Lebensunterhalt.
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Später hörte ich allerdings, daß der Mann Jeiniger Handschriften der Bibliothek Bruchstücke eines dramatischen dieser Anstrengung, hundert, ja zweihundertmal über eine und Spieles, einer Art Moralität, wie sie seit dem Anfang des 16. Jahrdieselbe Sache lachen zu müssen, die vielen Menschen schon bei hunderts in Ober- Deutschland und der Schweiz besonders zur einem Male nicht die geringste Heiterkeit abrang, auf die Dauer fich Fastnachtszeit eifrig gepflegt wurden. Aus dem 15. Jahrhundert sind nicht gewachsen zeigte und wegen überhandnehmender Schwermut von solchen Fastnachtsspielen mur spärliche oder gar keine Beispiele feines Postens enthoben werden mußte. überliefert. Um so wertvoller ist die Auffindung eines solchen Spieles Wie verstand aber auch der tüchtige Adolf Ernst seine Hundertsten aus dem 15. Jahrhundert, das in der erwähnten Zeitschrift jetzt zum Jubiläen zu immer neuen Effekten auszunügen! In den Schau- erstenmale veröffentlicht wird. Es sind zwei Quartblätter, die fenstern der Blumenhandlungen prangten mit Aufschriften versehen in einem Bande, der der Basler Karthäuser- Bibliothek entstammte, die Kränze, Bouqets und sonstigen Blumenarrangements, die an als Schmugblätter verwendet waren. Aus einer Notiz am Ende der dem großen Abend den Mitgliedern und dem Direktor zu deren Handschrift ist zu ersehen, daß sie im Jahre 1434, wahrscheinlich im freudig- schreckhafter Ueberraschung auf die Bühne hinaufgereicht wurden; Kloster selbst, geschrieben worden ist. Auch die Schriftzüge stimmen. die Direktorin verehrte den Mitgliedern kostbare Geschenke, die zu dieser Datierung, und der die Fragmente verwertende Einband ist Mitglieder revanchierten sich, ein Festmahl fand statt, Gedichte gleichzeitig oder nur wenig später hergestellt. Einige für Basel oder wurden gemacht und alles das fand in der Presse einen Widerhall, Oberelsaß charakteristische Sprachformen bezeichnen den Ort der Entdaß er sich endlich auch in die Ohren derjenigen bohren mußte, die stehung des Fastnachtsspiels. Aus verschiedenen Fehlern der Handbisher das Stück noch nicht gesehen hatten. Man mußte hin! Glor- fchrift geht hervor, daß diefe Bruchstücke nicht die erste Aufzeichnung reich hat sich das von Adolf Ernst erfundene Genre famt seinen des Textes bilden. Auf jeder Seite ist immer nur die linke Hälfte hundertsten Aufführungen und seinen Jubiläen unter seinem Nach beschrieben und die rechte frei gelassen. Die Reden der einzelnen folger erhalten höchstens mit der kleinen Neuerung, daß, wie die Personen sind durch größere Zwischenräume deutlich von einander Sage geht, die Direktion mit den betreffenden Blumenhandlungen unterschieden; aber die Namen der Sprechenden sind nicht hinzu den Vertrag abgeschlossen hat, daß diese am Tage nach dem gefügt, ebenso wenig irgend welche Bühnenantveisingen. In den Jubiläumsabend die gelieferten Blumen, so weit sie noch zu ver- noch erhaltenen Bruchstücken treten mindestens sechs verschiedene Perwenden sind, zu einem billigen Preise wieder zurücknehmen. fonen auf. Ein Teufel macht den Anfang, in Begleitung einer größeren Anzahl von Gesellen; dann kommt Satan selbst, später ein gnädiger Herr", sein" Meier" und ein andrer Knecht, dem sich weiterhin sein Gevatter zugesellt. Das Stück wird anscheinend mit einer Scene in der Hölle eröffnet, in der Satan seinen Dienern Anweisung und Auftrag giebt, durch ihre Verführungskünfte die Menschen zu Fall zu bringen. Die Erfolge ihrer Bemühungen werden dann in einer Reihe von Bildern geschildert, die zuerst von dem wucherischen Grundbesitzer eröffnet wird, der seine Pächter aussaugt und mißbraucht.-
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Nächst dem Adolf Ernst- Theater waren es noch zwei andere Berliner Bühnen, auf denen die hundertste Aufführung zu einer lieben Gewohnheit wurde. Das eine war das Residenz- Theater mit seinen französischen Schwänken, das andre das Lessing Theater mit seinen Stücken von Blumenthal und Kadelburg. Noch heute, wo Oskar Blumenthal nicht mehr der nominelle Leiter dieser einst unter ihm so blühenden Bühne ist, weiß er ein Mittel anzuwenden, seine Stücke auf ihr der hundertsten Aufführung möglichst nahezubringen, denn unter den Bedingungen, die er dem jezigen Direktor dieser Bühne auferlegt, befindet sich auch die, daß feine Stücke so lange Abend für Abend hintereinander gegeben werden müssen, als die Einnahmen sich auf einer kontraktlich ausgemachten Höhe halten.
Theater. tuna
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oe. Jm Belle Alliance Theater ist am Sonnabend ein deutsch - amerikanisches Volksstück mit vielem äußeren Erfolg aufZu den Stücken, welche in Berlin mehrere hundert Aufführungen geführt worden. Für uns hatte die Vorstellung insoweit Intereffe, erlebten, gehört auch Halbes" Jugend" und es giebt viel als sie am Ende zeigen mochte, was unsre Landsleute drüben für leicht fein zweites Stück, das für unser Thema nach einer gewissen Ansprüche aus Theater stellen. Die Reise nach Amerita" Seite hin lehrreicher wäre. Die Einnahmen bei diesem Stück be- von Adolf Philipp soll am Germania- Theater in New York Monate liefen sich mitunter an einem Abend kaum auf einhundert Mark, hindurch als Zugftück gegolten haben. Seht man an den Deutschund oft genug wurde es, wenigstens im Sommer und in den Nach- Amerikaner den Maßstab an, der sich im lieben Deutschland daheim mittagsvorstellungen vor zwei, drei Bänken gespielt womit beim fleinbürgerlichen Publikum ziemlich bewährt, so hat diese natürlich dem dichterischen Wert des Stückes so wenig wie durch die Behauptung viel Wahrscheinlichkeit für sich. In dem Stück vermit ihm getriebene Reklame irgendwie Abbruch gethan werden soll. mengt sich die amerikanische Ueberlegenheit des Geistes mit der Dennoch, trotz dieses mangelhaften Zuspruchs, konnte es das Stück goldenen deutschen Herzenseinfalt. Zuerst wird das Gefühlsleben in Berlin auf dreihundert Aufführungen bringen. Das Rätsel, der Zuschauer mit derber Fauft wachgerüttelt. Ein Berufsgenosse das darin für den harmlosen Laien steckt, wird für ihn gelöst, des berühmten Onkel Bräfig nimmt von der mecklenburgischen Heimat sobald er sich erinnert, daß das Stück nur nur sechs Dar- Abschied, um drüben seine einzige Tochter wiederzusehen. Blumen steller bedarf. Aus diesem Grunde konnte es die Berliner vom Grab der Mutter und andre Sentimentalitäten, die dem Bauer Direktion verschiedene Male eine ganze Sommersaison hin- im Alltagsleben böhmische Dörfer find, spielen eine erfleckliche Rolle. durch Abend für Abend geben auch bei schlechten Einnahmen, Nach einem verunglückten zweiten Akt, der die Leiden der Neberfahrt demi ein Personal von sechs Darstellern kostet nicht viel, zumal im zum Krankwerden realistisch vorführt, tolpatscht der Inspektor in Sommer. Das Beispiel der" Jugend" ist in Berlin bahnbrechend Amerika herum. Das liebe Gemüt hat von Telephon und ähnlichen geworden. Es ist eine neute Litteraturgattung auf den Berliner Schrecken der Neuzeit sein Lebtag nichts gehört, ist fürs erste durch Bühnen entstanden die dramatische Sommerlitteratur. Man die neuen Eindrücke zum Sterben unglücklich gemacht, erkennt aber pachtet für den Sommer ein Theater; die Hauptsache bei dem Stück, schließlich in versöhnlicher Stimmung die Ueberlegenheit der neuen das man giebt, ist, daß es wenig Darsteller erfordert, und so ist in Welt an, was in New York gewiß sehr bejubelt wird. etwas über drei Monaten grade so lange eine Sommerdirektion Die Vorstellung im Belle- Alliance- Theater hatte unter allerhand ungefähr dauert die hundertste Aufführung erreicht. Die dra- Widerwärtigkeiten zu leiden. So mußte im letzten Augenblick die matische Sommerlitteratur ist ausschließlich für die Fremden be- Soubrettenrolle neu besetzt werden. Trotzdem den Einzelnen manches rechnet. Lassen sie sich nun von dem Umstand, daß das Stück zum nicht recht klappte, fanden Stück und Darstellung freundliche Aufhundertsten Mal gegeben wird, imponieren und gehen hinein, so nahme. Herr Hofschauspieler Richard gab den Inspektor sehr schütteln ste vielleicht den Kopf und können nicht begreifen, wie es zugeht wirksam.
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in der Welt, daß eine so faule Sache" Hunderimal gegeben wird. oe. Das Friedrich Wilhelmstädtische Theater nährt Nur der Berliner begreift es. Er hat für derartige Erscheinungen sich weiter von den Brosamen, die von der Herren Tische fallen. den berühmten Ausdruck Falle". Ganz von selbst ergiebt sich Die beiden Zugstücke der Gegenwart,„ Die Dame von Maxim", ferner, daß in einem räumlich kleinen Theater die Chance für die aus dem Residenz- Theater und„ Der Probekandidat" aus hundertste Aufführung eines Stücks sich natürlich günstiger gestaltet, dem Deutschen Theater erquicken jetzt, mit Kalauern zum Volsküchenals in einem räumlich großen. Auch die Berliner Sommerlitteratur Ragout zusammengerührt, ein wenig wählerisches Publikum. Von setzt sich deshalb mit Vorliebe in den kleinen Theatern feft. Das der Richtung, in der sich die dramatische Kunst des Herrn Direktor ist die Rücksicht, die Elend läßt zu hohen Jahren das soll heißen Samst bewegt, mag der Haupttrick des Stücks einen Begriff geben. Aufführungen kommen", würde man also mit Hamlet davon Gegen Schluß tritt nämlich ein wirklicher Athletenklub des Nordens fagen fönnen. auf die Bühne und zeigt, welche Kraftproduktionen erforderlich sind, Evig unvergeßlich aber wird mir folgendes bleiben: Ms junger um das Theater aufrecht zu erhalten. Unter solchen Umständen ist Mensch studierte ich mit Vorliebe und mit großer Aufmerksamkeit die eine Würdigung der schauspielerischen Leistungen dieser Bühne wohl Berliner Litfaßsäulen. Eines Tages fiel mir auf, daß ein Stück, überflüssig. das am Tage vorher als zum 81. Male gegeben angekündigt worden war, heute bereits zum 85. Male gegeben werden sollte. Es wird ein Druckfehler sein," sagte ich mir. Am nächsten Tag wurde das Stick, wie ich zu meinem Erstaunen las, zum 88. Male gegeben, am darauf folgenden zum 92. Male und vier Tage später wurde mit großem Jubel das Fest der hundertsten Aufführung be
gangen.
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Litterarisches.
tc. Gin Basler Fastnachtsspiel aus dem fünf zehnten Jahrhundert. Von einem interessanten Funde in der Basler Universitätsbibliothek berichtet Gustav Binz in der Zeitschrift für deutsche Philologie". Binz entdeckte bei der Durchsicht
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Kulturgeschichtliches.
Ueber die Statuten der Universität Jena von 1591 findet sich in den„ Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte" eine bemerkenswerte Arbeit. Die Sagungen sind sehr umfangreich, enthalten Abschnitte auch von der Wahl der Professoren",„ von der Anhaltung der Professoren zu schuldigem Fleiß im Lesen", von der Druckerei und Buchladen", „ von dem Bibliothecario" usw. und geben einen guten Einblick in das Leben der Universität. Beachtung verdienen vor allem die Abschnitte, die einen Schluß auf das sittliche, wirtschaftliche, wie wissenschaftliche Verhalten der Studenten gestatten, und die zeigen, daß der Iitniversität auch in ihren ersten 40 Jahren unliebsame Erfahrungen