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Der Juspektor fette sich an den Schreibtisch und bot Nechljudow einen Stuhl an, der ebendort stand. Nechljudow setzte sich und begann die Leute zu betrachten, die im Zimmer
waren.
Vor allem erregte seine Aufmerksamkeit ein junger Mensch im furzen Jackett mit angenehmem Gesicht, der vor einem Gefangenen in Sträflingskleidung und einem neben ihm sizenden Mädchen stand und ihnen eifrig mit Handbewegungen eftvas erzählte. Daneben faß ein alter Mann mit einer blauen Brille und hörte unbeweglich zu, wobei er ein junges Weib in Arrestantenkleidung an der Hand hielt, die ihm etwas er zählte. Ein Knabe, Realschüler, mit ſtarrem, erschrecktem Gesichtsausdruck schaute den Alten an, ohne ein Auge von ihm zu verwenden. Unweit von ihnen, in einer Ecke, saß ein Licbespaar. sie war ein furzgeschorenes, blondes und liebliches, ganz junges Mädchen mit energischem Geficht in modernem
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Wessen Knabe ist das?" fragte Nechljudow setzt den Inspektor.
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„ Einer politischen Gefangenen; er ist im Gefängnis geboren," sagte der Inspektor in vergnügtem Tone, als freute er sich, eine Seltenheit seiner Anstalt zeigen zu können. Wirklich"
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awohl, und zieht jetzt mit seiner Mutter nach Sibirien ." Aber jenes Mädchen?"
" Ich kann Ihnen nicht antworten," fagte der Inspektor achfelzuckend. Da ist die Bogoduchowskaja."
( Fortsetzung folgt.)
Die Strindberg- Matince. ( Residenz Theater.)
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Theater zu sehen. Vielleicht ist das eine rein menschliche Schwäche, die sich aus jenen Tagen herschreibt, in denen Halbes Jugend unter seiner Direltion gespielt wurde. Wir wünschen, daß ihm diese Sein Theater fleine Schwäche recht lange erhalten bleiben möge. und feine flott eingespielten Schauspieler eiguen sich vorzüglich zu bestimmten litterarischen Experimenten. Daß nebenber die Presse ausführliche Berichte bringt, braucht ihn nicht abzuschrecken und wird ihn vermutlich auch nicht abschrecken.
Kleide wolligem Haar im Arrestantenrock. Kleide; er ein hübscher Jüngling mit feinen Gesichts- Ich weiß nicht, ob Herr Lautenburg mitimter litterarischen Ehr: zügen und Sie faßen in geiz hat, jedenfalls aber hat er- freilich in langen Zwischenräumen der Ecke und flüsterten, augenscheinlich vor Liebe verden Wunsch, ein litterarisches Publikmin in seinem reizend intimen gehend. Am allernächsten Tisch aber saß ein graues Weib im schwarzen Kleide, offenbar eine Mutter. Sie schaute un berwandt auf einen schwindsüchtig aussehenden jungen Mann in Guttaperchajacke und wollte etwas fagen, konnte aber vor Thränen nichts herausbringen; sie fing an und hörte wieder auf. Der junge Mann hielt ein Blatt Papier in der Hand, wußte offenbar nicht, was er thun sollte. nickte es ein und zerknitterte es. Neben ihnen faß ein volles, Die drei Einafter von Strindberg, die Sonntag gegeben wurden, rotes hübsches Mädchen mit sehr vorstehenden Augen fügen dem Bild des Dichters feinen neuen Zug hinzu und zeigen im grauen Kleid und mit einer Pelerine. Sie faß auch nicht die bekannten Züge in nener Beleuchtung. Wer von neben der weinenden Mutter und streichelte ihr zärtlich Strindberg nur diese drei Einakter kennt, wird seinen Ruhun schwer. die Schulter. Alles war hübsch an diesem Mädchen; ihre lich begreifen, und auch wer mehr fennt, wer meinetwegen Strindberg großen weißen Hände, und ihr welliges geschorenes Haar und ihre starte Nase und die Lippen; aber den Hauptreiz ihres skandinavische Wind, der eine Zeitlang erfrischend über Gefichts bildeten die kastanienbraunen, runden. guten. auf Deutschland fuhr, hat ihn hergeweht. Eine gewisse Paradoxie der richtigen Augen. Ihre hübschen Augen wandten sich von dem Lebensbetrachtung verblüffte und prägte sich ein. Seine clung Gesicht der Mutter in dem Augenblic ab, als Nechljudow zum Weib beispielsweise war feineswegs nen, nicht theoretisch und eintrat, und begegnete seinem Blick. Aber sie sah sofort zur auch nicht einmal litterarisch. Er betonte sie aber so scharf. iprad) Seite und begann der Mutter etwas zu sagen. Unweit von sie so ridjidslos aus und legte ihr daiz er einen Erfolg davontrug dem Liebespaar saß ein schwarzer, rauhaariger Mensch mit eminente Bedeutung bei, daß er finsterem Geficht; er sprach ärgerlich mit einem bartlosen Man kann auch durch Nebensachen berühmt werden Besucher, der einem Stopzen glich. An der Thür selbst stand man nur die prophetische Zugend hat, die Welt von buen abhängig zu machen Schließlich kommt noch hinzu, daß es sich um ein junger Mensch in Guttaperchajacke, der offenbar mehr mit das Geschlechtsleben handelte, für das ja auch die Menschen dem Eindruck beschäftigt war, den er auf die Zuschauer intereffe haben, die sonst kaum irgendwie mit dem Leben zusammen. machte, als mit den Worten, die er sprach. hängen.
Nechljudow fegte sich neben den Inspektor und schaute mit gespannter Neugierde um sich. Ein kleiner furzgeschorener Knabe erheiterte ihn. Derselbe trat zu ihm und richtete mit feinem zarten Stimmchen die Frage an Nechljudow:
„ Auf wen warten Sie denn?"
Nechljudow wunderte sich über die Frage, aber nach einem Blick auf den Knaben und sein ernsthaftes, verständiges Geficht mit aufmerksamen, lebhaften Augen, erwiderte er ihm ernst, er warte auf eine Bekannte.
"
Aber
Was ist sie, Ihre Schwester?" fragte der Knabe. Nein, das nicht", erwiderte Nechljudem erstaunt. mit wem bist Du hier?" fragte er den Knaben. Mit meiner Mama. Sie ist eine politische Gefangene". fagte der Knabe stolz.
"
Maria Pawlowna , nehmen Sie den Kolja meg!" fagte der Inspektor, da er wahrscheinlich die Unterhaltung Rechljudowe mit dem Knaben ungefeßlich fand.
Maria Pawlowna , dasselbe hübsche Wesen, welches Nechljudows Aufmerksamkeit erregt, erhob sich mit ihrem ganzen hohen Wuchse und trat mit fräftigen, weiten, fast männlichen Schritten zu Nechljudow und dem Knaben.
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neben andren Faktoren gur Ueber Da er aber in der That schätzung Strindbergs geführt. wir uns weiter nicht zu grämen. origineller Geist ist( oder wenigstens war) branchen Es ist immer noch besser, daß die fremden Autoren b. uns überschätzt werden, als daß man sie garnicht schäzt. National Beschränktheit hat gerade m der Kunst den fatalften Beigefchmad. Wenn so ein Biedermann jich an die Brust schlägt, in der fein deutsches C.müt, fein trenes Herz und die übrigen Maritäten figen, fühlt man immer eine unstillbare Sehnsucht nach einem D.Bug- Billet, oder nach Menschen, die in nationaler Beziehung weniger tugendhaft find. An sich ist ja die Tugend eine sehr schöne Sache, aber man kaun sie mißbrauchen. wie die lex Heinze zeigt.
Die drei Einafter, die im Residenz Theater gespielt wurden, haben alle einen gemeinsamen Bug. Man föunte jagen: Strindberg demaskiert. Das Leben hat ja einige Aehnlichkeit mit einer Masferade, mur, daß es im allgemeinen nicht ganz so luftig ist. Dafür ist es aber feiner, unendlich viel feiner und dauert ja auch etwas tänger. um feinen Vorzug zu vergessen. leberdies jind die Masten intereffanter, als im Ballfaal und haben daneben die eigentümliche Eigenschaft, sich für wirkliche Menschen zu halten. Der Clown des Ballfaals ist nicht halb se spaßhaft, wie mancher Mär threr des Lebens. Da schleicht so einer durch den Tag und dellamiert stockernst gegen die Rüdsichtslosigkeit, weil es ihm im ente " Was fragt er Sie, wer Sie find?" fragte sie mit leichtem icheidenden Augenblid feines Lebens nicht gelang. einen rüdsichts Lächeln ihrer schön geschwungenen Lippen und einem zuverleien Menschen rücksichtslos zu bändigen. sichtlichen Blick ihrer vorstehenden, guten Augen so einfach, als ob gar kein Zweifel darüber herrschen könnte, daß fichilofophie ohne Genie einen hatte, und ein Dritter bat fidh eine einfachem, freundlichem, brüderlichem Verkehr mit allen Menschen stände und stehen müßte. Er muß alles wissen," sagte sie und lachte dem Knaben mit einem so guten lieben Lächeln ins Gesicht, daß der Stnabe wie auch Nechljudow, beide bei ihrem Lächeln unwillkürlich mitlächelten.
den
weil er
Ein andrer verachtet
zurecht gemacht, weil ihm so die magere Kost am besten mundet Wer nun Sinn für Humor bat, braucht feinen Quftspieldichter. Das Leben hat auch der besten Bühne einen Verzug voraus es wird besser gespielt; es wird so fein gespielt, daß eigentlich von einem Spiel gar feine Rede mehr sein kann. Die Phantasievollsten sterben jogar für ihre Juuston. Humor hat nun Strindberg eigentlich nicht. wenigstens bier nicht. " Ja, er hat mich gefragt, zu wem ich will." Ex fagt nicht ja" und lacht, er lagt aber auch mich nein Wie der Humor, fehlt auch der Ingrimm fehlt die Maria Pawlowna , Sie dürfen nicht mit fremden und flucht. Berfonen sprechen. Das wissen Sie doch," fagte der In Strindberg läßt den Menschen die Maste nicht, obfchon fie doch so temperamentvolle Kriegserklärung, fehlt der bagerfüllte Racheichwur. spettor. hübsch ist, viel hübscher, als das wirkliche Gesicht. Er zeigt Gut, gut," sagte sie, nahm den Kolja, der kein Auge sie ihnen aber auch nicht herunter, löst sie sozusagen von ihr verwandte, mit ihrer großen weißen Hand an seinem höflich und zeigt dann mit der Ruhe des Naturforschers Händchen und kehrte zur Mutter des Schwindsüchtigen zurück. den wahren Sachverhalt. Er moralisiert nicht, weint nicht, lacht
"
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