Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Str. 160. Bislang dito an

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Die Fanfare.

Dienstag, den 21. August.

( Nachdruck verboten.)

Roman von Frit Mauthner.

1900

furzem werde Richard mit der furchtbar anstrengenden Arbeit für die vielen Instrumente oder wie die Geschichte heiße, fertig sein, und in seiner Freude werde er den Mut finden, sich zu erklären.

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,, Liebe Frau," rief er aufspringend und ging mit schweren Heute wurde das luftige feifen der vorüberfausenden Schritten zwischen den zarten Lurusstühlen hin und her, Lokomotiven als ein echt weltstädtisches Geräusch lieblich ge- Richard hat erst eine Geliebte gehabt und Sie schon zwei Da müßte es doch mit dem Teufel zugehen, funden, gestern war eine Pferdebahnlinie Tempelhof  - Männer. Wilmersdorf   natürlich nur durch die Großgörschenstraße wenn Sie ihn nicht glücklich machen sollten." verlangt worden, und dann wieder am Totensonntag hieß Mettmann   hatte einen andren Schluß auf der Zunge es, daß ein sinniges Gemüt nur in der Großgörschen  - gehabt, aber Leontine hatte ihn mit so ruhigem Zorn an­Straße leben könnte, in unmittelbarer Nähe der westlichen gesehen, daß er sich rasch verbesserte. Und er beeilte sich, zu Friedhöfe mit ihren Erinnerungen an unsre großen Toten. einem andern Gegenstand überzugehen, zu seiner Lieblings­Und im Feuilleton wurde erzählt, daß unser Disselhof, der laune, um derentwillen er eigentlich gekommen sei. Meister des so rasch wieder verschwundenen Bildes, die Sehn­fucht", jekt an den Dekorationen zur Fata Morgana arbeite, der Oper unsers Richard Mettmann".

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Die Verbindung mußte auch durch eine äußerliche Ver­einigung der beiden Nachbarhäuser verewigt werden. Er hatte Ganz Berlin   sollte schon mit dem Baumeister gesprochen. Und wieder hieß es dann in den vielgelesenen Plaudereien davon reden. Für die Fassade mußte in allen Blättern ein eines Weltstädters, die schöne Frau 2. P. habe zivar ihre Preisausschreiben angezeigt werden. Dafür werde das fertige Trauer noch nicht abgelegt und ihre Salons für die Gesellschaft Haus überall beschrieben und abgezeichnet werden. noch nicht wieder eröffnet, sie suche jedoch Erhebung bei der ,, Der Baumeister hat alle meine Vorschläge gut gefunden. Kunst und im engsten Freundeskreise habe man dort eine Natürlich! Ich zahle ihn ja. Das zweite und das dritte wahre Fata Morgana bewundern können, die vielversprechende Stockwerk hochherrschaftlich. Tolle Mietpreise! Nur für Ge­Oper unsres" Richard Mettmann. nerale! Und wenn man die Wohnungen zwei Jahre lang umsonst inserieren müßte. Aber parterre und erster Stock muß fürstlich werden, klassisch, wiffen Sie, so wie in Paris  , lauter echter bunter Marmor, und unten über dem Doppelportal zwei riesige Posaunenengel, mit den Füßen bis in den Tier­garten hinein und mit großen Trompeten wie am Schloß. Blasen sollen die Posaunenengel, bis sie platen, nein, bis die Und hinter den Berliner   platen vor Neid und Aerger. Posaunenengeln, da wohnte er. Und dort will ich eine Platte von rosenrotem Marmor. Der Baumeister sagt, es giebt keinen, aber wir zahlen ihn und wir finden ihn. Und auf dem rosa Marmor in blauen Buchstaben das Monogramm L. und R., Leontine und Richard."

Gegen Mitte Dezember, furz vor Weihnachten, konnte das Blatt schon sechs Seiten mit Anzeigen füllen. Wenn das nur noch um ein weniges stieg und wenn die Zahl der Abonnenten eine großartigere Geschäftsführung gestattete, so durfte Mett­ mann   hoffen, daß er bald seinen Gläubigern siegreich gegen­überstehen würde. Seine Lage war lange nicht mehr ver­zweifelt, er fonnte sein Unternehmen beinahe schon als schuldenfrei und fruchtbringend ansehen.

Bei alledem hatte Gottlieb Mettmann noch lange keine Ursache, übermütig zu werden. In den schlimmsten Stämpfen der letzten Jahre hatte ihm seine glückliche, die Zukunft rosig ausmalende Einbildungskraft alle Gefahren verschleiert; jetzt fah er plöglich den gähnenden Abgrund hinter sich liegen, und ihm begann zu schwindeln. Das Dasein seines Sohnes follte auf minder unsicheren Grundlagen stehen. Je heller die Aussichten für den Vater wurden, desto wichtiger schien es ihm, feinem Richard die Hand der Witwe Pitersen zu sichern.

Gottlieb Mettmann hatte sich durch den Aufschwung der letzten Wochen in seinem Kredit so gebessert, daß er daran denken konnte, die schöne Leontine mit einigen Ueber­raschungen zu beſtürmen. Das Nächstliegende schien ihm, feinen alten Plan aufzunehmen und für den Neubau des Havenow'schen Hauses das Nachbargrundstück der Frau Pitersen mit heranzuziehen. Sie sollte jedenfalls erfahren, daß er großartig bauen wollte.

Als er zu Leontine fam, gestattete sie ihm schon, ihr einen Ruß auf die Stirn zu geben. Es fehlte wenig, und er hätte sie geduzt. So sicher fühlte er sich schon als ihr Schwiegervater.

" Ich bin beinahe besser daran als mein Sohn," sagte er derb. Er wird nicht Ihr erster Mann werden, ich aber bin Ihr erster Schwiegervater."

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Mettmann   hatte sich in die Hike geredet. O, er hatte auch Phantasie und Kunstsinn so gut wie seine Nedacteure.

Leontine lehnte sich mit geschlossenen Augen zurüd. Das Monogramm, himmelblau auf rosa, schmeichelte ihrer Vorstellung. Plötzlich schüttelte sie mit dem Kopf und sagte hart:

,, Richard und ich sind noch kein Brautpaar."

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" Die Verlobungsanzeige wird das schönste Inserat meines Lebens sein," erwiderte Mettmann   mit dem hünen­haften Versuch einer Verbeugung und er tüßte Leontine die Hand. IX.

Richard wurde von Leontine regelmäßig in dem kleinen Salon neben ihrem Schlafzimmer empfangen. Man konnte von dort durch das winterliche Geäft der entlaubten Bäume die hinteren Feuermauern der neuen Sommeroper sehen. Leontine hatte ein gutes Pianino hereinstellen lassen und ge­fiel sich darin, gerade gegenüber der Stätte des baldigen Triumphs zuerst die Melodien zu vernehmen, sowie sie jetzt ihre letzte Form gewonnen hatten.

Ihr erster Mann, der arme Klavierlehrer, hatte sie oft Leontine lächelte falt, aber sie mahnte zur Vorsicht. Sie des Abends mit seinem Musifmachen gequält, in der ersten bemühte sich, mit dem Alten über den Heiratsplan wie über guten Zeit, als sie den Drang zum Glanz noch nicht gefühlt ein schwieriges Geschäft zu sprechen. Der Vater sollte nicht hatte. Wenn sie damals in ihrer armseligen Stube, schlecht ahnen, wie leidenschaftlich sie seinen Sohn liebte. Das wäre gekleidet, vom argen Küchengeruch gequält, zuhörte, wenn gefährlich gewesen, Sie war jegt eine reiche, schöne Frau, ihr Mann, der arme Gruber, ermüdet von den vielen Unter­und Reichtum verpflichtet auch zur Klugheit. richtsstunden, sich am Klavier Dinge einfallen ließ, die So berichtete fie ruhig, daß Richard ihr fast täglich näher außer ihr niemand hören sollte, das war musikalisches Elend. trete, daß sie mit herzlicher Freude zu schicklicher Zeit eine Aber jetzt! Wie das vornehmste Stück diefer üppigen Um­Verbindung mit ihm eingehen werde, daß er aber bis heute gebung erklang die Musik des jungen Mannes, in den sie fich noch nicht erklärt habe. Und nicht ohne Heftigkeit fügte sich nun einmal verliebt hatte. Und Richard Mettmann war sie hinzu, sie fürchte immer noch fremde Einflüsse. Dieser nicht der erste beste arme Schlucker. Diese Oper wird da Doktor Bode fei ihr unheimlich. dy drüben von tausend Menschen bejubelt werden, Leontine

Sie nannte Bode aufs Geratewohl. Heimlich dachte sie wird in dem schwarzen Sammettleid, mit Berlen an Johanna, doch sie sprach ihren Namen nicht aus, um dem in den Haaren von der Prosceniumsloge aus zu Vater Richards nicht durch das Bekenntnis ihrer Eifersucht zu sehen, wie der hübsche Komponist feine Verbeugung macht; viel zu verraten. alle Welt wird wissen, daß sie heimlich seine Braut

Mettmann   beruhigte sie. Doktor Bode, der neunmal ist, man wird sie beide beneiden, und Richard wird dem fluge Narr, habe noch lange in den Mauern von Plößensee Neid zum Trok mit seiner Oper so viel Geld verdienen, daß zu sitzen, und bis dahin sei alles sicherlich geordnet. Binnen ihr dadurch auch noch das höchste Glück beschieden werden