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Nur ein philofophischer Fehler haftet auch dieser Rechnung noch an blick auf ein Ballfest oder ein andres Vergnügen verzichten, weil sie und beeinträchtigt jenes Gefühl der Befriedigung, nämlich die Ver- mit dem hohen Kamm unvorsichtigerweise gegen die Decke des Wagens nachlässigung der alten Regel: Alles fließt". Dieser Regel ewiger gestoßen hatte, wodurch die starken spigen Zähne sich ihr tief in den Veränderlichkeit ist ohne Zweifel auch die Bewegung der Gestirne Kopf einbohrten. unterworfen. Unser heutiger Erdentag, d. h. die Zeit einer ein­maligen Umdrehung der Erde um ihre Achse, wird nicht immer die gleiche Länge haben, und auch die Umwälzung der Erde um die Sonne, die den Erdenbewohnern das Zeitmaß des Jahres hergegeben hat, muß fich verändern. In welcher Weise das geschieht, das wissen unfre Astronomen heutzutage noch nicht und werden es voraussicht lich auf lange Zeit hinaus noch nicht wissen. Ueber diese Zukunft und ihre Folgen für den Kalender brauchen wir daher heute noch nicht zu grübeln. Dr. E. Tiessen.

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Kleines Feuilleton.

Im Mittelalter wurde mit Kämmen noch mehr Lurus getrieben als jetzt; sie waren feltener und zugleich kostbarer und tunstvoller als heutzutage. Im Museum des Louvre befindet sich ein elfenbeinerner Kamm aus den 16. Jahrhundert; er ist ein 10 Centimeter langer Doppelkamm, halb Staub, halb Frisierkamm und weist in der Längs­mitte und an den beiden Enden prachtvolle Reliefs und andre Ver­zierungen auf.

Bei manchen Bölfern wird auch heute noch wie früher im alten Griechenland den Verstorbenen ein Kamm mit ins Grab gegeben. So überreicht bei einigen indischen Völkerschaften der Priester dem neuvermählten Paar zwei Kämme, den einen zum gemeinschaftlichen Gebrauch für beide, den andern als Grabbeigabe für den zuerst Sterbenden.

Es flingt uns zwar wunderlich, davon reden zu hören, daß c. Der ,, Orgelschrei". In einer Wernigeroder   Urkunde des Männer der Kämme zum Aufstecken und Festhalten des Haares sich Jahres 1330, die die Einrichtung des Gottesdienstes an einem nen- bedienten. Allein bis vor einigen Jahrzehnten gehörte ein großer gestifteten Altar der alten Pfarrkirche St. Georgs festsetzt, heißt es runder Kamm zur Sonntagskleidung der alten Männer in Gebhards­u. a. Der Bitar solle die Liturgie beginnen, wenn man mit der gerent in Thüringen  . Dieser Kamm hielt die langen Haare Orgel brüllte wie ein Stier". Wie nun Paul Stöbbe in der socben ringsum zusammen, und die Träger des Kamms führten den Namen erschienenen Zeitschrift des Harz- Vereins" mitteilt, handelt es sich Schütteltöpf". hier um einen gewaltsamen musikalischen Effekt, der in der ältesten Geschichte des Orgelspiels häufiger zu finden ist und nervöse Menschen aus der Kirche heraustreiben konnte. Es war ein Accord, der, auf drei bis vier Tönen ruhend, eine große Anzahl Pfeifen plötzlich erflingen machte und längere Zeit am Ein- und Ausgang eines Liedes ausgehalten wurde. Man nannte ihn den Orgelschrei". Die große Orgel zu Winchester z. B. hatte auf jeder Taste circa

40 Pfeifen stehen, ein Orgelschrei mit drei bis vier Tasten brachte also 120 bis 160 Pfeifen auf einmal zum Klingen. Seine Wirkung schildert der Mönch Wolstan folgendermaßen:

Als wie des Donners Gebrüll erschüttert die cherne Stimme Rings die Lüfte, und nichts was es fei, hörest Du sonst: Also mächtig ertönet der Klang, daß jeder die Ohren Sich mit den Flächen der Hand zuhält und nicht es verträget, Wenn erklingt das Gebraus der vielvermischeten Töne. Ja, in der ganzen Stadt hört man den singenden Ton!"

Daß & diefe Schilderung nicht übertrieben ist, kann man noch heute in Salzburg   beobachten. Dort giebt es auf der Festung Hohensalzburg   ein Hornwert, eigentlich eine Orgel mit mechanischem Betrieb, die 1502 erbaut ist und dreimal am Tage ihre Weisen vom Turm erllingen läßt. Jedesmal vor Beginn des eigentlichen Musik stüds ertönt aus der Orgelmirtur mit 135 Pfeifen, dem sogenannten Horn, ein mächtiger F- dur- Accord, der im Volksmund der Salz­burger Stier" genannt wird. In Wernigerode   scheint es auch einen solchen Stier" gegeben zu haben, der jedesmal am Schluß der Lieder gespielt wurde und für den Vikar ein Zeichen war, die Messe zu beginnen.

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Auch in Märchen und Sage spielt der Kamm seine Rolle. So erhält das arme Schneewitchen den verderbenbringenden Kamm durch die böse Stiefmutter. Die Loreley   kämmt sich, wie jedermann bes tamt, mit goldenem Kamm. ( Köln  . Volksztg.")

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Musik.

Meister ein so ausgedehntes und wertvolles Epigonentum hervors - Selten wohl haben in irgend einer Kunstentwidelung zivei gebracht, wie in unsrer neueren Musikgeschichte Felix Mendelssohn  und Robert Schumann  ; selbst die ihnen doch weit überlegenen Selassiker wie Bach und Haendel  , wie Haydn  , wie Mozart   und Beethoven   haben keine solche Nachbildung gefunden. Man muß wohl Heines Bedeutung für die dichterische Lyrik ins Auge fassen, um etwas zu finden, das jener Erscheinung ähnlich ist und sie durch diese Achnlichkeit gleichsam erläutert. Längst haben in scharfem Gegensatz die spe Allein

nun hat sich der frühere Druck der Aclteren auf die Neueren

ciftſch modernen Stomponisten ein breites Feld erobert. umgekehrt: die Ungerechtigkeit wird jetzt in entgegengesetzter Richtung geübt. Es iſt, als wolle man sich dem Wohlflang, der in Werken, von teilweise hervorstehenden Meistern wie Rubinstein, Voltmann, wie namentlich von J. Zellner, dann etwa von Bargiel, endlich auch Rheinberger   waltet, abfichtlich entziehen und nicht dulden, daß in einer bewährten Sprache weitergesprochen wird. Und doch: so bald endlich wieder ein Werk dieser Art zu Gehör kommt, erfreut es das ( geb. 1849) finde ich aus den letzten Jahren nur eine kleine pro­Von Reinhold Ludwig Herman  parteilose Publikum. vinziale Aufführung aufgezeichnet. Um so mehr ist ihm der sehr freundliche Erfolg zu gönnen, den sein noch unveröffentlichtes Se la vierquartett fand, als es Sonntags in dem letzten der diesjährigen populären Konzerte des Waldemar Meyer= Quartetts zum erstenmal aufgeführt wurde, unter Mit­wirkung des Komponisten am Klavier. Es ist in B- dur geschrieben, mit Hinabspammung der C- Saite des Cellos nach B. Die besondere Merkwürdigkeit jenes Epigonentums, daß es zwei seiner Zeit zum Teil gegensätzliche Komponisten als Vorbilder ver­einigt, zeigt sich hier unter anderm in der Verschiedenheit zwischen dem dritten Say, Allegretto mosso con grazia, einem prickelnden Scherzo in Mendelssohns Art, und dem Finale, das himvieder mehr Schumannisch und im übrigen das typische Allegro risoluto" iſt. Der zweite und dritte Satz dürften wohl die schönsten sein; in dem Hauptthema jenes, des Adagio quasi Andante, fommt die melodiöfe Die hauptsächlichsten Arbeiten der Kammfabrikation bestehen in Kompositionsweise des Autors ganz besonders zur Geltung. Die der Zubereitung entsprechend geformter Platten und im Einschneiden Anlage des Ganzen ist weit mehr polyphon als harmonisch; viel und Zuspizzen der Zähne. Als Haartämme dienen die auf zwei Bewegung in Harmonie und Rhythmus giebt es hier nicht. Von Seiten fein gezahnten Staubkämme, ferner die speciell zum Aus- einer eigentlichen Originalität ist, trotz der reizvollen Themen, nicht fämmen bestimmten weitgezähnten Kämme und die Frisiertämme, eben zu sprechen, zumal da sich durch das Ganze die bekannten deren eine Hälfte mit fleineren und engeren Zähnen und deren Redewendungen hindurchziehn. Ein Genuß aber muß es sein, andere mit längeren und weiten Zähnen versehen ist. Zum Fest- namentlich für den Klavierspieler, ein Werk vorzutragen, in halten des Haares und vielfach auch als Schmuckstück dienen die welchem ein so lebendiger, temperamentvoller Zug herrscht wie in Einsteck- und Seitenkämme. diesem. sa

Der Kamm. Das Haar wurde von den Frauen von jeher mit der größten Sorgfalt gepflegt. Das Gerät, dessen man fich be­diente, um das Haar zu reinigen, zu ordnen, aufzustecken und fest­zuhalten oder um das ineinander geratene Haar zu entwirren, war schon im Altertume der Kamm, wenngleich zu Beginn der Menschen geschichte die fünf Finger der Hand diese Arbeit besorgen mußten. In großer Anzahl hat man Kämme in altrömischen Gräbern ge­funden und zwar die meisten in einer Lage, als seien diefelben in den Haaren des Hinterhauptes befestigt gewesen; auch Einschlag­fämme, nach Art unfrer jezigen Taschentämme, die man im Ge­wande bei sich tragen konnte, find häufig aufgefunden worden. Alle diese alten Kämme sind aus zwei oder mehreren Stücken zusammen­gesetzt, haben bald enger, bald weiter von einander stehende Zähne und weisen am Griff Verzierungen auf.

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Zur Herstellung der Kämme dient mancherlei Material. Dem ge- Größere Kammermusikwerke, namentlich solche mit Bläsern, bes wöhnlichen Bedarf dienen die Horn- und Kautschuktämme; feinere tommt man nicht eben häufig zu hören. Und doch sind die nicht Sorten werden aus Schildpatt und Elfenbein sowie aus Bugbaum vielen, die es giebt, prächtige Schätze. Von Blasinstrumenten werden und Ebenholz verfertigt. Um das Haar dunkler zu färben, bediente dabei meist Holzblasinstrumente, vom Blech meist nur das vor­man sich zuweilen verwerflicherweise der Bleikämme. Die besseren und nehmste, das Horn, zugezogen. So z. B. in einem der größten der= feinsten Kämme aller Art liefern Paris  , London   und Wien  ; in artigen Werke, in Spohrs Nonett( wie selten wird es gebracht!). Deutschland   befassen sich mit der Herstellung derselben vorzüglich Anderes Blech, paßt zu den Streicher noch weniger, als dazu nach dem Geschmack von Feinhörern Berlin, Fürth   und Nürnberg  . das Klavier paßt. Zwar Die Form der Schmucktämme wechselt mit der Mode. Zur Zeit hat Hummel neben seinem wunderschönen Klavierseptett auch eines unfrer Großmütter trugen die Damen mit Vorliebe Schildpatt- mit Trompete geschrieben; allein es ist von vornherein als tämme, die den ganzen Hinterkopf umschlossen; der Griff Militärseptett" angelegt. Saint- Saëns   hat in seinem war reich mit Perlmutter oder mit Sternchen, Blättchen Septett für fünf Streicher, Klavier und Trompete und Blümchen aus Stahl verziert und so breit und hoch, dieses Instrument mit den übrigen dadurch möglichst vers daß er weit über dem Kopfe vorstand. Dieser Schmud- einbar gemacht, daß er diese und das Ganze nicht tamm erforderte besondere Vorsicht beim Einsteigen in einen allzu fein hielt. Markante, wohlgefällige, einfache und ein geschlossenen Wagen, und manche Dame mußte im letzten Augen- wenig robuste Themen mit recht bündiger Erledigung des Drum und