eine neue aus dem Arbeitsforb; mun nur noch zwei, Gott sei Dank!
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" Mami jetzt Kuß geben." Er ist hinter ihr auf den Stuhl ge flettert, weiche Aermchen schlingen sich um ihren Hals. Fritz!" fie springt auf, ihre Augen funkeln, all' ihre Glieder zittern, Fritz, Du kannst einen rasend machen. Wirst Du mich jetzt endlich zufrieden lassen, marsch in die Ecke!" Sie nimmit ihn am Arm und stößt ihn rauh in die Stube hinein.
Er starrt fie einen Moment verdugt an, er weiß gar nicht, was er Böses gethan hat. Sein Gesicht verzieht sich, er beginnt zu weintent. Sie hört es wohl, aber sie achtet es nicht. Eigentlich fühlt sie fich versucht, zu ihm hinzuftürzen, ihn an die Brust zu reißen und abzuküssen, aber nein, bloß nicht bloß nicht Zeit berbummeln jetzt, jede Minute ist Geld.
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Ach, es war doch eigentlich ein Hundeleben. Arbeit Tag und Nacht, nichts zu essen und dann nicht einmal Mutter sein dürfen, Und während sie die letzte Jade nein, nicht einmal Mütter sein! unter die Maschine schiebt, fließen große Thränen ihre abgezehrten
Kulturgeschichtliches.
g. Wenu Mama nähen muß. Ein enges Zimmer nach dem Hofe hinaus, die Wände kahl, die Einrichtung ärmlich, nur auf das notwendigste beschränkt. Am Fenster steht eine Nähmaschine, eine Frau sigt daran und läßt die Räder fliegen. Sie ist noch nicht alt, aber ihre Augen haben tiefe Ränder. Ihre Wangen sind well und Wangen hinab. farblos, ein Zug von Müdigkeit liegt um ihren Mund, jene tiefe Müdigkeit, die von Hunger nnd Elend, von durchwachten, durcharbeiteten Nächten spricht. Ohne aufzusehen zieht sie den feinen bl. Alt Berliner Mastenkostüme. Wie sich unsre Batist durch die Maschine. All ihre Bewegungen find von jagender Ururgroßeltern zur Masterade kostümierten, erzählt ein interessanter Hast. Sie muß sich ranhalten; wenn sie nicht bis fünf Uhr im Geschäft war, wird die Kommission morgen nicht mehr verrechnet, und die Nachtjacken reißen doch den ganzen Wochenverdienst heraus. Zwölf Mart diesmal, eine hübsche Summe. Sie hat zwar bei nahe alle Nächte dafür auffigen müssen und noch den Sonntag durch gearbeitet, es schadet aber nichts. Wenigstens kann sie nun die fieben Mark Mietsrest bezahlen und braucht nicht mehr vor der Ermission zu bangen. Wie es mit dem Lebensunterhalt werden soll, ist ihr freilich noch unklar. Fünf Mark Wirtschaftsgeld für sieben Tage, damit war schlecht haushalten. Ob ihr der Wirt noch zwei Mart ließ?. Na, der hatte schon vorige Woche ein Gesicht gemacht,
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Bericht aus den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts. Der Ludwig Pietsch von damals giebt ein recht anschauliches Bild von den Mastenkostümen, die man auf den Redouten im Opernhause bewundern konnte. Eine gewisse Phantasie scheint unsern Vorfahren danach nicht abzusprechen zu sein. Da gab es auf einem Ball eine Windmühle; wie das Kostüm beschaffen, wird leider nicht gesagt. Auf einem andern Fest erschien: ein Astronom, ein Müller und eine Maste mit einem Dompfaffen". Sehe großen Beifall fand eine ganze Maskengruppe. Voran schritt ein blinder Husareninvalide, geführt von seinem Weib, ihre drei Töchter folgten ihnen, awei Savon in ihrer ganz einfachen Tracht,