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Die beiden Verfolger hatten den Wagen auch bemerkt und tauchten schnell zurück ins Dunkel.n

Otto war sehr erstaunt, die ihm wohlbekannte Marie Jung so zu finden. Er stieg sogar aus und brachte sie nach Haus. Sie war ja so hübsch.

stande und zeigte sie wirklich an. Dann war es mit diesem| Er und trant ebenfalls wie andre Männer. Nur etwas Wirtshaus womöglich vorbei. Sie liefen hinter ihr drein, haftiger als Otto, etwas nervöser. Das kommte ja an der aber diesmal nur, um sie zu besänftigen. Marie Jung dachte neuen Situation liegen und an der langen Eisenbahnfahrt. natürlich, um sie wieder zurückzuschleppen, und lief, was sie Auch was er bei Tisch sprach, war das Normale. Freilich, nur fonnte. Schon glaubte sie sich in Sicherheit, da sprang er konnte doch auch nicht gleich anfangen, Gedichte zu Kranz vor und faßte sie am Rock. Mit legter Kraft riß fie deklamieren oder so. Er sprach, wie er, hastig und mit fich los und sprang auf die Hauptstraße. Da tam der Wagen Pausen dazwischen, nicht zusammenhängend; wie Menschen, vom Direktor. Sie lief auf ihn zu und rief:" Zu Hilfe, zu die viel schreiben und für gewöhnlich ihre Gedanken nicht ge­Hilfe! Herr Direktor!" sprächsweise von sich geben, sondern auf dem Papier. Es fiel ihm scheinbar auch gar nicht einmal leicht, so normal zu fon­bersieren. Es tlang fast gezwungen, wie auswendig gelernt. Das macht nun immer bei solch rein gesellschaftlicher Normal­tonversation einen üblen Eindruck, da hierbei die Worte nichts bedeuten, die Art, der Ton, in dem sie vorgebracht werden, Er fragte, was denn geschehen sei. Aber nun sagte sie alles. doch nichts.. Sie log fogar, weil sie sich so zu den Viel scheint nicht hinter ihm zu sein, dachte Magda wieder Arbeitern gehörig fühlte, daß sie dieselben nicht verraten enttäuscht. Sein Aeußeres verspricht eigentlich doch etwas wollte, es habe sie jemand erschreckt, sie wisse aber nicht wer. mehr. In der Stube, in der das Licht noch grade so still brannte, Dabei sah er sie so gut wie garnicht an. War das Ver­als sei gar nichts geschehen, warf sie sich auf die Knie, jammerte legenheit oder einfach völlige Gleichgültigkeit? Bei einem und betete. Sie hatte gelogen, sie hatte sich ins Wirtshaus Berliner   wahrscheinlich doch wohl legteres.dralin 104 schleppen lassen, sie hatte sogar den Hagensdörfer geschlagen. Welche Sünden, welche Sünden!! Ob ihr die je vergeben werden konnten? Ob sie je wieder in die Versammlung würde gehen können? Sie war verzweifelt. 19

Otto stieg topfschüttelnd in seinen Wagen. Was war da geschehen? Hatte vielleicht einer von den Lümmeln, der auch wußte, was schön war, ihr nachgestellt, und sie wollte ihn nicht? Den Teufel auch! Morgen wollte er das schon raus bekommen.

Ein schmales, blasses Geficht mit hoher Stirn, das Haar schlicht nach hinten gestrichen. Da es wellig war, sah es nicht übel aus. Er trug den modernen Spitbart, der das Gesicht noch schmaler macht, fast ein bißchen fränklich. Selbft verständlich auch einen Kneifer, so daß man von den Augen keinen rechten Eindruck hatte. Am besten gefielen ihr seine Hände. Lang, schmal und sehr gepflegt. Vor allem feinen einzigen Ring. Ringe waren ihr widerwärtig an Männer­sill DR händen. Aeußerlich war er so ziemlich anders als Otto. Aber innerlich? Sie unterhielten sich immer noch von Berlin  . Otto schien gar nicht genug davon hören zu können. Eins war nun wohl recht großstädtisch an seiner Unterhaltung, daß er nämlich auf Damenohren wenig Rücksicht nahm, doch Otto war da auch nicht ängstlich.

Marie Jung und ihre Mutter hatten nachmittags auf dem Werk den Kaffee für die Arbeiter zu kochen und vorher die Comptoirs rein zu machen, da würde er es schon in Er fahrung bringen. Er war sehr entrüftet über diese Kerle, moralisch entrüstet, wie er sich freudig gestand, freudig, weil das nicht grade oft an ihn tam. Im Grunde ärgerte er sich aber doch nur, weil er selbst diese Blume nicht pflücken konnte. Sie hatte in ihrer Aufgeregtheit wirklich zu reizend ausgesehn Aber nein, es ging nicht, von den Dorfmädchen mußte er die Finger lassen, soweit sie mit dem Werk in Beziehung standen.

Otto fuhr zur Bahn, um den Federfuchser" abzuholen. Er empfand es heute garnicht mehr unangenehm, daß Doktor Schäfer fam. Es war doch einmal eine Abwechslung in all der Spießergesellschaft. Eigentlich war ihm eben nur störend, daß er sich nicht entsinnen fonnte, ob er mit dem Federfuchser Schmollis getrunken oder nicht. Aus Schäfers Telegramm und dem kurzen Brief konnte man das nicht sehen. Aber wahrscheinlich war es, denn mit wem hatte er damals in Berlin   nicht Schmollis getrunken? Nuu, es würde sich findeu, wenn ihn der Federfuchser anredete.

Magda fühlte sich doch ein wenig aufgeregt. Sie bekamen felten Logierbefuch. Jetzt war er auch noch aus Berlin  , Schriftsteller, gar Dichter. Der mochte nicht wenig verwöhnt fein. Außerdem war sie ein bißchen abergläubisch, wie das ja ein Mensch leicht wird, der wenig Umgang hat, immer für fich lebt und vom Leben überhaupt nicht viel weiß. Troß­dem sie sich selbst schalt, konnte sie doch nicht von dem Gedanken los kommen, dieser Doktor Schäfer sei ihr als Helfer eigens vom Schicksal aus Berlin   zugeschickt. Sie sagte sich das selbstverständlich nicht so laut und deutlich, aber diefer Gedanke stand doch hinter allem, was sie an dem Kommen dieses Manns interessierte.

Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. Schließlich ist er doch nur wie Otto, wie alle diese Männer, die sie bisher tennen gelernt. Dann aber ließ fie alle Lichter anzünden, die im Hause waren, als erwarte fie doch jemand ganz Besondres. Es sah nicht übel aus, wenn alles so hell war. Die Villa gewann ganz entschieden dadurch. Sie machte jetzt fast einen freundlichen Eindruck. Jedenfalls würde sie das in Zukunft öfter thun. Das war gut gegen trübe Gedanken.

Endlich fuhr der Wagen vor. Sie stand in ihrem Zimmer und lauschte. 9080

Jedenfalls ging er die Treppe hinauf wie andre Leute auch, nur daß seine Stiefel nicht knarrten.

Lächerlich, wie sie ihn studieren mußte. Sie konnte es aber nicht lassen.

( Fortsetzung folgt.) and sbar of diand( b modtun out

Sonntagsplauderet.p

Noch ein, zwei Wochen werden die Wigblätter vom alten Hohenlohe Scherze formen, dann ist diese unerschöpfliche Quelle spaß hafter Einfälle versiegt, niemand wird mehr feinen Zeichenstift an der Sein Nachfolger ist unglüdsrabengestalt Onkel Chlodwigs spizzen. schlimmer, er macht selbst Wize, er tritt als Konkurrent auf und pfuscht den berufenen Geistern ins Handwerk: billig, aber schlecht. und deshalb wird des Boxergrafen Bülows Los in der Geschichte härter sein als das seines Vorgängers. Wenn späterhin einmal jemand den Namen des Fürsten Hohenlohe erwähnen wird, dann wird man sagen: Hohenlohe? Hohenlohe? Wer war das doch gleich? Ach ja, der gute alte Mann, der Thomas Theodor Heine   zu so famojca Einfällen angeregt hat.

Hingegen, wenn der Name Bülow erwähnt werden sollte, dann wird man also sprechen: Bülow? Bülow? Jit das der Klavier­spieler? Nein? Ach, das ist der Graf, der den Reichstag   immer durch seine schlechten Wige zur Verzweiflung und Beschlußunfähigkeit getrieben hat! Dermaßen wird Hohenlohes Ruhm herrlich über den Grafen Bülow steigen, würde es diesem selbst vergönnt sein, die Kaiserin- Tante von China   eigenhändig zu töpfen. 1951 mal- bevor es zu Ende geht mit dem Clodwig- Thema- ihrem Ueberhaupt, es wird zur Pflicht ehrlicher Gpaßvögel, noch ein­eifrigsten Gönner gerecht zu werden, zumal der dritte Kanzler vom Deutschen Reich, den Marianen und Riautschou schwerlich Gelegen heit haben wird, als Nebenfigur in den Stulpturwald der Sieges allee zu geraten. Die Polititer haben dem guten Fürsten übel mit­gespielt, mögen ihm die Männer von Kalau   und Umgegend endlich zu seinem historischen Recht verhelfen.

F

Auch ich bin mir bewußt, dem nunmehr gewefenen Kanzler manchen Federstrich verdankt zu haben. Stein Wunder, daß in diesem feierlich wehmütigen Augenblick des endgültigen Abschiednehmens mich die Neue ein wenig packt, als hätte ich den lieben Freund nicht ganz nach Verdienst gewürdigt. Ich fürchte beinahe, ich habe mich bisweilen über ihn- es ist schredlich, einzugestehen lustig gemacht.

Aber ich vermag gerade jetzt meine Sünden einigermaßen zu sühnen. Ich kann die Legenden der Bülow- Presse zerstören, die Ale Doktor Schäfer in das Zimmer trat und ihr vor- ben Kanzler sich bei Nacht und Nebel von seiner Verantwortung gestellt wurde, wich alle Erregung und Erwartung von ihr. fortstehlen lassen. Ich bin in der Lage, die Wahrheit über sein Ende zu erzählen. Es wird eine Stimmungstragödie des Herbstes werden, Wie dumm sie gewesen, sich etwas Besonderes von ihm zu bie nur Personen mit starken Nerven lejen sollten; denn sie ist versprechen. Dabei fühlte sie, daß sie ernstlich enttäuscht war, garantiert erschütternd, als ob fie von Sudermann gedichtet worden und das fand sie am allerthörichtsten. wäre. Ich verfüge dabei über ein untrügliches Aftenmaterial: die Selbst gespräche des Fürsten Hohenlohe. Denn man muß

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Bei Tisch hatte sie reichlich Gelegenheit, ihn zu beobachten.