Unterhaltungsblatt des Vorwärts

S. 128.

68]

Spoil of

Auferstehung.

Donnerstag, den 5. Juli.

( Nachdrud verboten.)

Roman von Leo Tolstoj  .

"

1900

Wer's nicht gelohnt ist, dem wird's natürlich schwer," sagte er. Wenn einer aber Ausdauer hat, geht's ganz gut. Wenn nur rechtes Futter da wäre. Anfangs war das Futter schlecht. Na, aber dann beklagten sich die Leute, und es wurde gut, und die Arbeit wurde einem leicht."

mit der nach oben gekehrten Handfläche sogar aufs Knie schlug. Er erzählte ihm von all seinen Angelegenheiten und von seinen Arbeiten im Torfmoor, von der sie jetzt nach zwei einhalbmonatlicher Arbeit, wofür jeder etwa zehn Rubel mit nach Hause brachte, in die Heimat reiste, da ein Theil des In diesem Augenblick erschienen hinter einem Winkel des Verdienstes beim Mietsvertrage im voraus bezahlt war. Ihre Stationsgebäudes von irgendwoher auf dem Perron ein Arbeit ging, wie er erzählte, so vor sich, daß sie bis an die Haufen Arbeiter in Bastschuhen und mit Halbpelzen und Stnie im Wasser standen, und dauerte von Sonnenaufgang bis Säcken auf dem Rücken. Die Arbeiter traten mit ent- Sonnenuntergang, mit zweistündiger Erholungspause zum schiedenen weichen Schritten zum ersten Waggon und wollten Mittagessen. in ihn hineingehen, wurden aber durch einen Schaffner sofort von ihm hinweggetrieben. Ohne sich aufzuhalten, gingen die Arbeiter hastig, einander auf die Füße tretend, weiter zum nächsten Waggon und begannen schon in ihn einzusteigen, wobei sie mit ihren Säcken an die Ecken und die Waggon­thür austießen- als ein andrer Schaffner von der Stations- Hierauf erzählte er, wie er seit achtundzwanzig Jahren thür aus ihr Vorhaben bemerkte und strenge auf sie einschrie. auf Verdienst ausginge und seinen ganzen Verdienst nach Die eingestiegenen Arbeiter traten sofort schnell wieder heraus Hause abgäbe- zuerst an den Vater, dann an den ältesten und gingen wieder mit denselben weichen entschiedenen Schritten Bruder, jetzt an den Neffen, der mit der Wirtschaft betraut noch weiter zum folgenden Waggon, demselben, in welchem war; er selbst aber verbrauchte von den verdienten fünfzig, Nechljudow saß. Ein Schaffner hielt sie wiederum auf. Sie sechzig Rubeln im Jahr zwei, drei Rubel für Kleinigkeiten: wollten schon stehen bleiben, in der Absicht, noch weiter zu gehn, für Tabat und Streichhölzer. aber Nechljudow sagte ihnen, im Wagen sei Play, sie möchten hineinkommen. Sie hörten auf ihn, und Nechljudow ging hinter ihnen hinein. Die Arbeiter wollten schon Platz nehmen, aber der Herr mit der Kokarde und die beiden Damen, die das Vorhaben jener, in diesem Waggon Platz zu nehmen, als eine persönliche Kränkung auffaßten, widersetzten sich dem entschieden und begannen sie hinauszutreiben. Die Arbeiter -es waren ungefähr zwanzig Leute, sowohl Greise wie ganz junge, alle mit gequälten, verbrannten, trockenen Ge sichteru gingen alsbald, indem sie mit ihren Säcken an die Bänke, Wände und Thüren stießen, augenscheinlich int bestimmten Gefühl ihrer Schuld weiter durch den Waggon, offenbar bereit, bis aus Ende der Welt zu marschieren und sich hinzusehen, wo es immer ihnen befohlen würde, sei es auch auf Nägel.

,, Wo wollt ihr hin, Teufel! Nehmt hier Play!" schrie ein andrer hereintretender Schaffner ihnen entgegen.

Voilà encore des nouvelles," sagte die jüngere der beiden Damen in der festen Ueberzeugung, mit ihrem guten Französisch die Aufmerksamkeit Nechljudows auf sich zu lenken. Die Dame mit den Armbändern aber schnüffelte nur fort­während, verzog ihr Gesicht und redete etivas von der An­nehmlichkeit, mit stinkendem Bauernvolt zusammenzusißen. Die Arbeiter aber empfanden die Freude und Be ruhigung von Leuten, die einer großen Gefahr entronnen sind; sie standen still und begannen Platz zu nehmen, indem sie mit einem Rucke der Schulter die schweren Säcke vom Rücken warfen und sie unter die Bänke stießen.

Der Gärtner, welcher mit Taraz gesprochen hatte, faß nicht auf seinem Blaze, sondern war schon vor ihm fortge gangen, so daß neben Taraß und ihm gegenüber drei Pläge waren. Drei Arbeiter setzten sich auf diese Plätze, aber als Nechljudow zu ihnen trat, machte der Anblick seiner Herren­kleidung sie so verwirrt, daß sie aufstanden, um fortzugehen; doch Nechljudow bat sic, da zu bleiben und setzte sich selbst auf die Banklehne nach dem Durchgang zu.

-

Vierundvierzigstes Kapitel.

-

" Ist Sünde, daß man ab und zu mal ein Schnäpschen trinkt," fügte er hinzu und lächelte schuldig.

Er erzählte noch, wie die Frauen für sie das Haus be stellten, und wie der Unternehmer sie heute vor der Abreise mit einem halben Eimer Branntwein trattiert hätte; wie einer von ihnen gestorben wäre, ein andrer aber krank mit­genommen würde. Der Kranke, von dem er sprach, saß im selben Waggon in ciner Ecke. Es war ein junger, graublaffer Bursche mit blauen Lippen. Ihn quälte offenbar Fieber, Nechljudow trat zu ihm, aber der Bursche sah ihn mit so strengem, leidendem Blick an, daß Nechljudow ihn nicht erst mit Fragen zu beunruhigen begann, sondern dem Alten riet, Chinarinde zu kaufen, und ihm den Namen der Arznei auf einen Zettel schrieb. Er wollte ihm Geld geben, aber der Vorarbeiter sagte, das sei nicht nötig. Er würde seines nehmen.

Na, ich bin viel gereist; aber solchen Herren habe ich noch nicht gesehen. Nicht, daß er Dir an den Kragen fährt, nein, er tritt Dir sogar seinen Platz ab. Es giebt doch aller Art Herren," schloß er, an Zaraß gewandt.

" Ja, eine ganz andre, neue Welt," dachte Nechljudow und sah auf diese trockenen, muskulösen Glieder, auf die grobe Hausmacherkleidung und die verbrannten, freund­lichen, abgehärmten Gesichter und fühlte sich auf allen Seiten von ganz neuen Leuten mit den ernsten Interessen, Freuden und Leiden eines richtigen, arbeitsamen Menschenlebens um geben.

"

,, Das ist sie, le vrai grand monde," dachte Nechljudow und erinnerte sich an die Phrase, welche Fürst Kortschagin gefagt, und an diese ganz müßige, üppige Welt der Kortschagins mit ihren nichtigen, jämmerlichen Interessen.

Und er empfand das freudige Gefühl eines Reisenden, der eine neue, unbekannte, schöne Welt entdeckt hat.

Dritter Teil. Erstes Kapitel.

Die Abteilung, in der die Maslowa reiste, legte ungefähr fünftausend Werst zurück. Bis Perm fuhr die Maslowa auf der Eisenbahn und auf dem Dampfschiff mit gewöhnlichen Verbrechern; erst in dieser Stadt gelang es Nechljudow, ihre Ueberführung zu den Politischen   zu erwirken, wie ihm die Bogoduchowskaja geraten, die in dieser Abteilung reiste.

Einer von den beiden Arbeitern, ein Mensch von fünfzig Jahren, sah sich verständnislos und sogar erschreckt nach dem jungen um; daß Nechljudow, anstatt wie es einem Herrn cigen sie zu schimpfen und fortzutreiben, ihnen seinen Play abtrat, verwunderte sie sehr und machte sie stubig. Sic Die Fahrt bis Perm war physisch wie moralisch sehr fürchteten sogar, es möchte daraus für sie Unheil entstehen. schwer für die Maslowa; physisch infolge des beschränkten Als sie aber sahen, daß hier keine böse Absicht vorlag und Raums, der Unsauberkeit und des abscheulichen Ungeziefers, daß Nechljudow sich einfach mit Taraß unterhielt, beruhigten daß ihr keine Ruhe ließ; moralisch infolge der ebenso sie sich, befahlen dem Kleinen, sich auf den Sack zu sehen, abscheulichen Mannsleute, die gerade wie das Ungeziefer, und verlangten, daß Nechljudow sich auf seinen Platz fegte. obgleich fie auf jeder Station wechselten, überall gleichmäßig Zuerst schrumpfte der bejahrte Arbeiter, der Nechljudow gegen zudringlich, klebrig waren und ihr keine Ruhe ließen. Unter überfaß, ganz zusammen und zog feine Füße in Bastschuhen den männlichen und weiblichen Gefangenen, den Aufsehern sorgsam ein, um die Herren nicht zu stoßen; dann aber und Eskortesoldaten herrschte ein so chnisches Gebaren, daß unterhielt er sich so freundschaftlich mit Nechljudow und jedes weibliche Wesen, namentlich die jungen, beständig auf Zaraß, daß er Nechljudow bei den Stellen seiner Erzählung, der Hut sein mußte. Dieser immerwährende Kampf- und auf welche er seine Aufmerksamkeit besonders lenken wollte, Angstzustand war sehr schwer zu ertragen. Die Maslowa