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fich auf der Gasse vor dem Saal ab, in dem Luther spricht. Hutten erscheint; er hat sich an die Spige eines bewaffneten Haufens gestellt, um seinen Helden Luther zu schirmen. Mit Hutten ist auch die Tochter des Erasmus erschienen, die richtig ihr Herz entdeckt hat und nun hinter Hutten herzieht, wie Käthchen von Heilbronn hinter dem Grafen von Strahl. Schließlich erscheint Luther auf der Bildfläche, gerade gut genug, un in einem lebenden Bild, das nun von der Volksmenge gestellt wird, die stumme Figur zu machen. Nicht als ob wir ihn gern hätten reden hören. Ach nein! Wir haben in den Reden der übrigen historischen Persönlich keiten von Wildenbruchs Gnaden gerade genug und übergenug. Wir wollen mir darauf hinweisen, was so ein Theatermann alles unter nimmt, um zu seinem Theatereffekt zu kommen.
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Jahren nicht, in die Rudower Kirche bei Potsdam einzubrechen, um einen Fezzen vom Leichentuche zu erlangen. Daher werden auch im Spreewald alle Ecken und Zipfel der Kleidung mit Nadeln festgesteckt, die Tragbahre ungekippt( in der Altmark ) oder das Stroh, die Wagenrunge und Leitern, auf denen der Sarg stand, an gewissen Stellen der Dorfmark abgeworfen und verbrannt. Nach uraltem Herkommen legte man dem Toten einen Zehrpfennig( Totemnünze) in den Sarg, vielfach auch in den Mund ein Gebrauch, der an den Obolus der Griechen erinnert. Mehr als man annimmt, wird auf dem Lande an diesem alten Brauche festgehalten. Mit diesem Totenpfennig zogen die Seelen der Abgeschiedenen, um ihn zu verspielen, nach einem merkwürdigen Ort zwischen der Oberwelt und dem Totenreich, der im Volksmunde Owerskrug, Abers-, Obis-, Nobis- oder Näbers Jim letzten Aft find wir schließlich in Basel . Einsam, vergrämt frug heißt, sich in der Mart Brandenburg und in Norddeutschland und verlassen finden wir Erasmus in seinem Arbeitszimmer. in sehr vielen Flurnamen erhalten hat, und eine Brücke vom Luther hat ihn überstrahlt und mit Neid erfüllt. Seine Anhänger altgermanischen Mythus nach der christlichen Anschauung schlägt. haben ihn verlassen und einige haben sogar( man schandere!) gegen ihn geschrieben. Seine Tochter ist verschwunden er weiß nicht wohin. Ein alter kleinlicher Mann ist Erasmus geworden, der die Welt ankläfft, weil sie ihn nicht genügend feiert, und sich an den Schmeicheleien wärmt, die in vergilbten Briefen stehen. Er hat verhindert, daß Hutten in Basel aufgenommen wurde und trägt so die Schuld, daß er weiter wie ein Wild durch die Lande gehezt wird. In dieser vergrämten und befleckten Einsamkeit erscheint nun feine Tochter. Es giebt eine Auseinanderseßung, und mitten in dieser Auseinandersetzung bringt ein Bote die Kunde von Huttens Tod. Die Poppe pardon, die Tochter des Erasmus, schlägt langt hin, steht dann aber wieder auf und treint sich von ihrem Vater, dem sie es nicht vergeben kann, daß er an Hutten zum Verbrecher wurde. Erasmus bleibt zurück, ein alter Mann in einer alten Welt.
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In der Mark war es vor einem Menschenzeitalter ganz allgemein üblich, durch Kronen und Kränze, die in den Kirchen aufgehängt wurden, das Andenken zu erhalten. Ursprünglich ist diese Sitte vielleicht in ganz Norddeutschland üblich gewesen; am längsten hat sie sich in der Mark und den öftlichen Provinzen gehalten. Die Uckermard, die auch in andrer Hinsicht eine fulturgeschichtliche Ausnahmestellung einnimmt, zeichnet sich durch zähes Festhalten am Alten aus. Ihr Verschwinden dort ging Hand in Hand mit dem in der Prignitz , wo sie sich nach der Elbe zu immer mehr verliert. Neben der Krone spielt noch der Kranz eine Rolle, der, ebens falls mit Bändern verziert, aufgehängt wird. Häufig ist derselbe dem Jüngling, die Krone dagegen der Jungfrau zugewiesen, wobei es auch vorkommen konnte, daß der Jünglingskranz aus Myrthe geflochten war. Beide, Kranz und Krone, blieben bis zur Gruft Wie man sieht, handelt es sich gar nicht um ein historisches auf dem Earge, wurden bisweilen aber auch dem Verstorbenen aufs Drama, obgleich Herr Wildenbruch historische Persönlichkeiten in einer Haupt gesetzt und erst nach der Bestattung in die Kirche überFülle aufmarschieren läßt, die selbst einem modernen Shakespeare geführt. Ein solches aus dem Jahre 1671 stammendes Wand- oder zu schaffen geben könnte. Herr Wildenbruch hat es allerdings be- Totenbrett mit darauf befindlicher Krone aus fünstlichen Blumen ist quem: er giebt seinen Helden einen historischen Namen und läßt sie noch in Schwaneberg bei Prenzlau vorhanden. Einen schönen Zug dann laufen. Am meisten kann man dem Stück noch abgewinnen, verraten uns die Kranzbänder, welche zuweilen Monogramm, wenn man es als eine Gelehrtentragödie auffaßt. Der Sprüche und Lebenslauf enthalten. Auch Bitten an die Uebers peinliche Eindruck, den der grobe historische Theaterapparat ver- lebenden, ihre Thränen zu stillen, kehren häufig wieder und ursacht, bleibt allerdings bestehen. Wenn der Dichter die Reformation erinnern an die uralte, schon in der Edda und dem Nibelungenbemüht, kommt er mit einer Gelehrtentragödie schlechthin nicht lied erwähnte und von Helmold für das 12. Jahrhundert bezeugte davon; er muß uns dann freundlichst eine historische Gelehrten Sage von dem Thränentrüglein, das durch die Thränen der Mutter tragödie geben und davon kann, wie gesagt, gar keine Rede sein. zum Ueberlaufen voll wird. Diese durch zahlreiche VolksAber auch als psychologische Dichtung ist das Stück schließlich grob lieder bestätigte Sage findet auch durch eine wendische Anschauung und dürftig. Das Um- und- bei überwuchert vollständig, und statt ihre Unterstützung, nach der man dem Toten die Ruhe raubt, wenn tiefer Psychologie erhalten wir eine Charakteristik, die mit den man auf den Sarg eine Thräne fallen läßt. billigsten Mitteln arbeitet. Hier und da merkt man in einer In der Grabdenkmälerform lassen sich drei Entwvidlungsstufen Einzelheit freilich immer noch den Dichter. Man fagt gelegentlich unwillkürlich Donnerwetter!" und bekommt ordentlich so etwas wie Respekt. Zwei Minuten später steht man dann Tantalusqualen aus, weil die Handlung auf der Bühne ins unfreiwillig Komische um zuschlagen droht. Poetische Lichtblicke wechseln mit Stellen, die so seicht sind, daß einem geradezu die Schamröte in die Wangen steigt. Um der Lichtblicke willen ist die Kritit dem Dichter sehr entgegengekommen. Da Wildenbruch unter keinen Umständen Schaden an: richtet, ist dagegen auch nicht viel zu sagen. Daneben wollen wir aber doch lieber nicht vergessen, daß die ganze Sache mit der dramatischen Kunst gar nichts und mit der Kunst im allgemeinen wenig, fehr wenig zu thun hat. Die Darstellung war gut, wenn sie auch die langweiligen Gestalten natürlich nicht zu fröhlichem Leben eriveden Tomte. Das beste Los hatte Pohl gezogen, der den Erasmus darstellte und besonders im letzten Att sehr fein und sehr wahr spielte. Erich Schlaikjer.
Kleines Feuilleton.
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verfolgen: Pfahl, Stele und Kreuz. Der einfache Pfahl ist aus Holz, felten verziert und ursprünglich wohl schon neben den Stronen üblich. Neben ihm tritt die Stele auf, um Namen und Daten aufzunehmen, und schließlich bildet sich aus dem Pfahl, unter Aufgabe der Stele, das Kreuz mit Inschrift. Interessant ist es, zu verfolgen, wie Simmbilder, die heute nicht mehr in ihrer Bedeutung verstanden werden, zu Mythen Veranlassung geben. So hat eine schadhafte Stelle auf dem Grabstein des Bischofs Johann v. Wöpelitz in Havelberg , der dort angebrachte Hund die Sage verursacht, daß der Bischof durch den Stich eines Lindwurms getötet worden sei. Auch der Humor hat sich hin und wieder auf die Kirchhöfe gewagt. So lautet in Templin eine der Grab inschriften: Hier ruht meine Frau, Die soviel Jahre gezankt mit mir. Wandrer gehe fort von hier, Sonst zantt fie noch mit Dir." Weniger ungalant ist das Gedächtnis einer Bauernfrau in Gräbendorf ( bei Königs- Wusterhausen ) geehrt: Was gesprochen ist gehalten, gehalten, Ja es fanden sich noch Spalten, die das- Besprochene wollten spalten. ES Gott gab mir einen fräftigen Sinn, ist ein töstlich Ding, geduldig sind 2c. 1844." Sehr beliebt waren Anspielungen auf die Thätigkeit der Verstorbenen. Ueber Totengebräuche und Sagen in der Mark In Salzwedel lautet eine folche auf den 1711 verstorbenen Brandenburg hielt Robert Mielke in der Gesellschaft für Postmeister: Gile nicht, Wandersmann, als mit der Post. Heimatkunde der Provinz Brandenburg zu Berlin " einen Vortrag, Auch die geschwindeste erfordert Verzug im Posthause. Hier in dem er nach einem Bericht der„ Voff. 8tg." folgendes ausführte: ruhen die Gebeine des Herrn Matthias Schulzen, tönigl. Preuß. Totengebräuche, in der breiten Masse des Volts ausgeübt, sollen 25 jährigen unterthänigst treu gewesenen Postmeisters zu Salzwedel. einerseits das Wohl der Verstorbenen noch nach dem Hingange Er tam allhier 1655 als ein Fremdling an. Durch die heil. Taufe fördern, andrerseits das Andenken bei den Ueberlebenden dauernd ward er in die Postcharte zum himmlischen Kanaan eingeschrieben. erhalten. Oft schon fällt in den Lenz des Lebens ein Schatten von Darauf reisete er in der Lebenswallfahrt durch Schulen und dem unabwendbaren Geschick, wenn man zu gewissen Zeiten, in Afademien mit löblichem Verzug. Hernach bei eingetretenem Postden Zwölften, der Neujahrsnacht, dem ersten Jahrestag 2c. die amt und andren Berufssorgen betvies er sorgfältig sein Christentum; Anzeichen zu erkennen glaubt, wann und wo der Tod seinen bei vorkommenden Unglüdsposten richtete er sich nach dem göttlichen Einzug halten wird. Oder es sind gelegentliche Zeit- Trostbriefe. Endlich bei seiner Leibesschwachheit, dem gegebenen erscheinungen, wie ein zirpendes Heimchen im Hause, das Beichen der ankommenden Todespost machte er sich fertig. Die Seele Ticken des Hauswurms, das plötzliche Stehenbleiben der Uhr, die reiste den 2. Juni 1711 hinauf ins Paradies, der Leib hernachmals den ungebetenen Schnitter verkünden sollen. Auf dem Werbellin in dies Grab. Gedenke, Leser, bei deiner Wallfahrt beständig an die lacht es laut über die Wellen beim Herrannaben des Gevatters Tod, prophetische Todespost: Jesaia XXXVIII. 1." und auf dem Gohlizer See bei Lehnin tanzt ein grüner Hut als Einer uralten Anschaumg von dem Aufenthalte im Grabe ist Unheilsbote umher. Und manche ängstliche Seele zählt an den Rufen es zuzufchreiben, wenn dem Verstorbenen bestimmte Beigaben ins des Kuckucks die ihr noch vergönnten Jahre. Nach dem Verscheiden Grab gelegt wurden; Gegenstände, von denen man sich eine uns öffnet man das Fenster, um die Seele hinauszulassen; die Spiegel felige Einwirkung auf die leberlebenden verspricht. Sie verbindet werden verhängt, Stühle oder Böcke, auf denen der Sarg stand, sich mit einer andren uralten Vorstellung, daß der Tote sich von werden umgestürzt, damit nicht noch mehr Tote im Hause sich finden seinen liebsten Sachen nicht trennen kann. Die Sitte, welche in würden. Andrerseits kann eine Berührung des Toten gewisse Krant- den gebildeten Kreisen Pommerns herrscht, den Gatten die Briefe heiten heilen, und so nimmt man denn auch gern etwas von den in den Sarg zu legen, die fie fich als Braut und Stoffen, die zur Beisetzung dienten; ja, man scheute sich noch vor vier I Bräutigam geschrieben haben, findet in der Mark ihr Gegenstüc