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nehmen; die Beveisstücke in diesem Prozeß zu veräußern; nahezu Freisprechung, Gefängnisstrafe, wobei die Zeit, die sie den Ring zurückzuerstatten; die Gläser zu vernichten." schon gesessen, mitangerechnet werden konnte, ja sogar nur Kartinkin stand immer noch ausgereckt, die Hände mit Haft, oder Zwangsarbeit; dazwischen giebt es nichts. ausgespreizten Fingern an den Nähten, und bewegte die Wenn Sie die Worte hinzugefügt hätten:„ aber ohne Backen. Die Botschkowa schien ganz ruhig. Maslowa wurde Vorsatz, den Tod herbeizuführen," so wäre sie freigesprochen purpurrot, als sie das Urteil hörte.
" Ich bin unschuldig, unschuldig!" schrie sie plötzlich durch den ganzen Saal.„ Das ist ungerecht! Ich bin nicht schuldig! Ich hab's nicht gewollt, nicht gedacht! Ich spreche die Wahrheit, wahrhaftig!" Und sie sank auf die Bank nieder und schluchzte laut.
Als Startinkin und die Botschkowa hinausgegangen waren, stand sie noch immer auf ihrem Platz und weinte, so daß der Gendarm sie am Aermel ihres Sträflingskleids berühren mußte.am
Nein, so kann es unmöglich bleiben", sagte fich Nechljudow. Er vergaß vollständig das schlimme Gefühl in seinem Innern und eilte, feiner selbst nicht mächtig, in den Korridor, um sie noch einmal zu sehen. In der Thür drängte sich eine lebhafte Menge herauskommender Geschworner und Advokaten, die mit der Beendigung des Prozesses zufrieden waren. Dadurch wurde Nechljudow einen Augenblick an der Thür zurückgehalten. Als er aber in den Korridor hinaustrat, war die Maslowa schon fern. Mit schnellen Schritten, ohne an die Aufmerksamkeit zu denken, die er sonst auf sich verwandte, setzte er ihr nach, überholte sie und blieb stehen. Sie hatte bereits aufgehört zu weinen und flammte nur jäh auf; dann trocknete sie ihr mit roten Flecken bedecktes Geficht am Ende ihres Brusttuches ab und ging an ihm vorüber, ohne sich umzusehen. Er ließ sie vorbei und tehrte eiligst zurück, um den Vorsitzenden zu suchen; aber der Vorsitzende war schon fortgegangen, Nechljudow erreichte ihn erst im Portierzimmer.
worden."
judow.
Unverzeihlich, daß ich das versäumt habe," sagte Nechl
,, Darauf beruht die ganze Geschichte," sagte der Vorsigende lächelnd und sah nach der Uhr.
Es waren nur noch drei Viertelstunden bis zur letzten Frift, die für Klara festgesetzt war.
" Jeht wenden Sie sich, wenn Sie wollen, an einen Anwalt. Nötig ist, einen Grund zur Kassation zu finden. Den fann man immer finden. Nach der Dworjanskaja," antwortete er einem Droschkenkutscher, dreißig Kopeken, mehr bezahle ich nie."
„ Euer Excellenz, bitte sehr."
„ Meine Empfehlung. Wenn ich mit irgend etwas dienen fann: Hans Divornikow in der Divorjanskaja; leicht zu behalten." Und er verneigte sich höflich und fuhr davon.
Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Das Gespräch mit dem Vorsitzenden und die reine Luft hatten Nechljudow etwas beruhigt. Er dachte jetzt, die Empfindung, die er durchgemacht, sei infolge des unter so ungewöhnlichen Umständen verbrachten Morgens von ihm
übertrieben.
Allerdings ein wunderbarcs, erschütterndes Zusammentreffen! Man mußte unbedingt alles mögliche thun, um ihr Los zu erleichtern, und mußte das bald thun. Sofort. Ja, man mußte hier im Gericht erfahren, wo „ Herr Vorsitzender ." sagte Nechljudow, der in dem Fanarin oder Mikischin wohnte. Er entsann sich zweier beAugenblick an ihn herantrat, als jener schon den hellen kannter Advokaten. Ueberzieher anzog und den Stock mit silbernem Knopf Nechljudow kehrte in das Gericht zurück, nahm seinen aus der Hand des Portiers entgegennahm, kann ich mit Ueberzieher ab und ging nach oben. Schon im Korridor des Ihnen über den Prozeß reden, der soeben entschieden ist? ersten Stocktverts begegnete ihm Fanarin. Er hielt ihn an Ich bin Geschworner." und sagte, daß er ein Anliegen an ihn hätte. Fanarin kannte ihn von Angesicht und dem Namen nach und sagte, er würde ihm gerne in jeder Beziehung gefällig sein.
„ Aber gewiß, Fürst Nechljudow. Sehr angenehm, wir haben uns schon getroffen," sagte der Vorsitzende und drückte ihm die Hand. Er erinnerte sich mit Vergnügen, wie munter, besser als alle jungen Leute, er an jenem Abend getanzt hatte, wo er Nechljudow begegnet war. Womit kann ich Ihnen dienen?"
"
„ Es ist ein Mißverständnis bei der Antwort in Bezug auf die Maslowa passiert. Sie ist unschuldig an der Bergiftung, und dabei hat man sie zu Zwangsarbeit verurteilt", fagte Nechljudow mit angestrengt finstrem Aufsehen.
" Ich bin allerdings etwas abgespannt... aber wenn es nicht lange dauert, so erzählen Sie mir Ihre Angelegenheit; fommen Sie, hier."
Fanarin führte Nechljudow in irgend ein Zimmer, wahrscheinlich in das Arbeitszimmer irgend welches Richters. Sie fegten sich an den Tisch. „ Nun, mein Herr, um was handelt es sich?" ,, Vor allen Dingen möchte ich Sie bitten," sagte NechlDer Gerichtshof hat das Urteil auf Grund der Ant- indow, daß niemand erfährt, daß ich an dieser Sache beteiligt bin." worten gefällt, die auch von Ihnen abgegeben worden sind", erwiderte der Vorsitzende und bewegte sich zur Ausgangsthür. Allerdings sind auch dem Gerichtshof die Antworten als nicht der Sache entsprechend erschienen."
Er erinnerte sich, daß er den Geschwornen hatte auseinandersetzen wollen, daß ihre Antwort:" a schuldig", ohne Ausschluß vorsätzlichen Totschlags, vorsätzlichen Totschlag feststellte; daß das in der Eile aber von ihm vergessen
worden war.
" Ja, aber kann man denn den Fehler nicht wieder gut kann man machen?"
„ Ein Grund zur Kassation ist immer zu finden. müssen Sie sich an die Anwälte wenden," sagte der sigende und bewegte sich, den Hut etwas auf die schiebend, weiter nach dem Ausgange.
Da
VorSeite
,, Aber das ist doch schrecklich." " Sehen Sie, der Maslowa stand eins von beiden bebor," sagte der Vorsitzende, augenscheinlich im Wunsche, möglichst freundlich und höflich gegen Nechljudow zu sein; dabei strich er den Backenbart über dem Rockfragen auseinander, faßte Nechljudow leicht am Ellbogen und fuhr dann, gegen die Ausgangsthür gewandt, fort:" Sie gehen doch auch?"
" Ja," sagte Nechljudow, kleidete sich schnell an und ging mit ihm, fort.
Sie traten in die helle, heitere Sonne und mußten als bald infolge des Geraffels der Räder auf dem Pflaster lauter sprechen.
"
" Gewiß. Das versteht sich von selbst. Also..." Ich war heute Geschworner, und wir haben ein Weib zu Zwangsarbeit verurteilt, die unschuldig ist. Das quält mich."
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( Fortsetzung folgt.)
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( Nachdruck verboten.)
Hell leuchten die Gesichter der Bauern und der Fremden auf, und eine hell leuchtende Erscheinung wächst dort an der Straßenbiegung in den grünen Rahmen der oberbayrischen Landschaft hinein. Ein Wagen, von geschmückten Ochsen oder Pferden gezogen, reich beladen mit Hausgerät, geführt von dem einen oder andern lustigen Burschen, zieht langfam des Wegs daher. Freude ringsum: es ist ein Stammerwagen"; er bringt die Aussteuer der Brant in ihr fünftiges Heim. Ünd er bringt auch sie selber: hoch oben auf all den Kästen und Geräten sitzt thronend die Braut.
Wie lange noch die oberbayrische Sitte des„ Kammerwagenfahrens" fich halten wird, wer weiß es?! Sie gehört einer noch lange nicht verschwundenen, aber längst schon einschrumpfenden Welt an: der stammeseigenen Kultur jenes Landes zwischen Innthal und Harthal, das durch seine„ Haberfeldtreiben" so geheimnisvoll berühmt war, und dessen heimische Kunst wohl noch lange den Kunstfreund reizen wird, wann auch der letzte„ Tölzer Kasten" in einem Museum eingefargt sein wird.
dieser Säften isarabwärts zum Stolz des Landes gehörte. Im Einst blühte dort diese Kunst so reichlich, daß die Ausfuhr Jahr 1863 war es zum legenmal, daß eine solche Sendung durch " Sehen Sie, das ist eine eigentümliche Situation," Tölzer Flösser hinabging ins Unterland, das ihrer inmitten der fuhr der Vorsitzende mit erhöhter Stimme fort, ihr, modernen heimatlosen Industrie nicht mehr bedarf. Droben im dieser Maslowa, stand eins von beiden bevor: entweder Jjarland waren es Bauern, die in Dörfern und Märkten neben