Anterhaltungsblaff des Vorwärts
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cum Sonntag, den 13. Mai.
Auferstehung.
( Nachdruck verboten.)
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zunickend und nach den Gefangenen hinschielend, die sich entweder an die Wand drückten, in ihre Zellen gingen, oder die Hände an die Hosennaht legten und nach Soldatenart den Vorgesetzten mit den Augen verfolgend sich an den Thüren Aber die Bogoduchowskaja, eine Politische, kann ich die aufstellten, führte der Gehilfe Nechljudow durch einen Korridor sehen?" fragte Nech ljudow nach kurzem Schweigen. und geleitete ihn zu cinem andern Korridor links, der durch Gewiß, das können Sie," sagte der Inspektor. Nun, cine ciferne Thür verschlossen war. was willst Du?" wandte er sich an ein Mädchen von fünf oder sechs Jahren, das ins Zimmer getreten war. Es hielt den Kopf so, daß es kein Auge von Nechljudow ver wandte, ind schrift dabei auf den Vater zu. Sichst Du, Du fällst noch." sagte der Inspektor und lächelte darüber, wie das Mädchen nicht vor sich sah, sich in den Teppich verwickelte und auf den Vater zustolperte.
Also, wenn es geht, möchte ich hingehen." 19 adet Es geht, es geht." sagte der Inspektor und um armte das Mädchen, das fortwährend auf Nechljudow schaute. Bitte..."
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Der Inspektor stand auf, schob das Mädchen sanft bei feite und trat in das Vorzimmer.
Er hatte noch nicht seinen Paletot, den ihm das verbundene Dienstmädchen darreichte, anziehen und hinaustreten können, als wiederum die Läufe von Clementi accurat dahin rauschten. dan tuman said
„ Sie war im Konservatorium; da herrscht keine Ordnung. Aber hat viel Talent," sagte der Inspektor, ats fie die Treppe hinunterstiegen. Sie will in Konzerten auf treten."
Der Inspektor und Nechlindow kamen an das Gefängnis. Die Pforte öffnete sich sofort bei Annäherung des Inspektors. Die Aufseher legten die Hand an die Müße und begleiteten ihn mit Blicken. Vier mit zur Hälfte rasierten Köpfen ver schene Menschen, die Fässer mit irgend welchem Inhalt trugen, begegneten ihnen im Vorraum, und alle drängten sich zu sammen, als sie den Inspektor erblickten. Einer bengte sich besonders tief nieder und machte ein finsteres Gesicht, wobei feine schwarzen Augen funfelten.
Natürlich muß man das Talent ausbilden und nicht verkonimen lassen; aber in der kleinen Wohnung, sehen Sie, da geht das schlecht," führte der Inspektor die Unterhaltung fort, ohne jenen Gefangenen irgend welche Aufmerksamkeit zu schenken, und trat mit müden Schritten, die Füße nach schleppend in Begleitung Nechljudows in das Versammlungs zimmer. alt
Dieser Korridor war noch enger, dunkler und übelriechender als der erste. Auf beiden Seiten mündeten mit Schlössern verriegelte Thüren in ihn. In den Thüren befanden sich kleine Löcher, sogenannte Gucklöcher, einen halben Werschot im Durchmesser. Im Korridor war niemand außer einem alten Aufseher mit kummervollem, runzeligen Gesicht. " In welcher Zelle sitzt Menschow?" fragte der Gehilfe den Aufseher.
In der achten, links."
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Sind diese besetzt?" fragte Nechljudow.
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Alle besetzt, bis auf eine."
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sidro Fünfzigstes Kapitel.l
,, Kann ich hineinsehen?" fragte Nechljudowv.
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,, Bitte sehr," sagte der Gehilfe mit verbindlichem Lächeln und begann den Aufseher nach irgend etwas zu fragen. Nechljudom schaute in eine Deffnung hinein: drinnen ging cin großer junger Mensch mit ffeinem, schwarzen Bärtchen im bloßen Hende schnell vorwärts und zurück; als er Geräusch an der Thür hörte, sah er auf, machte ein finsteres Gesicht und feste feinen Marsch fort.
Nechljudow schaute in eine zweite Oeffnung: sein Auge begegnete cinem andern erschreckten großen Auge, das durch das Loch blickte; er wich eiligst zurück. In einer dritten Deffnung sah er ein im Bett schlafendes sehr kleines zusammen gerolltes Menschenkind, dessen Kopf mit dem Gefangenenrock bedeckt war. In der vierten Zelle saß ein blasser Mensch mit breitem Gesicht, der den Kopf gesenkt und die Ellbogen auf die Sinic gestützt hatte. Als der Mensch Schritte hörte, hob er den Kopf und schaute auf. In seinem ganzen Gesicht, namentlich in den großen Augen, lag der Ausdruck verzweifelten Gramis. Es interessierte ihn augenscheinlich nicht, zu erfahren, wer zu ihm in die Zelle schaute. Wer auch immer hineinschauen mochte, er erwartete offenbar von niemandem Gutes. Nechljudow wurde schrecklich zu Mute; ler hörte auf zu schauen und trat zu Menschows Zelle 21. Der Aufseher schloß das Schloß auf und öffnete die Thür. Ein
Wen wünschen Sie noch zu sehen?" fragte der Jujunger, langhalsiger, muskulöser Mensch mit gutmütigen, fpcftor.
Die Vogoduchowskaja."
,, Die kommt aus dem Zurm. Da müssen Sie etwas warten," wandte er sich an Nechljudow.
..Stanu ich nicht unterdessen die Gefangenen Menschows sehen? Mutter and Sohn; sind wegen Brandstiftung an geklagt."
..Belle 21? Gewiß, ich will sie rufen lassen." ,, Kann ich Menschow nicht in seiner Zelle sehen?"
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Sie haben es ruhiger im Versammlungszimmer."
,, Nein, es interessiert mich."
Finden Sie das interessant?"
In diesem Augenblick trat aus der Seitenthür der stußer hafte Offizier und Adjunkt des Inspektors.
Hier, führen Sie den Fürsten in die Zelle zu Menschow, Zelle 21," fagte der Inspektor zu seinem Gehilfen, und dann ins Bureau. Ich lasse sie rufen. Wie heißt sie noch?"
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Wjera Bogoduchowskaja," sagte Nechljudow. Der Gehilfe war ein junger blonder Offizier mit schwärztem Schnurrbart; er verbreitete den Duft von Eau de Cologne um sich.
Bitte, wandte er sich mit angenehmem Lächeln an Nech Ljudow. Interessieren Sie sich für unsre Anstalt?"
Ja, ich interessiere mich auch für jenen Menschen, wie man mir sagt, ganz unschuldig hierher geraten ist." Der Gehilfe zuckte die Achseln.
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Das kommit zuweilen vor," sagte er ruhig und ließ den Cast höflich zuerst in den breiten stinkenden Korridor eintreten. Zuweilen fügen, sie auch. Bitte schön."
Die Zellenthüren waren geöffnet, und einige Gefangene hielten sich im Korridor auf. Den Aufsehern kaum merklich
runden Augen und kleinem Bärtchen stand neben der Schlafbank, zog schnell feinen Sträflingsrock an und sah mit cr schreckten Gesichtsausdruck die Eintretenden an. Besonders überraschten Rechtjudow die guten, runden Augen, die fragend und erschreckt von ihm zu den Aufseher, dem Gehilfen uno wieder zurück liefen.
Dieser Herr will Dich über Deinen Prozeß befragen." Wir danken ergebenst."
Ja, man hat mir von Eurer Sache erzählt," sagte Nechljudow, trat in den Hintergrund der Zelle und stellte sich bei dem vergitterten, schmußigen Fenster auf, und da möchte ich sie einmal von Euch selbst hören."
Menschow trat ebenfalls zum Fenster und began als bald, anfangs schüchtern mit einem Blick auf den Inspektor, dann immer dreister und dreister zu erzählen. Als aber der Inspektor aus der Zelle hinaus auf den Korridor trat und dort irgend welche Anordnungen erteilte, wurde er vollends fühn. Seine Erzählung war der Sprache und den Manieren nach die Erzählung eines einfachen, guten Bauernburschen, und für Nechljudow war es besonders seltsam, diese Er zählung aus dem Munde eines Arrestanten in schimpflicher Kleidung im Gefängnis zu hören. Nechijndow hörte zu und fah gleichzeitig die niedrige Schlafbaut mit Strohmatratze, und das Fenster mit dickem Eisengitter, und die schnukigen, feucht gewordenen, schmierigen Wände, und das jämmer liche Gesicht und die Gestalt des unglücklichen entstellten Bauernburschen in Lederschuhen und Gefängniskleidung, und ihm wurde imuter trauriger und trauriger zu Mute, er wünschte nicht zu glauben, daß die Erzählung dieses gutmütigen Menschen wahr fei; so schrecklich war der Gedanke, daß jemand einen andern Menschen mir dafür, daß man ihn