Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 150.

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Die Fanfare.

Sonntag, den 5. August.

1900

Bewunderer anfangen. Und wer selbst sein erster Bewunderer ( Nachdruck verboten.) ist, der kann wenigstens auf die eigene grenzenlose Hingebung zählen."

Roman von Frit Mauthner.

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Gerade an einem Tage- es war anfang August an welchem Richard ihn bei einem kurzen Besuche auf der Redaktion traurig angeblickt hatte und dann fortgegangen war, ohne die Frage nach Johanna auszusprechen, gerade da erhielt Bode diesen Brief:

,, Spotten Sie nur! Ich bin wahrscheinlich nicht besser als die andern, aber ich kann mir doch die Reklame des eignen Vaters nicht gefallen lassen."

Er ist freilich nicht ganz unbefangen. Ich werde dafür sorgen, daß fünftighin alle Reklamen für Fata Morgana durch die Hand unfres Musikmenschen erster Güte gehen." Richard blieb plötzlich stehen und blickte dem Redacteur ins Gesicht. ,, Lieber Herr Doktor! Ich bitte Sie," rief er ,,, lassen Sie mir gegenüber den Ich danke Ihnen herzlich für die gütige Erfüllung chnischen Ton fallen, er ist ja doch nur eine Waste. Wenn meiner Bitte. Wenn ich in der Fabrik des Herrn Diffelhof Sie's für ein Unrecht halten, wie die ganze Gesellschaft durch mein bischen Malen so viel verdienen kann, so schreiend dem Erfolge meines Werks vorauseilt, dann sagen habe ich keine Bange vor der Zukunft. Vielleicht können Sie Sie es mir ehrlich mit derben Worten. Wenn Sie den mir für die Abendstunden besonders für den Winter! Brauch aber für berechtigt ansehen,

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dann kränken Sie

noch etwas verschaffen. Sie wissen, ich schreibe sauber ab. mich nicht ferner mit einem Hohne, der mich erst in Seien Sie nicht böse und halten Sie mich nicht für hab- zweiter Linie trifft; zuerst aber meinen Vater und Sie selber, gierig, weil ich noch nicht zufrieden bin. Ich muß fleißiger der Sie diesem Gewerbe seit Wochen Ihren Namen leihen, arbeiten als bisher. Mein guter Onkel, der so viel für uns Ihr Wissen, Ihre Begabung und Ihre Ehre." that und bei dem wir jetzt auf dem Lande gelebt haben, ist gestorben. Die Herren Mettmann hätten den alten Offizier wohl die paar Wochen noch dulden und ihn in seinem Hauſe sterben lassen können. Meinen Sie nicht auch? Diese Leute bringen mir fein Glück. Auch die Arbeit bei Ihnen habe ich durch die Zeitung dieser Herren eingebüßt.orelos

Was Sie über Ihre neue Thätigkeit andeuten, hat mich tief traurig gestimmt. Das Leben wäre schwer zu tragen, wenn man feine Pflichten hätte.

Bewahren Sie mir u. s. w.

Johanna von Havenow- Trienik."

Für Richard wäre dieses Schreiben wohl ein ganz wert­volles Autogramm gewesen; warum fragte er aber nicht ein­mal? Aufdrängen wollte Bode sich nicht.

Natürlich machte es ihm jedoch Freude, den Komponisten trog alledeni zu unterstützen, wenn die Notizen auch nicht immer nach seinem Geschmack waren, mit welchen der Ver­leger oder Herr Pinkus Fata Morgana", die erste Oper eines geheimnisvollen jungen Genies, ankündigte.

Richard hatte bisher dazu geschwiegen. Als die Fanfare jedoch eines Tags von einer Nummer der Oper sprach, welche die ersten Kenner für Mozartisch erklärt hätten, da erschien der Komponist hart vor Schluß der Redaktion bei Bode und bat ihn um eine Unterredung.

Auf der Stelle," rief Bode; ich wollte da dem Blut hund in Hinterindien , der seine ziveiundzwanzig Brüder eigen­händig geföpft hat, noch zweiundzwanzig Zeilen feiner christliche Moral predigen, aber ich fürchte, er liest die Fanfare nicht. Schließen wir!"

Und während er die letzten Befehle in die Druckerei ge­langen ließ, fügte er hinzu:

..Es ist überhaupt mein Fehler, daß ich nicht an die Macht meines Blatts glaube. Der geborene Redacteur muß über zeugt sein, daß morgen früh vom Kaiser bis zum Nachtwächter jedermann seine Ratschläge erwägen und womöglich befolgen

werde."

Sie gingen miteinander fort und Richard brachte sein An­liegen gleich vor. Es werde für ihn und seine Oper in der Fanfare zu viel Reklame gemacht.

Wenn Sie mir Ihre Freundschaft beweisen wollen, Herr Bode, so verhindern Sie solche Sachen. Mozart und ich! Es ist Blasphemie!"

"

Bode antwortete nicht sofort. Sie standen an der Ecke der Leipzigerstraße und mußten in einen Thorweg zurück­treten, um in dem Auf- und Niederfluthen des eilenden Menschenstromes nicht gestoßen und nicht von einander getrennt

zu werden.

Stiller lag die Mauerstraße in dem rotgelben Scheine der Gaslaternen da. Auch oben, wo die Leipzigerstraße sich gegen die Stadt zu scheinbar verengte, zogen sich zwei lange Fäden von matten Gasflammen bis tief in das Flimmernde, Unbestimmte von Nacht und Lichtschimmer hinein. Nur von dort ab, wo sie standen, bis zum Leiziger Platz glänzten die malerischen Häuserfassaden und die grellen Schaufenster in dem flackernden Scheine der elektrischen Bogenlampen. Bode ließ seine Augen ruhig hinauf und hinunter schweifen und sagte, als der Freund endlich verwundert seinen Blicken folgte:

Glauben Sie, daß der Entdecker dieses Lichts nur der Reklame ein neues Werkzeug schenken wollte? Glauben Sie, daß Werner Siemens für diesen Strumpfwirterladen gelebt hat? Den Kampf mit der Natur aufzunehmen und ihr ein helles Licht abzuzwingen, das ist eine große That, so berauschend wie nur der Traum eines Künstlers, der in seiner Schöpfung sich verwirklicht. Und was hat man aus seiner großen That gemacht? Ein Mittel der Reklame! Seine Waren ausschreien will jeder Kaufmann. Auf dem Jahrmarkt, in den Dörfern thut es noch die alte Trompete, in der stolzen Großstadt ver­einigen sich Kunst, Geschmack und Wissen und haben die alte Trompete abgesetzt. Kommen Sie, sehen Sie sich Laden für Laden an, sehen Sie, wie die Farben in jeder Auslage schreien und wie trotzdem der Glanz der alten langsameren Geschäftshäuser zurückgedrängt wird durch die größte, neueste, schmetternde Trompete, das elektrische Licht. Und wenn Sie von einem erhöhten Standpunkt auf die Stadt hinunterblicken, so schauen Sie über ihr einen undurchdringlichen Nebeldunst, aus dessen Tiefe nur ab und zu ein einzelner Schimmer hervorblikt. In diesem feurigen Nebeldunst wird die große Schlacht der Reklame geschlagen. Wer bescheiden ist, der verkauft seine Ware nicht. Das elektrische Licht verführt den Käufer am Abend, des Morgens weckt uns der Marktschreier mit seiner Tagestrompete, dem Inserat. Der Erfinder der Buchdruckerkunst ist arm gestorben, weil er die Bibel dem Volk käuflich machen wollte. Der Inseratenhändler von heute wird nicht arm bleiben.

Es kam mir selber drollig genug vor. Ihr Vater hat den herrlichen Gedanken mit unserem Musikreferenten zweiter" Ich begreife nicht, wie Sie mit solchen Gesinnungen Güte selbst redigiert. Also Sie wollen sich von den ver- das unsaubere Geschäft mit Ihrem Namen decken können." nünftigen Leuten nicht auslachen lassen? Wissen Sie, daß ,, Ein unsauberes Geschäft? Habe ich das gesagt? Nicht ich da fast an Ihrem künstlerischen Beruf zu zweifeln be- jeder Inseratendrucker muß sich selbst verkaufen, nicht jeder ginne? Sehen Sie sich unsre ersten Maler, Musiker und Marktschreier muß gefälschte Waren anpreisen. Der Beruf Schriftsteller an; keiner hat etwas dagegen, wenn man ihn eines Marktschreiers ist bürgerlich ebenso ehrenwert wie ein mit den Heroen seines Fachs vergleicht. Die Fanfare" arbeitet andrer, so lange der Mann sich nicht mit Wissen und gleichmäßig für das Haffner- Bier und für die Kunst. Man Willen an Betrüger verdingt. Ebensowenig ist es unehren­nennt das den edlen Glauben an sich selbst. Vom Jüngsten haft, wenn der Zeitungsbefizer ankündigt, wo seine Leser eine bis zum Aeltesten treiben sie praktische Ich- Philosophie; sie leere Wohnung, einen beschäftigungslosen Dienstboten, meinet­setzen sich selbst und erwarten den Gegenbeweis. Wenn wegen auch ein Bankhaus für ihr überflüssiges Geld finden man berühmt werden will, so muß man dach mit einem tönnen. Es ist gar nicht notwendig, daß der Redacteur dabei