Anterhaltungsblatt des Vorwärts
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Die Fanfare.
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Donnerstag, den 9. August.
( Nachdruck verboten.)
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Roman von Frit Mauthner. Meine teure. Freundin," sagte Mettmann mit gedämpfter Stimme, was ist das menschliche Leben? Punktum. Es wird mich unendlich freuen das heißt Sie verstehen mich, auch bei diesem schmerzlichen Anlaß können Sie über mich verfügen." Leontine drückte ihm die Hand und steckte das Taschentuch ein.
„ Vor allem möchte ich eine Danksagung für die vielen Beweise von Teilnahme abfaffen."
Es war Ihnen gewiß ein Trost," rief Mettmann mit hellerer Stimme,„ Das überlassen Sie nur Herrn Pinkus. Hat er die Traueranzeige und den Nachruf nicht sehr schön verfaßt?"
„ Es war alles ganz würdig. Ferner möchte ich im Sinne des Verstorbenen den Armen der Stadt eine größere Summe widmen. Er hatte nicht Zeit, felbst derlei Bestim mungen zu treffen, da ist es meine Pflicht, statt seiner wohl. thätig zu sein."
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" Ja, das ist üblich," brummte Mettmann . Wollen Sie die Summe bestimmen?"
Ich habe noch nicht überlegt. Nun, hunderttausend Mark wird wohl das Richtige sein. Es giebt so viel Armut in der Stadt."
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,, Sie sind wohl Teuerste Freundin, das ist zu biel! Sie sind wohl in Ihrem ersten Schmerz zu verschwenderisch."
Leontine lächelte traurig, doch schaute sie den Verleger scharf an und sagte, während ihr schwarzes Tuch langsam von den Schultern zu den Hüften niederglitt:
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Die Güte meines Mannes hat mich in Verhältnissen zurückgelassen, in denen die Summe ohne Bedeutung ist." Mettmann verneigte sich unwillkürlich.
„ Aber es ist zu viel," wiederholte er. Dazu biete ich meine Hand nicht. Sagen wir fünfzigtausend."
,, Wie Sie meinen, Ich will nicht auffallen. Ich behalte mir aber vor, die Hunderttausend voll zu machen, wenn eine bedeutende Stiftung auf meinen Namen auf den Namen des Toten meine ich natürlich damit möglich würde."
Es wurde still im Zimmer; jeder ging seinen Gedanken nach. Plötzlich rief der Verleger:
Wann darf mein Sohn sich erlauben, Ihnen aufzu
warten?"
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„ Er wird mir jederzeit willkommen sein. Wie gefällt es Ihrem Richard hier? Erzählen Sie mir von ihm, das wird mich erfreuen."
Und nachdenklich löste Leontine das Häubchen los und warf es samt dem Tuche auf den nächsten Tisch.
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Nicht unsre Wohnungen, unsre Häuser. Wenn ich nur lange in dem meinigen wohnen bleibe. Es ist uns zu Klein; wenn Richard heiratet, ist es entschieden zu klein. Ich möchte ein richtiges Palais für ihn haben!"
Leontine blickte erstaunt auf. Für so reich hatte sie den alten Mettmann gar nicht gehalten.
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Das haben Sie mir wohl gar nicht zugetraut," rief er fofort. Ich will, bauen! Lauter bunte Steine, es muß blendend schön werden. Wenn diese beiden Nachbarhäuser in und eine Hand fämen- alles in der Welt ist ja möglich wir tönnten zusammen einen großen Neubau aufführen, es müßte das großartigste Haus in der ganzen Tiergartenstraße Noch deutlicher durfte er heute nicht mehr werden; er stand auf. Auch Leontine erhob sich. Sie legte das Tuch wieder um ihre Schultern und sagte lächelud:
werden."
Treten Sie mit mir einen Augenblick auf den Balkon hinaus. Da können Sie die beiden Grundstücke übersehen und bequem Luftschlösser bauen."
Mettmann öffnete zuvorkommend die weite Glasthür. Doch als Leontine ihren Fuß über die Schwelle sehen wollte, fuhr sie mit einem häßlichen Schrei zurück. Draußen stand in der Ecke auf einer Wasserlache und immer noch triefend der Rollwagen des toten Kommerzienrats. Mettmann schloß die Glasthür wieder und sagte nur:„ Die verdammten Dienstboten! Alles lassen sie zu Grunde gehen. Na der Schaden ist ja nicht groß."
Und er empfahl sich kurz mit dem Versprechen, seinen Sohn an einem der nächsten Tage herzuschicken.
Frau Leontine erwartete Richards Besuch mit einer Ungeduld, die sie vorher nie gekannt hatte.
Sie verbrachte manche Stunde dieser ersten Witwentage am Fenster, um in den Vorgarten des Nachbarhauses hineinzublicken, ob Richards Gestalt nicht auf dem blanken Kieswege zu entdecken war. Und sie dankte es jedem Menschen, mit dem sie unbefangen über Nichard Mettmann sprechen tonnte.
Als am Tage nach dem Begräbnisse gegen zwölf Uhr Herr Pintus seine Aufwartung machte und seine Dienste anbot, hatte sie das Geschäftliche rasch erledigt. Auf die Bemerkung des Agenten, ob die öffentliche Danksagung nicht auch in Mettmanns Fanfare eingerückt werden sollte, rief fie: Gewiß! Ich bin mit Herrn Mettmann zu befreundet, um sein Blatt umgehen zu können. Was hört man denn von der Oper seines Sohnes?"
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Nun war Pinkus auf einen Gegenstand gebracht, der ihm sehr am Herzen lag. Er hielt sich für sehr musikalisch". So oft er einen großen Inseratenauftrag kalkulierte, pfiff und brummte er dazu die bekanntesten Arien aus beliebten Opern. Richard Mettmann war der erste Komponist, den er persönlich fannte. Von Fata Morgana war er begeistert. Außerdem hatte er sich in den Stopf gesetzt, wenigstens der geschäftliche Leiter des neuen Theaters und Gartenunternehmens zu werden. So plauderte er denn nach Leontinens Aufforderung Er war also nicht zurückhaltend. Er wußte bald selbst sehr lebhaft, aber nicht gerade von dem, was sie zu hören nicht, ob Schlauheit oder Vaterliebe aus ihm sprach. Wie erwartete.
Mettmann fannte nur ein Vergnügen, das war, von feinem Sohne zu sprechen. Und heute war er überdies hergekommen, um die junge Wittive an Richard zu erinnern.
unverdorben Richard aus der Fremde gekommen war, wie" Fata Morgana? Der reine Rossint. Das heißt, ich habe findlich er die Menschen beurteilte und wie er doch wieder mir noch feine Melodie merken können, aber ich habs als Techniker seinen Mann stellte. Von der Komposition auch erst einmal gehört. Gott , wenn ich Direktor werden einer Oper hatte Frau Leontine natürlich sofort erfahren. könnte, wie möchte ich die Oper herausbringen! Nichts wär Das aber wußte sie noch nicht, daß das Werk von allen mir zu teuer! Heutzutage, wenn man sein Glück machen Stennern gelobt wurde, daß man allgemein einen großen Erfolg will, muß man engagieren die Lucca für den Chor und eine prophezeite und daß der Komponist durch die Aufführung allein junge, schöne Konservatoristin für die Primadonnasachen. ein gemachter Mann sein würde. Was, bin ich ein Direktor? Und mit den Zeitungen weiß Er wird es ja nicht nötig haben. Es ist ja für einen ich umzugehen; den Rummel verstehe ich. Ich will nicht reichen Vater gesorgt. Aber um seinetwillen freut es mich." Inseratenhändler bleiben, so lange ich lebe. Wenn Frau Leontine verbarg den Anteil nicht, den sie an Richards Kommerzienrätin mich unterstützen wollten! Herausbringen Schicksal nahm. will ich Fata Morgana: nichts soll mir zu teuer sein. Wandeldekorationen, Ballet , jung meinetwegen, elektrisches Licht. Ich möchte gern Direktor werden."
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Schicken Sie mir ihn nur bald her", sagte sie lebhafter. Sie haben Ihren Sohn alles Mögliche lernen lassen. Er war auf dem Gymnasium, auf dem Polytechnikum und auf Leontine entließ den Mann, nachdem sie sich den Juhalt Reifen. Nur in der Schule einer Frau ist er wohl noch nicht des Teribuches hatte erzählen lassen. Dann erwartete sie gewesen. Ich möchte seine Erziehung vollenden. Unfre den jungen Komponisten Tag um Tag, und Stunde um Wohnungen sind ja nur durch eine Feuermauer getrennt, da Stunde. Sie wußte nicht, wie widerstrebend Richard des Vaters kann ich sagen, daß ich die nächste dazu bin." Bitte aufnahm, er möchte der Witwe Pitersen den schuldigen