Unterhaltungsblatt des Vorwärts
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Freitag, den 2. März.
( Nachdruck verboten.)
1900
Groschen, und als sie nach zweiwöchentlicher Arbeit zehn Gulden) beisammen hatte, hüpfte sie vor Freude und stimmte dächtnis haften geblieben tvar...
Muter dem Schuhe des Gefehes. ein Liedchen an, daß aus alten, alten Zeiten in ihrem Ge
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III.
Ein neues Leben brach für Hanka an. Anfangs arbeitete sie mit wildem Eifer, fand sich mit Anbruch des Morgens auf dem Kartoffelfeld ein und verließ es erst mit der sinkenden Nacht. Sie ließ die Erde förmlich durch ihre Finger gehen, um nur ja teinen Knollen zu vergessen. Bu Mittag briet sie sich einige Kartoffel, zu denen sie sich Salz kaufte, der Rest des Verdienstes ging für das Brot drauf, das sie morgens und abends verzehrte.
Es war ein besonders warmer, wenn auch nebliger Tag. Die Pappeln am Wege standen regungslos da, die dünnen Fäden des Altweibersonmrers glänzten silbern über der Erde, von einem unmerklichen leisen Hauch emporgetragen, und die blaßgoldene Sonne ging, ohne zu strahlen, glanzlos, langsam in einem Lilanebel über dem Walde unter.
This der Stadt kam eine Gesellschaft von Damen und Herren, die im Gehen eine lebhafte und muntere Unterhaltung führten.
Hauta sang. Es war, als hätte ihre geknebelte und be täubte Seele plötzlich Flügel und Töne gewonnen. Eine Röte, Aber schon nach einer Woche solcher Arbeit wurde sie sehr gleich einer aufsteigenden Morgendämmerung, stieg aus den schwach. Obwohl sie mit ungemindertem Eifer arbeitete, Tiefen ihres Herzens empor und ergoß sich über ihr ab. ipurde ihr doch zuiveilen vor den Augen plöglich dunkel, und gemagertes Gesicht, die sonst erloschenen Augen glühten noch die zitternden Hände konnten nicht mehr mit der gleichen An- von den Nachwehen des gestrigen Fiebers, ihre Lippen strengung die Spatenhiebe gegen die harte Erde führen. Es bebten. Die Stimme brach sich und vibrierte, dann erhob sie passierte, daß der Müller, der von Zeit zu Zeit erschien, um sich immer kräftiger, bis sie weit über das Feld hinhallte, bis das Graben zu überwachen, hie und da eine ver zum Walde hin, über die Wiesen, volltönend, umflort, wie geffene Kartoffel fand; dann tobte er, warf die Müße vom Abendthau gesättigt. Es war seltsam. Die Sängerin wütend zu Boden, stampfte mit den Füßen, faßte dachte nur an ihre zerfekten Schuhe, an deren Stelle jie neue sich beim Kopf, und zog einen oder zwei Groschen von faufen wollte, aber in ihrem Gesange tönte jene unbewußte Sem färglichen Lohn ab. Hanka ertrug alles, ließ sich alles Poesie, die das Herz des Volfes erfüllt. Sie war glücklich, gefallen. Sie fühlte sich beinahe glücklich. Tagsüber hatte frohgemut und von ihrer Stimme flang eine grenzenlose fie Arbeit, wie alle Leute, nachts suchte sie Schutz in irgend Wehmut und Sehnsucht. einer Furche und bedeckte sich mit dem groben Laken, das Fabich ihr gegen Einhändigung des roten Passes überließ.
Sie konnte leben.
Die von der Stadt kommende Gesellschaft mußte den Neiz dieser Stimme fühlen, denn die Unterhaltungen und bas Lachen verstunuten plöglich und einige Köpfe wandten sich Die Nächte wurden freilich immer Kühler, und ein Frost um nach der Seite des singenden Mäbchens. Unter diesen schüttelte das Mädchen manchmal gegen Morgen, und sie war einer, mit hellem, kurzem, borstigem Haar bedeckt, und hatte nichts, womit sie sich hätte erwärmen können. Die Zeit in dem Gesicht bltzten die Augen mit einem unangenehmen schien nicht mehr fern, wo es überhaupt unmöglich sein würde, rötlichen Feuer. Der Kopf gehörte dem Herrn Sekretär, der im Felde zu übernachten. Hanka bemühte sich, nicht daran seiner Zeit Hauka die Papiere eingehändigt hatte. Er blieb zu denken, und so oft Fabich erschien, fuhr sie rasend mit dem stehen, biß sich in die Unterlippe, ließ die Lider tief über die Spaten umber, daß kleine Klümpchen feuchter Erde auf Augen finfen und eine leichte Blässe bedeckte sein Gesicht. spritzten. Endlich war das Kartoffelfeld abgegraben. Aber Doch das dauerte kaum eine Minute, und während die andren über Hanka schien ein guter Stern zu leuchten; denn Fabich noch lauschten, wandte sich der Sekretär, Herr Alexander selber empfahl sie dem Schaufwirt Gawronsti, der dicht Kosici, der im Städtchen als ein sehr angenehmer Kavalier daneben sein kleines Neckerchen hatte, und ebenfalls Arbeiter galt, an die Damen, lachte mit seiner schnarrenden Stimme zunt Kartoffelgraben brauchte. Aber der Müller hatte keinen furz auf, und knüpfte das abgebrochene Gespräch mit einem Grund, dem Gawronski eine ebenso billige Arbeiterin zu Kangleiwik wieder an. Aber die Unterhaltung wollte nicht gönnen, wie er sie selber gefunden. Er sagte daher recht von statten gehen. Der Herr Sekretär erinnerte sich dem Echauswirt, daß er Hauka zwanzig Groschen plöglich, daß ein dringendes Geschäft noch seiner Erledigung den Tag bezahlte. Der letztere ging darauf Der lettere ging darauf ein, harrte, begleitete die Lustwandelnden nur noch eine furze aber Hauka bestand diesmal hartnäckig barauf, nicht Strecke, dann kehrte er eilenden Schrittes nach der Stadt weniger als vierundzwanzig zu nehmen. Die Schuhe zurück. fielen ihr von den Füßen, die Kleider faulten förmlich am Hanka sang. Ihre schmächtige, zur Erde gebückte Gestalt Leibe von der Feuchtigkeit der Erde, sie mußte also um jeden hob sich im dunklen Schattenrig von dem Abendrot ab; sie Preis etwas zufammicnlegen, um sich Sachen anzuschaffen. war faum von den Feldsteinen, die in kleinen Häuflein am Goivronsti bemühte sich, etwas abzuhandeln, aber da er Rain lagen, zu unterscheiden. Von den neuen Schuhen träumend, wußte, daß man ringsum allenthalben vierzig Groschen vollendete das Mädchen das Abgraben der Furche und rückte immer den Tag zahlte, gab er endlich nach und leerte mit Fabich ein Gläschen Anis zur Besiegelung des Geschäfts. Dann ging Hankas roter Paß aus der Hand des Müllers in die des Schankwirts über, und das Mädchen, das Hoffnung und neuen Mut schöpfte, bekam anstatt des Lakens einen Sack.
näher an den Zaun heran, der den Acker von der Chaussee trennte. Sie war schon ganz nahe, als sie einen Schatten zu ihren Füßen bemerkte. Vor ihr, mit beiden Händen den Baumpfahl umfassend, stand der Herr Sekretär und blinzelte unter den gesenkten Lidern zu ihr hinüber. Noch bevor das Mädchen Zeit hatte, sich von seinem Erstaunen zu erholen, hob der Herr Sekretär mit seiner schnarrenden Stimme an:
Du, warum hast Du Dich bei mir in der Kanzlei nicht gemeldet? A...? Am dritten Tage, wie Dir ausdrücklich befohlen ward?... A...?"
Und wieder fand sie sich auf dem Aeckerchen hinter der Windmühle am frühen Morgen, der täglich nebliger ward, ein, und trat immer später mit der sinkenden Nacht ab. Es fam ein früher, regnerischer Herbst. Schwärme von Krähen und Dohlen zogen von dem nahegelegenen Wald vorüber, falte, schneidende Regenschauer gingen wieder. Der Frost, Hanka überlief ein Schauern. Sie hatte die ganze Zeit der Hanka auch früher schon zeitweise schüttelte, verwandelte über bei ihrer schweren Arbeit gänzlich die Meldepflicht verfich in ein regelrechtes chronisches Fieber; das jeden vierten geffen, alle Amtspersonen mitjanit dem Herrn Sekretär waren Zag wiederkehrte, das aber das Mädchen sorgsamt zu verbergen ihr vollständig aus dem Gedächtnis entschwunden. Zuweilen wußte, um die Arbeit nicht zu verlieren. Auf ihrem vergaß sie fogar, daß sie eigentlich eine Verschickte war, daß Stopfe Tastefe es wie ein schwerer Stein, in allen Gliedern sie im Sterker gesessen, die ganze Vergangenheit verschwand fühlte sie ein Brechen, und ein Durst quälte sie, daß sie oft mals an einer Quelle niederfank und sich volltrant.
Da Gawronski ihr erlaubie, zweimal des Tages Nartoffeln zu braten, faufte sie fein Brot mehr, auch für Salz gab sie fein Geld mehr aus, da ihr die Stinder des Schankwirts zuweilen etwas brachten. Sie legte Groschen zul
aus ihrer Erinnerung. In solchen Augenblicken schien es ihr, daß das gauze Leben ihr beim Startoffelgraben verflossen war, an der schwarzen feuchten Erde- und daß ihr ganzes ferneres Leben so verfließen würde beim Kartoffel
*) 10 Gulden etwa ein Thaler.