Anterhaltungsblatt des Vorwäris

Nr. 52.

Donnerstag, den 15. März.

( Nachdruck verboten.)

1900

war er darüber sehr betrübt, dann ward er wütend, bearbeitete die Nacken der Arrestanten mit der Faust, und als er sah,

Unter dem Schuhe des Gefehes. daß auch dieses Mittel nichts half, spuckte er aus, brummte

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Von Maria Konopnida.

einen Fluch durch die Zähne und ging mit dem Gemeinde­schreiber, der zu Manta verliebte Augen machte, eine Cigarette rauchend, ins Wirtshaus, um sich auf den Weg etwas zu er wärmen.

Die Arrestanten lachten sich in die Fäuste. Sie wußten ganz gut, wer fehlte.-

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Der Knabe beeilte sich, aber es verfloß eine geraume Weile, bis er in Begleitung des Schulzen und des Gemeinde­wächters zurückkehrte. Beide vermochten nur mit Mühe die Bunge zu bewegen. Gleichwohl war die Beredsamkeit des Schulzen so überzeugend, daß der Wächter einen Augenblick Blutrot und ohne zu strahlen stieg die Sonne am Himmel später die Arrestanten unter der Obhut seines Kollegen von empor, als Hanka, die denselben Weg, den sie gekommen war, der Gemeinde und zweier Bauernburschen überließ, die sich aufs Geradewohl zurücklief, endlich die ihr wohlbekannten freiwillig erboten, die Diebe zu überwachen und mit dem Hintergäßchen an der Weichsel   erreichte. Sie hatte diesmal Schulzen ins Wirtshaus trat, um sich ein wenig zu erwärmen. die Flucht ohne Ueberlegung, ohne Berechnung unternommen, Der Gemeindewächter war von Natur weichherzig und nur der Stimme gehorchend, die ihr im Innern zurief: wenn er sich betrank, konnte man ihn vollends um Nette dich!"

den Finger wickeln. Ats daher einige Arrestanten Sie selber wäre erstaunt gewesen, wenn man ihr ge­über die grimmige Stälte zu flagen aufingen, wurde eine und sagt hätte, das sei eine Flucht. Sie rettete sich bloẞ, nichts die andre Flasche herausgebracht, unt sich daran zu erivärmer, weiter.

dann noch eine und wieder eine. Ein jeder öffnete ein Das Schicksal war ihr außerordentlich günstig. Sie wanderte Bündel, und wer einen Groschen besaß, der leistete sich und und wanderte, anfangs hatte sie den Abendstern, dann andren etwas. Unmerklich rückte die Gruppe dem Wirtshaus den Morgenstern über dem Haupt. So oft fie ant Abend näher, um es bequemer zu haben, sich zu verproviantieren, Menschen begegnete, ging sie langsamer. Mancher rief ihr ein und da man von hier die Fiedel schon ganz genau hörte, Grußwort zu; aber niemand konnte ahnen, daß diese schmächtige frempelte so mancher die Rockschöße in die Höhe und machte unbedeutende Gestalt eine Verbrecherin", eine fliehende Miene, die wankenden Beine im Tanze zu schwingen. Arrestantin wäre. Erst als weit und breit ringsum feine lebendige Seele mehr zu merken war, fing fie an, aus allen Kräften zu laufen, während der Wind, der von der entgegen. gesetzten Seite blies, ihr fadenscheiniges Kleidchen blähte. Endlich ruhte der Mind, sie aber ging weiter, immer weiter. Sie ging, und in ihrem gequälten Herzen regten sich neue unbestimmte Hoffnungen.

An dem Thor des Wirtshauses erschienen Burschen und Mädchen, die die Arrestanten neugierig betrachteten. Werda   schritt auf eine von ihnen zu.

Sie drehte sich heftig um und zeigte ihm die halbe Schulter.

Hab' auch was Besseres zu thun.... Mit einem solozen... rasierten Kopf.

"

Sie wurde rot wie cine Kirsche. Die andren stimmten ein Lachen an.

Hanka schritt auf Manka Czerkas zu, die das Tuch fort­geschleudert und sich bei den Seiten gefaßt hatte; Manka wiegie sich in den Hüften und trällerte leise vor sich hin: Ging das Mädchen in den Hain  

" 1

Pflückte Blumen am grünen Rain..."

,, Mauka," flüsterte die andre,., Manka!"

Als sie in dem Labyrinth der Hintergäßchen angelangt war, machte sie einen Uniweg, um bei der Walentowa ein­zukehren, sich dort einen Tag verborgen zu halten, und mit Anbruch der Dämmerung die Wanderung fortzusehen. Sie hatte Glück; der Hausmeister stand nicht, wie gewöhnlich, am Thore. Atemlos eilte sie zu den Kellerwohnungen. Als fie an den langen, dunklen Korridor gelangte, war sie erstaunt darüber, daß es hier so hell war. Sie drang etwas weiter vor und bemerkte, daß diese Helle durch die offen stehende Thür der Walentowa tam. Ihre Verwunderung steigerte sich und sie

Das Mädchen sah sie mit vom Brauntwein umflorten ging weiter. Es herrschte vollkommene Stille. Endlich war fie Augen an. Sie fang falsch.

Bald stimmte sie eine andre Weise an:

" Ich weiß mir schon zu helfen,

Und habe Geld in Haufen,

Die schwarzen Küchlein schlag ich los Und will ein Haus mir kaufen..."

Hanka zupfte fie am Aermel.

,, Manka, so hör' doch... Mauka! Willst Du mit?" Aber Manka hüpfte feelenvergnügt herum.

"

lub was mir dann noch fehlt,

Wird vom Bruder genommen,

Und ist's noch immer zu wenig,

Werd' ich's vom Freund bekommen...."

Hu, hu!" jauchzte sie im Takt der Fidel und der Trommel.

Hanka zerrte sie wieder am Arm. Höre, Du unglückliches Geschöpf, Du wolltest doch ent­fliehen, Du wolltest doch fort...

Sie sprach mit gedämpfer, fieberhaft erregter Stimme. Mauka sah sie wie geistesabwesend an.

" Ich mach mir nichts aus dem Durchbrennen," sagte sie laut, gebt noch Schnaps her!"

Hanka blickte sich erschreckt um, aber alle waren mit sich selbst beschäftigt.

Sie schlich sich leise in den Schatten, weitab von der frohgestimmten Menge.

bei der Thür und trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Die Stube war völlig leer, nur in der Mitte, auf dem ein­gestampften schwarzen Boden, lag ein aufgelöstes Bund Strob.

Noch bebor Hanka sich befinnen konnte, fuarrte die gegenüberliegende Thür, und an der Schwelle erschien eine Frau mit einer Kanne in der Hand.

Zu wem wollen Sie, Fräulein?" fragte fie. Zu der Walentowa, der Wäscherin.

sie ist fortgezogen von hier..."

Die Frau schüttelte den Kopf.

aber ich sehe,

Ach ja, fortgezogen von hier, fortgezogen. Nur ist sie aber nicht von selber fortgezogen, sondern andre haben sie fortgezogen."

Hantas Augen öffneten sich plöglich weit. Sie betrachtete die Sprechende wie bewußtlos.

Heilige Mutter!" flüsterte sie nach einer Pause mit ver fagender Stimme.

So, fo, mein Fräulein. Die arme Frau ist tot. Ge­hören Sie etwa zur Familie. Mein Gott, jetzt werden aller­hand Leute kommen, um nach einem hinterlassenen Groschen zu schnüffeln... Aber als die Alte niemandent hatte, der ihr einen Tropfen Wasser reichte, da zeigte sich kein Mensch. Ein verlassenes Greijenalter, zum Erbarmen..

"

Hanka stand regungslos wie eine Säule und starrte das auf dem Boden liegende Stroh an. Die Nachbarin seufzte und sprach weiter.

Gott  

Als am Morgen darauf der Wächter die Arrestanten dem Die Zeiche blieb vier Tage liegen. fie war inzwischen ernüchterten Ortsschulzen übergab, bemerkte er geb' ihr ewige Ruhe!- aufgedunsen, fürchterlich. Wie sollte das Fehlen einer Nummer". Dreimal ordnete er sie sie nicht aufgedunsen werden? Das war doch so eine Strank in Reih und Glied, zählte zuerst von rechts nach heit, daß ihr zuerst die Beine anschwollen, dann immer weiter links, dann von links nach rechts, aber er fonnte hinauf, bis es zum Herzen fait, da konnte die Arme nicht die fehlende Nummer" nicht hereinbringen. Zuerst I länger aushalten.... Hm, ja. Wäre nicht mein Mann, so