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Kriminalfall von besonders sensationellem Gepräge. Die Schuld des Straußfedern, das Allerneueste." Die alte Dame dreht den Hut Manns scheint zweifellos. Sein wüftes Lügen entbehrt des Raffine- awischen den Fingern.

ments, das sonst Werbrecher zu beweisen pflegen. Es ist das schäumende Gefällt Dir der Lonny?"

wirre Geschwätz eines Manns, der sich um jeden Preis vom Galgen Das Backfischchen rümpft leicht die Nafe: Die Federn hängen Toszulügen versucht. Auch in den Beweggründen des Mörders tritt gar nicht über die Krempe, man trägt sie doch nicht mehr hoch­feine Besonderheit hervor: ein Mensch, der reich werden will, schlägt garniert." zwei alte, sonderbare Frauen nieder, bei denen er große Schäße bermutet, die ihn für immer von aller Not befreien sollen.

Aber eine Eigentümlichkeit in dem Auftreten des Angellagten streut in das triviale Mojait der Verhandlungen charakteristische Farbentupfen. Es war zwar nur eine sprachliche Besonderheit, die Anwendung eines im mechanischen Gebrauch bis zur Ilutenntlichkeit abgeschliffenen Flidworts, aber gerade diese immerfort wiederkehrende Formel gab dem Ganzen einen Auhauch grotesken Hohns und gemütvoller Tenfelei: Bitt schön! Ich hab' nicht gemordet."" Bitt schön, ich weiß nig."" Bitt schön, der Zeuge hat die beiden Frauen maffatriert."

Odoch, gnädiges Fräulein, das ist das Neueste für den Sommer, vielleicht sehen auch das gnädige Fräulein den Hut erst einmal auf." Sa probiere ihn doch mal, Louny. Was soll das Ding denn überhaupt fosten?"

Fünfunddreißig Mart, gnädige Frau, die Federn sind ganz echt und das Stroh ist vom allerfeinsten."

Das Backfischchen hatte inzwischen den alten Winterhut auf den Tisch gelegt und drehte sich mit dem neuen tänzelnd vor dem Spiegel:" Nein, die Federn gefallen mir gar nicht. Haben Sie nicht etwas mit Blumen. Da oben steht ein hübscher Rosenhut." Das ist aber keine Rembrandt  - Façon, gnädiges Fräulein, Nem­brandt garniert man fast immer nur mit Federn.

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,, Gott  , uns liegt ja gar nichts an Rembrandt- Façon". Die alte Dame ließ sich schwer auf einen gerade leer gewordenen Stuhl fallen: Das sagt man doch überhaupt bloß so hin. Rem brandt ist viel zu alt für meine Tochter, Sie als Verkäuferin hätten das gleich wiffen müssen."

In das Geficht des jungen Mädchens schoß eine dunkle Blute welle. Ihre Augen funfelieu auf, aber sie unterdrückte das Wort, das ihr auf den Lippen schwebte. Mit einem leichten Seufzer langte sie den Rosenhut herunter, zugleich auch noch ein halbes Dutzend andre: Bielleicht gefällt den Damen hiervon etwas. Hier die englische Form ist sehr chic und jugendlich." Die alte Dame nahm den Hut: Ja, fieh mal, Louny, der ist wirklich hübsch."

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Er eignet sich prachtvoll für das gnädige Fräulein."

Die findlich demütige, befcheiden flehende Formel im Munde eines Menschen, der unter dem begründeten Verdacht steht, wehriose Frauen abgeschlachtet zu haben! Man stellt sich vor, wie er feinen Opfern, als sie sich sträubten, licbenswürdig zurief: Macht keine Ume Stand', bitt schön! zu dem humeristischen Verbrecher, wie wir ihn mehr aus Opern und Novellen kennen, der mit dem Tode spaßt, zu dem großmütigen Berbrecher der Nomantik, der die Schwachen schützt und die Starken straft, gesellt sich der höflich bittende Frevler der Gönczi- Art, der Mann von Welt, der Handlungsreisender gewesen ist und mit Frauen, denen er Schuhe ammißt, galante Scherze treibt. Und gerade dieser höfliche Frevel ist die Form, unter der jene schwersten Kulturverbrechen, die teine Ahndung durch geschriebene Geseze finden, erscheinen. Bei all den Bestialitäten, welche die Ge­sellich aft duldet und übt, erllingt das girrende Bitt schön!" Gönczis mit. Das idealistische Flitterwerk, mit dem die Barbarei ihre Schaude heuchlerisch behängt, ist nichts andres als das graufig höhnende Der Backfisch drückte den Hut in die braumen Locken und drehte Bitt schön!" des höflichen Verbrechers. Mag man von Patriotisumus fich wieder vor dem Spiegel; dann flog das zierliche Strohgeflecht reden oder von nationaler Größe, von Unternehmungsgeist oder mit Vehemenz auf die Tischplatte: Nein, der ist mir zu gewöhnlich. Weltpolitik, vom wunderthätigen Kapital, der Konkurrenzfähigkeit der Englisch   trägt jede Ladenmamjell, da kann injereins doch nicht mit Industrie und dem Schutz der Landwirtschaft, mag man be- gehen, was tostet denn hier der Rosenhut?" Haupten, für Ordnung und Sitte, für Thron und Altar zu fämpfen- inumer ist es nur das mundgängige Bitt schön" des höflichen Freblers, der die Form des feinsten Aus stands wahrt. Man unterdrückt, schändet, zerstört unendliches Leben, das mur in Gleichheit, Freiheit und vermmiftgemäßer Gliederung gedeihen kann, aber indem man so handelt, lallt man aufgeputzte Worte und ideale Phrafen: Berredt, bitt' schön! der in der Sprache der Politik: die nationale Ehre, der Schutz der heimischen Arbeit, die Sittlichkeit des Bolts, die Erhaltung der heiligen Güter fordern, daß geschehe, was den Tafeinszerstörern erspricßlich scheint.

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Es ist die Aufgabe der voran drängenden Kulturkämpfer, daß sie das Bitt schön" der Frevler entlarven und hinter der gleißenden Höflichkeit das Gemeine erkennen. Die liebenswürdige Schurkerei wird durch den Trotz der lauteren Wahrheit gebändigt, die nicht schön bittet, sondern rauh begehrt.-

030. Kleines Feuilleton.

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d. Und draußen war ce Frühling. Je weiter man sich den Fesitagen näherte, desto stärker wurde der Andrang des Publifumis. Echon am frühen Vormittag schob es sich in dichten Massen durch die weiten Räume des Großbazars. Vom ersten bis hinauf zum

Achtundzwanzig Mart, gnädiges Fräulein, es sind echt fran zösische Blumen."

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in Aber die Nofen sind so hell. Lomny." Die alte Dame ließ eine der Blumen prüfend durch die Finger gleiten. Haben Sie den Hut nicht mit dunkleren Blumen?" Bir müßten Ihnen einen andern Kranz aufgarnieren, gnädige Frau. Aber das zarte Rosa steht doch dem Fräulein Tochter reizend zu Gesicht." Die Mutter maß das Backfischchen mit einem prüfenden Blick: Ach nein, sie sind zu hell, halten Sie doch einmal einen dunkleren Kranz dagegen. " Ja, wenn die Damen einen Augenblick warten wollen." Sie drängte sich durch die Ladentische und eilte nach dem entgegen­gefezten Ende des Saales, tam aber schon im nächsten Moment mit einem großen Karton voll Blumen zurück: Hier find sehr schöne dunkelrote Rosen, gnädige Frau. Sehen Sie, wir könnten den Tuff hier lints an die Seite steden und die Nante quer durch die Spitzen legen. Wollen das gnädige Fräulein einmal sehenfo."

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Lonny trat von neuem vor den Spiegel, fchüttelte aber heftig den Kopf: Nein, er gefällt mir nicht, der nun schon ganz und gar - ich nehme doch nicht. Rosen sind steif, ich mag keine Rosen, nein den Rembrandthut!" Rembrandt   ist das allereleganteste. Backen Sie den Rembrandthut Na, das habe ich Dir ja gleich gefagt," die Mutter erhob sich, vierten Stock das Summen und Surren einer hundertköpfigen Menge, sch werde ihn gleich nach der Kaffe senden, gnädige Frau, ich ein, Fräulein!" jenes unentwirrbare Summen und Surren, von dem man nichts will bloß noch den Zettel schreiben."

Aber

versteht, nur unterbrochen von dem eintönigen Ruf: Kaffeber beeifen Sie sich, Fräulein", die alte Dame tupfte das Kaffe!" In der Abteilung für Hüte und Putartikel flanden die Geficht mit dem Spizentuch: Gott sei Dank, daß wir fertig find. Käuferinnen wie die Mauern. Kopf drängte sich an Stopf, fünfzehn, Dieser Skandal hier ist direkt zum Verrücktwerden, ich bin wieder zwanzig sprachen immer zu gleicher Zeit:

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" Fräulein, haben Sie dies Façon nicht billiger?" " Ich möchte einen englischen Hut in Silbergran!" Nein, hier ist die Krempe so breit haben Sie feinen mit schmaler Strempe?" Fräulein, geben Sie eine Tonne in Schwarz! Fräulein, aber Fräulein, hören Sie doch nur

Ja, ich warte auch schon eine halbe Shinide! Es ist gräßlich!" Fräulein! Fräulein!" ut p

Aber gleich doch, meine Dame, ich will ja mir hier erfi ferlig

bedienen."

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Louny, die sich unterdessen den Winterhut wieder aufgesetzt, nidte: Ja, und eine Luft ist hier zum Ohnmächtigtverden. Na tomm', Mama, jetzt fahren wir direkt nach dem Thiergarten und erholen mms erst mal draußen ist es Frühling. Ist der Zettel noch nicht fertig Fräulein?"

Ja wohl hier, meine Damen." Die junge Verkäuferin reichte das Blatt hinüber, dann lehnte sie sich an den Ladentisch. Thre Augen fielen zu, alle Farbe war ans ihrem Gesicht gewichen, es sah aus, als wollte sie zusammenbrechen, aber nur eine Sekunde dauerte diese Schwäche, dann raffte sie sich auf und rannte von neuem hin und her her and hin.it idade Sie schwüle. Luft. modo Und immer lauter wurde der Lärm ringsum, und immer stidiger die schwüle, Luft.

Das junge Mädchen rannte von rechts unch fints, von links nach rechts, sprang die Leiter hinauf, um aus den obersten Fächern einen Stoß Hüte herunterzulangen, niete auf der Erde, um einen andern Stoß aus den Schubladen herauszutramen, and Und draußen war es Frühling!-s iprang von neuem die Leiter hinauf. Auf ihrer Stirn stand der jo od idur sus ins Schweiß, ihre Vaden brannien wie im Fieber, manchmal griff fie nachs punish Theater.pilas dem Tisch, als brauche sie einen Halt, aber schon im nächsten Augen blick flog fie von neuem hin und her auf und ab. allFräulein, ich möchte einen Rembrandthut für meine Tochter." Darf es etwas Besseres sein, meine Dame?"

Auf den Preis fonunt es durchaus nicht an."

Schauspielhaus: Gevatter Tod" von Eberhard König. Da ich das Stück, das furchtbar philofophifch auftritt, nicht ganz verstanden habe, muß ich mich zunächst mit der Fest stellung des Thatbestands begnügen. Ein alter Waldarbeiter also macht den Tod zim Gevatter feines Sohns Hans. Der Junge ist

Dann nehmen Sie vielleicht so etwas, silbergrau mit weißencin Sonntagstind und vom Tod zu großen Dingen ausersehen. Er