Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 218

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Freitag, den 9. November.

( Nachdruck verboten.)

Muter Wolken.

Roman von Kurt Aram .

1900

Ich hab's auch lange nicht glauben wollen. Ein Dichter muß doch etwas Höheres sein, als ein andrer Mensch, nicht wahr? Damit ist's Essig, sag' ich Ihnen, der ich mit hundert Dichtern verkehrt habe. Schafstöpfe, komplette Esel sind nur zu viele unter ihnen, sowie das Gespräch über Litteratur­flatsch, Verse schmieden, Romane schreiben, Novellen fabri­zieren hinausgeht."

,, Das glaube ich nicht!"

,, Das glaub' ich Ihnen. Ich weiß es aber. Ich gestehe offen, daß ich geheult habe, was nicht zu nicinen Eigenheiten gehört, als ich's wußte, wissen mußte. Wo ist denn ein Vates, ein Prophet unter ihnen? Nennen Sie mir ihn doch!?" Magda schwieg.

Ich hatte Glück," fuhr Schäfer fort. In dem Jahr, als ich mein Eranten machen sollte, starben Onkel und Tante. Celbst das Schicksal hat nie übermäßig viel von mir ge­halten, sonst hätte es mir das Leben nicht so bequemt gemacht. Nur den Großen gönnt es Not und Elend. Ich kam in den Besitz eines ganz hübschen Vermögens, von dem ich leidlich leben kann. Ich hätte ja nun recht zufrieden sein können Wenn ein Zuckerbäcker eine genießbare Torte macht, ist und mich meines Lebens freuen, wie man so sagt. Aber das auch eine Kunst. Wenn ein Dichter von heute ein ge­dazu hatte ich doch, wie ich mir sogar heute noch einbilde, nießbares Gedicht macht, ist das ebenfalls eine Kunst. Viel­ein klein bißchen zu viel Talent. Mir geht's mit dem Talent, leicht wenigstens, obgleich es der Zuckerbäcker schwerer hat. wie den kleinen Leuten mit dem Geld: Zum Leben zu wenig, Leider aber sind beides sehr vergängliche, unzulängliche Künste. zum Sterben zu viel. Eine schauderhaft armselige Existenz! Man verzehrt sie, die Torte wie das moderne Dichterwerk,

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Zehn Jahre sind's min her, daß ich erbte. Damals war und greift dann, weil man nur hungriger geworden ist, ich jung und hoffte noch viel von mir. Das ist vorbei. Im zurück zu Brot und Fleisch, Schiller und Goethe, Kleist und großen und ganzen wenigstens. Nur wenn mich einmal Hebbel ."

gerade ein nener lan packt, wie jetzt der mit demi socialen Wie leid es ihr that!

Noman, dann kommt für ein paar Wochen die alte Jugend- In allem ist's immer wie hier im Augenblick." Er eselei wieder über mich, daß ich mir einbilde, ich verniöchte deutete nach oben. Unter Wolfen! Keine Sonne!... doch noch was. Es legt sich aber bald." O Sonne!!"

Schäfer fühlte, wie teilnehmend Magdas Herz an seinen Wie sie sich aber zugleich freute, daß er so offen zu ihr zute, daß rechten Arm schlug. Das that ihm wohl. Und auch, daß sie sprach, so vertraulich. schwieg und feine Einwände machte. Sie beschloß. Gleiches mit Gleichem zu vergelten, ihm nun auch ihre Nöte zu klagen. Aber als sie gerade anheben wollte, pfiff es hinter ihnen so schrill und durchdringend, daß beide heftig zusammenschraten.

Aha, Otto. Den hatt' ich glücklich wieder' mal ver­

Er fuhr nach einer Weile fort:" Ich habe ja min einiges geschrieben. Es ist nicht schlecht genug, um heutzutage berühmt zit werden, etwa wie Blumenthal und sein Weißes Rößl". Aber es ist auch nicht gut genug, daß ich mich trösten könnte, dreißig Jahre nach deinem Tod wirst du bei Reklam er- gessen." scheinen und dann gewürdigt werden. Diesen Trost hatten Magda zog hastig ihren Arm aus dem Schäfers, als wenigstens die Großen. Das heißt, wir Kleinen meinen das, denn in Wahrheit war das wohl nicht zum wenigsten ihre Größe, daß sie auch daran nicht dachten. Das thun doch nur wir Kleinen."

Nach kurzer Pause meinte er: Schen Sie, ich bin noch nicht mal dazu gekommen, hier die Wirtshäuser anzusehen, obgleich ich ganz gut, weiß, daß ich das muß, um einen wirt lichen Einblick in die hiesigen Verhältnisse zu erlangen. Aber ich thu's doch nicht. Ich mag garnicht. Warum? Höchst ein fach, weil ich Sie dahin nicht gut mitnehmen kann."

Magda errötete. Lag darin nicht ein Geständnis; daß er sie wirklich gut leiden konnte?

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würde sie bei einem Unrecht ertappt. Sie gingen auch noch ruhig ein paar Schritte weiter, ohne sich umzusehen, als hätten sie gar nichts gehört. Dabei traten sie immer mehr von einander fort. Erst, als sie fast den ganzen Weg zwischen sich hatten, sahen sie sich um. Jawohl, da kam er, und zwar mit dem Jagdwagen. Otto futschierte selbst. Hoch aufgerichtet stand er auf dem Bock, die Zügel locker, pfiff die Pferde an zu tollem Rennen und jodelte dann wieder in den kahlen Wald. So braust das Leben durch das Reich des Todes.

Wie es den Hügel hinan ging! Wie sich die Pferde des tollen Jagens freuten!

Otto fonnte sie nicht sofort zum Stehen bringen und raste an den beiden vorbei.

Wie seine Augen blitzten! Ein ander Material als das, aus dem ich zusammengestöpselt bin, dachte Schäfer. Schnell, schnell!" rief Otto, als die Tiere endlich standen. Daß mir die Pferde nicht falt werden!"

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So was hätte Hebbel nie gethan!" sagte er und lachte sofort über dies komische Diktum. Auch eine Frau wie Sie Fast neidisch folgten ihm Schäfers Blicke. Wie der hatte ihn schwerlich dahin gebracht, daß er darüber seine Kerl strotte vor Gesundheit! Otto hatte feine Jagdjoppe Kunst und die Verpflichtungen ihr gegenüber vergessen hätte." an, die seiner Gestalt nur vorteilhaft war. Auf dem träf­ Sie übertreiben, Sie sehen zu schwarz!" si stigen, dichten, dunklen Haar, teck in den Nacken den grünen Ganz und gar nicht!! Es ist alles sogar noch viel Jägerhut.de sal jämmerlicher, als ich's ausspreche. So vor zehn Jahren, da meinte ich auch noch, ein Litterat, ein Dichter, das sei Wunder was auch noch heutzutage. Haha, auch davon bin ich längst furiert. Unfre Litteraten sind keinesfalls mehr Wunder was. Es war wohl eine meiner schmerzlichsten Erkenntnisse, als ich einschen mußte, daß heutzutage dichten ein Beruf ist, wie irgend ein andrer. Ein Dichter von heute betreibt sein Hand­werk- nur ganz wenige Ausnahmen giebt's wie irgend cin andrer Mensch; und im Grunde ist's ganz egal, ob ich die Jugend lehre. Recht spreche, Beine abschneide, Bäume Gut, daß ich Euch noch eingeholt habe, denn auf dem pflanze, Predigten halte, Refruten ererciere, Stiefel flicke Forsthaus fehlt es sicher nicht an Gesellschaft aus dem oder dichte. Ein Unterschied ist freilich. Daß es nämlich Städtchen. Die Leutchen würden nicht übel Augen machen, immer noch verhältnismäßig viel Lehrer, Juristen, Schuster wenn sie Euch so ohne mich daherspazieren sehen! Das und dergleichen giebt, die in ihrem Beruf was leisten. In gönn' ich ihnen nicht." meinem Beruf ist das viel feltener."

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Wie feft ihr Arm in dem seinen lag. Wie teilnehmend ihr Herz pochte!

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Wie einer Talent hat zur Mathematik, so hat einer heut zutage Talent zum dichten. Nur daß der lektere sich noch mehr darauf einbildet, obgleich die Mathematiker gerade darin auch schon was leisten. Im übrigen können sie alle beide außer in der Mathematik und im Dichten die größten Hohlköpfe sein. Schaum Sie nur so ungläubig. Frau Magda, es ist doch so!

Als die beiden im offenen Wagen saßen, dicke Pelze über den Knieen, meinte er: Jetzt wollen wir gemächlich traben lassen, wie sich's für Euch beide schickt. Daß Ihr mir nicht noch aus dem Leim geht!"

Nein, diese freche, unangenehme Art!

Magda erschrat. Daran hatte sie gar nicht gedacht. Aber gewiß hatte Otto recht. Solchen Tag ließen sich diese Leute auch nicht entgehen. Mein Gott, sie hatte wahrhaftig diese Menschen in diesen Tagen ganz vergessen.

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Jm Forsthaus befanden sich in der That schon die Frau Oberförster, Frau Amtsrichter Blau, Frau Doktor Schreiber mit ihrem Fienchen, Frau Realschul - Direktor Walter und ihr Hihilieschen, sowie Oberförsters Bettchen.