215 parlamentarisch gebunden bin. Wir haben also Zeit, unser Glück zu genießen.

Du thuft mir unrecht, wenn Du mir schmollst, weil ich gestern das Rendezvous versäumt habe. Wir mußten vollzählig bleiben, weil sonst die verfluchte Linke Obstruktion getrieben hätte. Die Sittlichkeit des Bolts erforderte meine Anwesenheit. Aber Freitag ist die Dual zu Ende. Dann gehöre ich Dir. Mit tausend Küffen

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Dein

Egon von und zu Edelrein.

Werter Herr Lehmann!

Sie können bestimmt darauf rechnen, daß ich am Ende dieser Woche zum Beginn der Feldarbeiten wieder zu Hause bin. Sie haben ganz recht: Sie sind zwar ein vortrefflicher Inspektor, aber es ist doch das beste, wenn auch der Herr anwesend ist.

Sie fühlen sich durch den Arbeitgeber- Paragraphen benruhigt? Aber mein Lieber, glauben Sie wirklich, daß wir derartiges dulden werden? Das giebt's nicht. Wir wollen dem Umsturz und der schamlosen Kunst zu Leibe gehen, aber nicht Ihnen!

Die Katharine ist doch abgefunden! Das dummie, freche Geschöpf behauptet, daß Sie oder ich na, Geld erhält die

Welt.

Auf Wiedersehen!

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Werner von Schmetterwitz.

( Telegramm.)

Kommen zweifelhaft. Linke obstruiert. Lex Heinze in Gefahr. Wir weichen nicht von der Stelle. Bis Sonnabend wird die Ge­sellschaft mürbe sein. Hoch die Sittlichkeit. Ich komme Sonnabend. Schmer.

( Rohrpostbrief.)

Geliebte Toni!

Es geht beim besten Willen nicht. Meine Parteigenossen lassen mich nicht fort. Die Linke ist frech geworden. Sie macht das Haus beschlußunfähig, läßt immer namentlich abstimmen und stellt die wüsteſten Anträge. Wenn wir jetzt den starken Mann hätten!

Aber von dieser dummen Politik verstehst Du erfreulicherweise nichts. Jedenfalls muß ich hier bleiben. Sonst trage ich die Mit: schuld, wenn die Unsittlichkeit immer tiefer in das Volk sich ein frißt.

Hente bekam ich einen netten Schreck. Meine Frau, die für innere Mission schwärmt, wollte nach Berlin kommen, um den Ver­handlungen beizuwohnen. Zum Glück gebrauchte der Kollege Schrempf so unanständige Worte, daß meine Gattin es mit der Würde unfres uralten Hanses nicht mehr vereinbar hält, als Dame vom Stande die Tribüne zu schmücken. Sie könnte auch Schaden an ihrer Seele leiden.

Geduld! Geduld! Auch Sonnabend geht ein 2- Bug. Erst die Pflicht, aber nur noch 24 Stunden! In Eile

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( Telegramım.)

Dein Egon.

Bestellen Sie den Wagen erst Sonnabend zur Bahn.

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( Telegramm.)

Schmetterwig.

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( Telegramm.)

( Aufgegeben Bahnhof Friedrichstraße .) Edelrein Wiesenau.

Können gänzlich unnötig. Rest der Berhandlung geheim.

Diese Dokumente aus der Zeit, da der deutsche Reichstag sich selbst entdeckte, sammelte auf den Schlachtfeld der Obstruktion Joe

Siegfried Wagners ,, Bärenhänker

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Als Richard Wagner sein Leben abgeschlossen hatte, war kein Zweifel, daß die rein reproduzierende Fortseßung seines Lebenswerks auf dem historischen Bayreuther Boden und unter Leitung seiner Ge treuen für lange gesichert sei. Eine produzierende Fortsetzung seines Lebenswerks war vorläufig fein öffentliches Problem; immer noch galt es ja, die mur erst zum fleinsten Teil errungene Anerkennung dieser nenen Welt weiter und weiter durchzusetzen. Vereinzelte Versuche, wagnerisch und fiberwagnerisch zu komponieren, die lebereinander­thürmung der Dissonanzen usw. noch höher zu potenzieren, also ein neues Epigonentum zu schaffen, fonnten natürlich den Geist Wagners am wenigsten fortsetzen. Manche selbständigen, seine Errungenschaften mir eben als Voraussetzung benüßenden Leistungen der jüngsten Zeit, wie die musikalisch dramatischen Schöpfungen eines d'Albert und eines Pfigner, ringen sich erst allmählich empor. Daß aus Bayreuth felber eine zweite Nummer kommen, daß eine Wagner Familie wie eine Familie der Bache oder der Strauße, oder gar eine Art Wagner- Dynastie entstehen könnte, wozu ja der Boden vorbereitet war, dazu that glücklicherweise niemand etwas Willkürliches. Richard Wagner sah von jedem Kronprinzentim seines Sohnes Siegfried völlig ab und freute sich nur eben seiner guten Anlage, die den Jungen( geb. 1869) zunächst zum Studium der Baukunft führte. So war alles ausgeschlossen, was Erbamt, Züchtung oder dergl. mehr wäre. Nun fiel es aber, jahrelang nach Wagner's Tod, dem Sohn ein, das zu thun, was so viele junge Leute am anscheinenden Ende ihrer Entwicklung thun und zwar häufig mit tiefem und schnellem Erfolge thun sattelte um" und überraschte seinen Kreis mit seiner spontanen neuen Berufswahl des Musikers. So war bereits die Sicherheit da, daß keinerlei äußerliches Interesse und kein andrer Drud als ein. innerer Drang waltete. Zunächst freilich war das Nächste gar zu nahe: Siegfried beteiligte sich an der Pflege des Bayreuther Werks und dirigierte neben andern seines Vaters Werke. Eine sinfonische Dichtung von ihm, Sehnsucht"( 1895), ist anscheinend nirgends Konzertmaterial geworden.

"

-

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Da ridte aber vor zwei Jahren der junge Wagende mit einer vollen Opernkomposition heraus, einem selbstgedichteten Bärenhäuter ", dessen Titel nichts weiter hinzugefügt ist als" In drei Atten von Siegfried Wagner ". War der alte Wagende mit seinen Werken zumeist in die germanische Sagenwelt und nur mit den Meistersingern in die ältere deutsche Bürgerwelt zurückgegangen, so versuchte es der junge zwar ebenfalls mit dem idealen leberweltglanz des fernliegenden Phantasietreibens, indem er au einem deutschen Märchen griff, zu einer der vielen Geschichten von Teufelsmacht und Menschenkraft, brachte uns aber das Ferne näher schon durch Einkleidung in die Kriegswelt des dreißigjährigen Kriegs und in die Lokalwelt der Bayreuther Lande. Richard Wagners Jocal des naiven, naturtreuen, fräftigen Germanenjünglings findet sich hier wieder in der Figur des Soldaten Hans Kraft, eben des Bärenhäuters". Er fehrt in sein Dorf zurück, einsam und vergessen. An seinem Unmut padt ihn der Teufel; er friegt ihn bald herum und paktiert ihn zur Hölle. Dort muß unser Bären­Häuter den armen Seelen einheizen. Bald aber naht ein geheimnis­voller Fremder, so ein Mittelstück zwischen Wotan- Wanderer und Christengott, und gewinnt ihm im Würfelspiel jene Seelen ab. Nun geht's ihm aber schlecht; der Teufel straft ihn und läßt ihn, rußbeschmutzt, zu hilfloser Wanderung hinauswerfen, giebt ihm jedoch einen Baubersack mit und das Versprechen der Erlösung, falls er trog seines bärenhäutigen Aussehens eine treuliebende Maid findet. Mit Melancholie und doch wieder mit Vernunft und Humor schlägt sich nun der Arme durch die Köpfe der Bauern und Bürger durch, vor I. Abgerissener Bettel mit Bleistiftnotizen: Meine Herren... die ihn sein Weg führt; eine Thräne, die ihm herabrollt, stimmt die Schutz der deutschen Frau... Sittlichkeit der Mädchen... Be- Bürgermeisterstochter Luise weich ..Be Bürgermeisterstochter Luise weich das alte Bayreuther Mitleid­wahren vor Verführung der Arbeitgeber... Trotzdem mit schwerem Motiv-, und nun beginnt die Probe einer dreijährigen Trene. Schließlich Herzen darauf verzichten...

Linke erfindet immer nene Teufeleien. Heute unterhörte Geheimfizung. Socialdemokraten reden endlos. Lauter namentliche Abstimmungen. Sämtliche Schriftführer bereits heiser, weil immer fort Namen verlesen müssen. Hundert neue Anträge vorbereitet. Sieg oder Tod. Ich bleibe Schmer.

( Rohrpostbrief.)

Hol der Teufel den ganzen Kram. Sonnabendabend Bahnhof Friedrichstraße . Egon.

( Ans einer Brieftasche, gefundent am Sonnabend auf dem Wege zum Stettiner Bahnhof.)

II. Zwei benutte Billets zu den Jagdsälen.

III. Bostquittung über 100 Mart. Adresse Katharina Munter. IV, Bisitenkarte: Werner von Schmetterwig.

L. d. R.

M. d. N.

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( Telegramm.)

erprobt sich unser Held, vom Teufel wieder menschlich gemacht, als fiegreicher Wender des Kriegsglücks; von Luise erst an einem Ring wieder erkannt, von den Bauern als Retter betvillkommt, wendet er alles zum Guten- leider nicht ohne die Worte Leichter Sinn lockt Teufelslist! Ihr erliegen menschlich ist", die au deu Don- Juan " Schluß Lasterglüd flieht schnell wie Rauch. Wie man lebet, stirbt man auch" erinnern, und leider nicht ohne die opernfinalige Segen, Dank, Moral- und Versammlungsscene, wie sie auch in des

"

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Wir find beschlußunfähig. Erwarte mich Sonntagmittag! alten Wagner Dramen als noch älterer Opernbühnen Nest die Bilder folgen per Eilfracht unter Deiner Adresse.

( Telegramm.)

Schmer.

Edelrein, Berlin Reichstag . Komme Sonntag nach Berlin . Will Verhandlungen trotz Schrempf Beiwohnen. Mathilde,

Schlüsse gegenüber den Expofitionen und Durchführungen herabdrückt. So weit war es für uns unvermeidlich, die historischen Ursprünge von Siegfried Wagners Schaffensart und Person zu berühren. Sft nur einmal diese Aufgabe abgethan, so wird es zur Pflicht, den uns vorgestellten Komponisten ganz als cine Erscheinung fix fich zu betrachten und ihn zu befreien von den gerade gegen seine Selbständigkeit besonders ungerechten Druck der Betrachtung eines Sohnes feines Vaters". Inzwischen ist er begreiflicherweise au