Unterhaltungsblatt des Vorwärts
und
Nr. 196.
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Mittwoch, den 10 Oktober.
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er im Geheimen immer noch für grau und nie für grün gewesen. Daß er bei der Neichstagswahl für den„ Grünen " geſtimmt, wußte man nicht von wegen des allgemeinen, geheimeit, direkten Wahlrechts. Auch hätte es niemand dem alten jovialen Herrn zugetraut, zumal er ein„ Hiesiger" war. Man hatte in der Beziehung einen Metzger in Verdacht, der manchmal so dumme Wiße machte und nicht von hier stammte. Da er aber Kalb und Ochsenfleisch fast nur nach auswärts in verschiedene Großstädte lieferte, fonnte er es aushalten, Der Kutscher wußte das schon und bog immer gleich in als seine wenigen hiesigen Kunden ihn verließen. den Ring ein. Selbstverständlich wohnten nun alle Honoratioren Frau Magda stieg aus. Otto, ihr Mann, ließ sich zum hier und alle wohlhabenden Bürger, die auf das neunzehnte Jahrhundert um feinen Preis etwas tommen ließen.
Es war eins der harmloseren Vergnügen von Magdas Mann, durch den Ring zu fahren und über ihn seine Wize zu machen.
Der Kutscher, dieser altmodische Bauer, schimpfte freilich immer, wenn er irgendwo auf dem Ring vorfahren sollte, denn da ein Haus aussah wie das andre, war es feine Kleinig teit, immer gleich das rechte zu treffen. Heute ging es ja mun glücklicherweise zu Oberförsters. Deren Haus war leicht zu finden. Es war das einzige, das grüne Fensterläden besaß. Bei allen andern Häusern waren sie grau.
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Ringhotel" fahren. Der Kutscher sollte sie zwischen halbacht und acht abholen und dann beim Ringhotel vorsprechen. Vielleicht würde er mit nach Hause kommen, wenn im Klub nichts los war.
An den Hüten, Mänteln und Ueberschuhen auf dem Flur sah Magda, daß ziemlich viele Damen da sein mußten. Fast bereute sie es schon jetzt, hierher gekommen zu sein. So viele Menschen, das bedrückte sie schon im voraus, war ihr ungewohnt.
Wegen dieser grünen Fensterläden war seiner Zeit ein Aber Oberförsters Dienstmädchen, eine dralle Dirn vom heftiger Krieg im Städtchen ausgebrochen, der noch immer Lande, hatte sie schon freundlich begrüßt und ihren Mantelnicht völlig ausgetobt hatte. Die Forstbehörde billigte zwar fragen gefaßt, um ihr beim Ablegen behilflich zu sein. Da für die neue Oberförsterwohnung den allgemeinen Bauriß und gab es kein Entrinnen mehr. Plan, aber die Fensterläden sollten grün werden, während Während sie vor dem kleinen Stehspiegel die Frisur nach Stadtverordnetenbeschluß alle grau sein sollten. ordnete, hörte sie dentlich, wie drinnen viel und laut geWar das ein Krieg! sprochen wurde.
Der Herausgeber, Besitzer und Drucker des„ Tagblatt" Die immer freundliche, fordial lächelnde Dirne machte hatte für Monate den schönsten Stoff in nächster Nähe. Und die Thür weit auf, nachdem sie erst vorher ein paarmal was ließen sich mit dem Grün für ausgezeichnete Wige machen mit ihren Nagelschuhen dawider gedonnert hatte, daß da drin nach dem Muster von: Grüner Junge, wenn das am grünen schon alles auf den neuen Gast vorbereitet war. Die Frau Holz geschieht, und noch bessere. Es war einfach großartig. Oberförster tam Magda entgegen. Sie war eine derbe, runde, Immer wilder wurde der Kampf. Der Gerichtsvollzieher gesunde Frau, Ende der Vierzig, mit rotem Gesicht und noch mußte um seine Versetzung einkommen, nur weil er Grün tiefschwarzem, glattem Haar. Sie schüttelte Magda kräftig hieß. Der Stadtverordnete Grau wurde einstimmig zum die Hand und sagte: Wie schön, daß Sie kommen. Ich stellvertretenden Vorsitzenden dieser Körperschaft gewählt, meine, so' ne Abwechselung müßte Ihnen auf Ihrem Dorf als der bisherige mit Tod abging. Die Erholung" das auch ganz gut thun." war die zweite Garnitur, die erste nannte sich„ Klub" nannte den Grau gar einstimmig zum Ehrenmitglied. Selbst auf die Reichstagswahlen hatte es Einfluß. Der Kandidat der Regierung, der hier wenn auch nie viel, so doch immerhin zwanzig bis dreißig Stimmen bekam, erhielt dies mal nur eine, die des Oberförsters.
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Aber die Forstbehörde blieb hartnäckig, die Läden mußten wirklich grün gestrichen werden und verschimpfierten so die ganze schöne Straße.
Troßdem das Schändliche nun geschehen war, gab es doch noch keine Ruhe. Einige besonders cholerische Gemüter suchten sogar staatsrechtliche Auskunft, ob man jetzt nicht gleich prenßisch werden könne, denn schlimmer würde das auch nicht sein.
Eigentlich ein sonderbarer Empfang, dachte Magda bei sich und schritt neben der Frau Oberförster zum langausgezogenen Theetisch. Wie ein feiner heller Seidenfaden und dickes Strickgarn für Herren- Wintersocken sahen die beiden neben einander aus.( 7)
Magda war noch nicht weit gekommen, da kam ihr die älteste Tochter des Hauses entgegen, das Bettchen. Sie machte einen gewaltig tiefen Hofdiener. Sie hatte ihn erst kürzlich beim Tanzlehrer gelernt und war noch sehr stolz auf diese Kunst. och ſehr ſtolz auf
Der Tanzlehrer Wagner tam jeden Herbst einen Monat hierher und ließ sich nachher seine erfolgreiche Thätigkeit im Tagblatt" folgendermaßen bescheinigen: Wir sprechen hierdurch Herrn Tanzlehrer Wagner unsern herzlichsten Dant aus sowohl für den guten Tanzunterricht, wie auch für den Unterricht in der Höflichkeits- und Anstandslehre. Hochachtungsvoll das Tanzkränzchen.
Als die Alten so fungen, schlichen sich die Jungen eines Nachts zur Oberförsterei und strichen ein fahles Grau über das grelle Grün. Da sich das wiederholte, ohne daß die lebelthäter gefaßt wurden, war der Oberförster gezwungen, Wagner war seines Zeichens Schneider. Da er aber sich zu seinen Jaghunden noch eine grimmige Dogge und nicht sehr seßhafter Natur, so hatte er auf diese Weise umeinen besonders hohen und spitzigen Zaun um Vor- und Rück- gefattelt und bereiste das Jahr über die meisten kleinen Städte garten anzuschaffen. des Ländchens.
Jeder Fremde bekam sofort die empörende, unglaubliche Geschichte zu hören, und wehe ihm, wenn er sich am Schluß derselben nicht eifrig zu Grau bekannte. War es noch vor Mitternacht, so wurde er nur heimlich und leise Reaktionär und Streber tituliert, der au ch Regierungsrat werden will. War aber Mitternacht schon vorüber, dann geschah das laut und artete nicht selten in eine Prügelei aus. In jedem Fall aber stand in zwei Tagen Vorname und Zuname des Unglückfeligent im„ Tagblatt", daß jedermann ihn kenne und fortan dementsprechend behandle.
Die Frau Mama war ebenfalls sehr stolz auf Bettchens Kunst und sagte:
,, Nicht wahr, das hat sie gut gelernt? Und billig, sehr billig."
Ein zweites junges Mädchen näherte sich, machte denfelben Diener und Hihi dazu. Es war die älteste Tochter vom Realschuldirektor, Lieschen. Sie lebte bei allen Gesellfchaften ausschließlich von diesem Diener und diesem: Hihi.
Als dritte kam Fienchen Schreiber, ein förperlich etwas sehr zurückgebliebenes Wesen, das einzige Kind von Doktor Schreiber, eines Arztes im Städtchen.
Ein Handlungsreisender, der auch Tirol bereiste und in cincut grünen Hütchen erschien, feine Kunden zu besuchen, machte Die Begrüßung wurde allgemeiner. Einige Damen mußten überhaupt keinen Abschluß und mußte schleunigst flüchten. Magda überhaupt erst vorgestellt werden, da sie dieselben noch Wer flug war und etwas an den Krämern verdienen wollte, gar nicht kannte, was willkommenen Anlaß gab, Frau Magda trug am besten einen granen Anzug, so lange er sich hier mehr oder weniger freundliche Vorhaltungen zu machen, daß aufhielt. sie sich nie sehen ließe. Endlich hatte sie den Platz im Sofa
Nur der Oberförster blieb grün. Der mußte ja aber eingenommen, der für sie bestimmt war. Sie wollte zwar und war dadurch entschuldigt. Er that überhaupt, als wäre nicht, aber sie mußte; denn auch die Damen saßen stets genau