-

418

-

Nun, was höre ich da von Dir! Die reinen Wunder dinge," sagte die Gräfin Jekaterina Iwanowna zu ihm, als fie ihm gleich nach seiner Ankunft Kaffee, vorfekte. Unter stützt Verbrecher. Fährst ins, Gefängnis. Willst die Leute bessern."

Zante gute Sonnegionen und konnte ihm im höchsten Grade Die Gräfin Jekaterina Jivanowna war, wie sonderbar bei all den Angelegenheiten, um die er sich bemühen wollte, das auch klingen mag, und wie wenig es ihrem Charakter nüglich sein. entsprechen mochte, eine glühende Anhängerin der Lehre, nach welcher das Wesen des Christentums im Glauben an die Er­lösung besteht. Sie fuhr zu den Versammlungen, in denen diese damals moderne Lehre verkündet wurde, und ver­fammelte gläubige Herzen bei sich. Trotzdem diese Lehre nicht nur alle Ceremonien und Heiligenbilder, sondern auch die Sakramente verwarf, hatte die Gräfin Jekaterina Iwanowna in allen Zimmern und selbst über ihrem Bette Heiligenbilder hängen und führte alles aus, was die Kirche von ihr verlangte, ohne irgend einen Widerspruch darin zu erblicken.

Nein, ich denke gar nicht daran."

Nun, das ist gut. Doch soll da eine romantische Ge­schichte im Gange sein. Also erzähle."

Nechljudow erzählte seine Beziehungen zur Maslowa alles, wie es war.

-

" Ich weiß, ich weiß, die arme Helene hat mir damals etwas erzählt, als Du bei den Zanten wohntest; sie wollten Dich, scheint's, mit ihrer Ziehtochter verheiraten.( Die Gräfin Jekaterina Jwanowna hatte Nechljudows Tanten väterlicher seits immer verachtet.)... Also das ist sie? Ist sie noch hübsch?"

Die Tante Jekaterina Jwanowna war eine fechzigjährige, gefunde, fröhliche, energische, redselige Dame. Sie war hoch gewachsen und sehr stark; auf ihrer Lippe war ein schwarzer Schnurrbart bemerkbar. Nechljudow hatte sie gern und war bon flein auf gewohnt, sich von ihrer Energie und Fröhlich keit anstecken zu lassen.

Nein, liebe Tante, das ist alles zu Ende. Ich möchte ihr nur helfen, weil sie unschuldig verurteilt ist, und ich schuld daran und an ihrem ganzen Schicksal bin. Ich fühle mich ver­pflichtet, für sie zu thun, was ich kann

Aber wie hat man mir denn gesagt, daß Du sie heiraten willst?"

Das wollte ich auch, aber sie will nicht." Jekaterina Iwanowna schob die Stirn vor, fenkte die Pupillen und schaute dann ihren Neffen erstaunt und fragend an. Plötzlich veränderte sich ihr Gesicht, und Zufriedenheit tam in ihm zum Vorschein.

Nun, sie ist verständiger als Du. Ach, was bist Du für ein Narr! Hättest Du sie wirklich geheiratet?" Sicherlich."

Nach dem, was sie war?"

"

Um so mehr. Ich bin ja doch an allem schuld." Nein, Du schwärzst Dich einfach an," sagte die Tante, ein Lächeln verbeißend. Schwärzst Dich schrecklich an, aber ich habe Dich grade deswegen lieb, weil Du Dich so schreck lich anschwärzt," wiederholte sie augenscheinlich mit besondrer Vorliebe dieses Wort, das in ihren Augen den intellek tuellen und moralischen Zustand ihres Neffen besonders treffend wiedergab." Du weißt, wie gelegen das kommt," fuhr sie fort. Aline hat ein wunderbares Magdalenenheim. Ich war einmal dort. Sie sind mir äußerst widerwärtig. Habe mich nachher vollständig gewaschen. Aber Aline ist mit Leib und Seele dabei. Also geben wir die Deinige hin. Wenn jemand sie bessert, so thut es Aline."

,, Sie ist aber zu Zwangsarbeit verurteilt. Ich bin des­wegen hergekommen, um für Aufhebung des Urteils zu sorgen. Das ist mein erstes Anliegen an Dich."

"

Sieh mal an; wo ruht denn die Entscheidung über ihren Prozeß?"

Beim Senat."

-

--

"

Den müßte Deine Magdalena hören; sie würde sofort bekehrt werden," sagte die Gräfin, Sei bestimmt heute abend zu Hause, dann hörst Du ihn. Er ist ein wunderbarer Mensch."

Er interessiert mich nicht, liebe Tante."

H

" Ich sage Dir aber, er interessiert Dich. Komm auf jeden Fall. Nun, sprich weiter, was hast Du noch von mir nötig? Schütt Dein Herz aus."

" 1

Da ist noch die Angelegenheit in der Festung

" In der Festung? Da fann ich Dir ein Schreiben an Baron Kriegsmut mitgeben. Ein sehr guter Mann. Aber Du kennst ihn ja selbst. Er war ein Kollege Deines Vaters. Macht in Spiritismus. Nun, das thut nichts. Er ist gut. Was willst Du denn da?"

" Ich will darum bitten, daß man einer Mutter erlaubt, ihren Sohn zu besuchen, der dort sitt. Aber man sagte mir, das hinge nicht von Kriegsmut, sondern von Tschernajeff ab." Tschernajeff mag ich nicht, aber er ist Mariettas Mann. Ich kann sie bitten. Sie thut es mir zu Gefallen. Sie ist sehr liebenswürdig."

"

" Ich muß noch wegen eines Mädchens bitten. Sie fitt schon einige Monate, und niemand weiß, weshalb."

Nun, sie selbst wird es schon wissen. Die wissen Bescheid. Diefen Kurzgeschorenen geschieht ganz recht."

Ich weiß nicht, ob ihnen recht geschieht oder nicht. Aber fie leiden. Du bist eine Chriftin und glaubst an das Evange­lium, aber solche Unbarmherzigkeit..."

,, Einerlei, das macht nichts. Evangelium bleibt Evange lium, und was einem widerwärtig ist, bleibt widerwärtig. Schlimmer wäre, wenn ich mich stellte, als liebte ich Nihilisten und namentlich furzgeschorene Nihilistinen, die ich nicht aus­stehen kann." Weshalb fannst Du sie nicht ausstehen?"

März

"

"

"

Nach dem ersten März fragst Du noch, weshalb?" Sie haben doch nicht alle an den Vorfällen am ersten teilgenommen."

( Fortsetzung folgt.)

Dom goldenen Horn. ( Schluß.)

In Pera fieht man außer den Vertretern der verschiedenen Invasionen, unter denen die Deutschen an Zahl und Einfluß oben an stehen, vor allen Dingen auch die schwarzen Kämpfer des Vatikan . Man tann buchstäblich hier keine zehn Schritt gehen, ohne auf einen Träger der Kutte oder Soutane zu stoßen.

Beim Senat? Mein lieber Kousin Lewuschka ist ja beim Wie die modernen Konquistadoren nach Gold und Bente gierig Senat. Uebrigens ist er im Heroldsdepartement. Von den find, so gehen die Patres auf den Seelenfang aus. Der Aber­gegenwärtigen Mitgliedern kenne ich keins, Sind alles Gott glauben und die Bigotterie der Levantiner tommt ihnen dabei zu statten. Wie mit givingburgen ist dieses von Unfittlichkeit bis zum weiß für Leute- entweder Dentsche: Ge, Fe, De das Rande gefüllte Bera von Klöstern und Kirchen umgeben und durch­ganze Alphabet, oder verschiedene Iwanows, Semjonows, fezt. Die levantinische Bourgeoisie ist in unglaublicher Weise dumm Nikitins, oder zur Abwechslung einmal Swanenko, und beschränkt. Ungebildet, nur mit dem leichten Firniß miß­Simanenko, Nikitenko und Leute aus einer andern Welt. verstandener entstellter französischer Kultur überzogen, Nun, ich will es trotzdem meinem Manne sagen. Er fennt ist sie von einem wahnsinnigen Geldstola erfüllt, der fie empörender Verachtung behandeln sie. Er kennt alle Leute. Ich will es ihm sagen. Aber Du die befizloſe Klasse mit mußt ihm die Geschichte explizieren, sonst versteht er mich Gesellschaft. Sie haftet nicht im Boden, sie hat keine Muttersprache, läßt. Sein Hauch modernen Lebens tommt in diese verrottete nicht. Was ich ihm auch sagen mag, er sagt stets, fein Boltstum; sie ist so farblos, daß fie eine rechte Beute für das er versteht nichts. Das ist nun einmal so. Alle Welt versteht Pfaffentum bildet, das seinen Vorteil nach Kräften wahrnimmt und mich, nur er nicht." seinen Grundbefit stetig erweitert. Neben der von der Geistlichkeit beherrschten Bourgeoisie existiert ein großes Lumpenproletariat. Ein ganzes Heer von Bettlern zieht alltäglich durch die Gassen, oder steht an den Kirchenthüren. Ueberall wird man um Almosen an­gesprochen, Krüppel stellen ihre Gebrechen zu Schau, alte Bettlerinnen figen mit geliehenen Säuglingen am Wege, junge Bettlerinnen bieten der den Verlust seiner Augen in oft erschütternden Tönen beklagt. ihre Reize an auf der Gaffe flingt das griechische Lied des Blinden , Das Herz trampft sich zusammen über die Menge des zur Schau gestellten Elends, das den ärgsten Optimisten aus seinem Traum von der besten der Welten aufrütteln muß.

In diesem Augenblick brachte ein Lakai in Kniehosen einen Brief auf einem silbernen Theebrett.

Der kommt grade von Aline. Da wirst Du auch von Riesetvetter hören."

Wer ist Kiesewetter?"

er

" Riesewetter? Er tommt heute. Da wirst Du fahren, wer er ist. Er spricht derart, daß die ein­gefleischtesten Verbrecher in die Knie sinken und weinen und Buße thun."

-