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Sträfling, sah ihn an, blickte dann auf Nechljudow und lachte dumpfer und äußerlicher Bilderdienst hat sich entwickelt. Zahlreiche Iaut. Das war ein Irrsinniger, der im Empfangszimmer Buddhistenklöster bedecken das Land, deren Mönche fich aber sogar bei untergebracht war. Sie wollen mich bange machen," sagte den Buddhaverehrern wegen des Cölibats, des Bettelunwesens und der er. Aber das soll ihnen nicht gelingen." Unwissenheit einer nur äußerst geringen Achtung erfreuen. Familienlose" oder derber„ kahlköpfige Ejel“ nennt sie der chinesische Volksmund. Zu dem Buddhismus gehören dem Namen nach ansehnliche Teile der niederen Bevölkerungsklassen.
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Hinter den Polizisten, die den Toten gebracht, traten der Reviervorstand und ein Feldscher ein.
Der Feldscher trat zum Toten, berührte die gelbliche, mit Sommersprossen bedeckte, noch bewegliche, aber schon totenblasse Hand des Sträflings, hielt sie hoch und ließ sie dann los. Sie fiel leblos auf den Leib der Leiche.
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Fertig," sagte der Feldscher, den Kopf schüttelnd. Offenbar der Ordnung halber öffnete er aber noch das feuchte, grobe Hemd des Toten, strich sein eignes frauses Haar bom Ohr zurück und legte das Ohr an die gelbliche, unbewegliche, hohe Bruft des Sträflings. Alles schwieg. Der Feldscher richtete sich auf, schüttelte noch einmal den Kopf und berührte mit dem Finger erst das eine, dann das andre Lid über den offenen, stehengebliebenen blauen Augen.
Bange machen gilt nicht, bange machen gilt nicht!" sagte der Verrückte, der die ganze Zeit über nach dem Feldscher gespuckt hatte.
Nun, wie ist's?" fragte der Reviervorstand. " Ja, wie iff's?" wiederholte der Feldscher .„ Er muß in die Totenkammer."
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" Sehen Sie zu, ob es so stimmt", sagte der Vorstand. „ Weiß Bescheid", fagte der Feldscher und bedeckte aus irgend einem Grunde die offene Brust des Toten. Aber ich will nach Matwej Jwanytsch schicken, der mag nachsehen! Betrow, geh hinunter!" sagte der Feldscher und trat von der Leiche fort.
Bringt ihn in die Totenkammer," sagte der Rebierborstand. Du aber kommt ins Bureau und laß es Dir bescheinigen," fügte er für den Eskortesoldaten hinzu, der die ganze Zeit über nicht von dem Sträfling gewichen war.
Zu Befehl!" antwortete der Eskortesoldat. Die Polizisten hoben den Toten auf und trugen ihn wieder die Treppe hinunter. Nechljudow wollte ihnen nach gehen, aber der Verrückte hielt ihn fest.
" Sie sind nicht mit in dem Komplott? Da geben Sie mir eine Cigarette!" sagte er.
Nechljudow holte seine Cigarettentasche heraus und gab ihm eine Cigarette. Der Verrückte bewegte die Brauen und begann, sehr schnell sprechend, zu erzählen, wie man ihn durch Einflüsterungen quäle. Sie sind alle gegen mich und peinigen und martern mich durch ihre Medien..."
" Entschuldigen Sie mich," sagte Nechljudow und ging, ohne ihn zu Ende zu hören, auf den Hof, da er erfahren wollte, wohin der Lote gebracht würde.
Die Polizisten hatten mit ihrer Bürde schon den ganzen Hof überschritten und stiegen eine Kellertreppe hinab. Nechljudow wollte ihnen folgen, aber der Reviervorstand hielt ihn zurück.
Was wünschen Sie?"
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Nichts," erwiderte Nechljudow.
Nichts? dann gehen Sie fort."
Nechljudow gehorchte und ging zu seinem Kutscher. Der Kutscher schlief. Nechljudow weckte ihn auf und fuhr wieder zum Bahnhof.
( Fortsetzung folgt.)
( Nachdruck verboten.)
Aus diesen drei Religionssystemen hat nun die eigentliche Voltsreligion, wie sie fich in dem Fühlen und Denken der großen Masse verkörpert, diese und jene Lehren und Vorstellungen entlehnt und sie mit den uralten, selbständigen Ueberlieferungen verbunden, die in dem Glauben an eine zahllose Geisterwelt im Himmel und auf bruck finden. In diesen beiden Elementen des Voltsglaubens Erden und einem peinlich gewissenhaften Ahnentultus ihren Aus= liegen die Wurzeln der fremdenfeindlichen Erbitterung versteckt. Der Mann aus dem Volt ist an fich durchaus nicht intolerant. Im Gegenteil, er kennt im Grunde teine scharfen Gegensätze zwischen den drei erwähnten Religionssystemen, auch wenn er einem von ihnen äußerlich angehört, und es ist nichts Seltenes, daß ein Sänftenträger, ein Bootsführer oder ein Bauer auf die Frage nach seiner Religion antwortet, er fei„ Tichu To Hut", mit anderen Worten, er fei Konfutsianer, Taoist und Buddhist in einer Person! Die Feinbeiten und Spitfindigkeiten der drei von einander abweichenden Religionssysteme machen dem gemeinen Mann nicht den geringsten Kummer, er nimmt sie als staatlich anerkannte Einrichtungen hin und bekennt sich, um sicher zu gehen, zu allen dreien. Ebenso find ihm die Grundlehren des Christenthums nicht anstößig. Wie oft hört man einen Chinesen sagen:„ Wir haben nichts gegen Euren Jesus Christus . Er ist der erste abendländische Weise. Jedes Land hat seine weisen Männer. Macht ein Bild von ihm und stellt es neben unsre Göfter, dann wollen wir uns auch vor ihm verneigen. Er war gewiß fehr gut."
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„ Alle
Die große Maffe der chinesischen Bevölkerung ist friedliebend, ruhig und höflich, aber sie ist auch selbstgefällig und durchdrungen von ihrer inneren Vortrefflichkeit. Unwahrheit, Diebstahl, Betrug sind nach ihrer religiösen Auffassung nur Schwächen und Fehler, keine verwerflichen Vergehen. Das Herz ist, diesen Lehrsatz hat man dem Konfutsianismus entnommen, trotz alledem gut. Menschen", urteilt Mentse, der Ausgestalter des Konfutsianismus, haben von Natur mitleidige Herzen; alle haben Herzen, die sich zu erweisen, Herzen, die zwischen Recht und Unrecht unterdes Lasters schämen, Herzen, die geneigt find, andren Ehrerbietung scheiden können. Zu einem mitleidigen Herzen wohnt Wohlwollen; in einem, das sich des Lasters schämt, Rechtschaffenheit; ein ehrerbietiges und pietätvolles Herz weiß, was sich ziemt: eins, das Recht und Unrecht unterscheidet, hat Weisheit. Die Grundsätze des Wohlwollens, der Rechtschaffenheit, des Anstands und der Weisheit werden uns aber nicht von außen eingeflößt, sondern wir haben sie gewiß von uns selbst."
Diesen philosophisch gefärbten Anschauungen steht der dunkle Aberglaube gegenüber, der allseitig in der Furcht vor dem Einfluß der Geisterwelt, dem Fung- Schui, hervortritt. Nach der chinesischen Boltsreligion erfolgt zwar beim Tode die Auflösung des Menschen in einen geistigen und einen förperlichen Teil, aber die Geister der Abgeschiedenen bleiben in enger Verbindung mit den Stätten ihres irdischen Aufenthalts. Nichts ist ihnen daher verhaßter als eine Störung ihrer Grabesruhe. Die Wahl eines guten Begräbnisplatzes ist daher eine der Hauptsorgen der Hinterbliebenen eines Verstorbenen, und man läßt deshalb oft mehrere Jahre den Sarg mit der Leiche unbeerdigt stehen, bis man endlich nach den reiflichen Ueberlegungen einen Platz ausfindig gemacht hat, der allen Anforderungen entspricht. Denn ein förperloser Geist, der, von Licht und Luft abgesperrt, an einen Ort gebannt ist, wo er sich unbehaglich fühlt, wird kein Bedenken tragen, sich an seinen Nachkommen durch Zerstörung ihres Glückes und Wohlstandes zu rächen. Ebenso leicht verlegbar sind die Naturkräfte und die fie verförpernden Geister, deren schädigender Einwirkung sich zu entziehen weiterhin die größte Klugheit und Umsicht nötig macht.
Die chinesische Volksreligion. Die drei herrschenden Religionsbekenntnisse sind diejenigen des Konfutse( Confucius), des Laotse und des Buddha. Als Anhänger des Konfutse mit seinem ausgebildeten Moralsystent bekennen sich die Dynastie, die Beamtenschaft, die Litteratenklasse und überhaupt die höheren Gesellschaftsschichten. Die Sittenlehre des Konfutse und feines größeren Schülers Mentse enthalten zugleich den Bildungs- ihnen gefällt, wenn sie gradlinige Straßen und Eisenbahnen ftoff, dessen Aneignung zur Erlangung der vier akademischen Grade, des Shutschi, etwa unsres Kandidaten, des Kutsch, unsres Doktors, des Thintse, unsres Profeffors, und des Hanlin, der Bezeichnung für die Mitglieder der kaiserlichen Akademie, unerläßlich ist.
Der Hauptsitz der Anhänger des Laoise befindet sich in der Provinz Kiangfi. Sie gehören überwiegend dem Kaufmannsstande an. Laotie, ein Zeitgenosse des Konfutse, hatte ursprünglich die Vernunft, das Tao, als höchstes Wesen hingestellt, allein im Lauf der Zeit ist dieser Grundgedanke fast verwischt worden und hat einem groben Mystizismus Platz machen müssen.
Eine ähnliche Umivandlung entstellender Art haben in China auch die Lehren Buddhas erfahren. Die vier Wahrheiten" Buddhas find zu Worten ohne Juhalt geworden, und ein vielgestaltiger,
Diese gefamite Geisterwelt greift der Chinese unter der Bezeichnung Fung- Schni zusammen. Fung und Schui bedeuten Wind und Wasser, das Unsichtbare und das Unfaßbare. Lachende Ebenen, leise dahinrauschende Flüsse. spiegelglatte Teiche, wellenförmige Hügel find dem Fung- Schui willkommen, zerrissene Gebirgstänume, schroffe Felsen, zadige und lange gerade Linien beunruhigen und reizen die Geister der Verstorbenen und der Natur und lenken ihren verderblichen Unwillen auf die Häupter der Unbesonnenen. Wenn daher die unwissenden Europäer Häuser erbauen, wo es anlegen, die die Gräber der Toten durchschneiden, wenn sie zu ihren Bauten Gestein absprengen, wenn sie rücksichtslos das Innere der Erde nach Kohlen durchwühlen, so handeln sie nach der Ansicht des Chinesen wie wahnsinnige und unnennbar gefährliche Menschen. Die Errichtung von Telegraphenstangen und Fabriffchornsteinen ist ein unverzeihliches Verbrechen, das die Strö mungen der Naturkräfte beeinträchtigt, und alle diese Frevelthaten müssen unfehlbar Verderben und Unglück auf die eingeborne Be völkerung herabrufen, die derartige ungeheure Verfehlungen wider spruchslos duldet und zuläßt. Von diesem Standpunkt aus wendet sich die große Masse der chinesischen Bevölkerung gegen die Ausländer und, soweit sie als Bekenner der christlichen Lehren erscheinen, auch gegen das Christentum. Und diese Anschauungen teilen auch