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bitten.

Auch die Männer wurden ertvartet. Sie hatten ver- von den Gerüchten, die durch die Stadt schwirrten. Das sprochen nachzukommen, sobald es der Dienst erlaube. sah man ihr gleich an. Man war ganz besonders freundlich Während Fienchen, Bettchen und Lieschen sich im Tannen- zu der schönen Frau, als hätte man ihr ein Unrecht abzu­wäldchen ergingen, das nach Norden zu das Forsthaus schütte, da es allen Winden ausgesetzt auf der kahlen Spize eines fleines Berges lag, waren die Damen im eifrigen Gespräch über Amtsrichter Roth.

Es sollte ihm vor kurzem ein Malheur passiert sein, wurde überall im Städtchen gemunkelt. Ein junges Mädchen, das als Zeugin vernommen wurde, hatte ihm gar zu gut ge­fallen. Er sollte es mit auf sein Amtszimmer genommen haben unter dem Vorgeben, er müsse das Mädchen noch ganz speciell auf die Heiligkeit des Eides aufmerksam machen. Da habe er denn einen Angriss auf des Mädchens Tugend gemacht, den diese aber siegreich abgeschlagen. So wurde wenigstens allgemein erzählt.

Die Damen hatten die ersten Nachrichten von ihren Dienst­boten, die furchtbare Einzelheiten zu berichten wußten.

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Sie wußte wirklich nichts und war sehr erfreut über die große Liebenswürdigkeit, mit der sie aufgenommen wurde. Wissen Sie denn auch schon das Neueste?" hub Frau Walter an, als die Damen wieder saßen. Die Damen schüttelten verneinend und erwartungsvoll zugleich den Kopf.

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Was meine Katharina ist, die hat mir ganz sonderbare Sachen erzählt von Direktors und Frau Magda. Ach, was Sie sagen?!"

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" Jawohl, fehr merkwürdige Sachen. Meine Katharina weiß nämlich bei Direktors gut Bescheid. Denn warum? Bei Direktors dient ein Mädchen, das aus demselben Dorf ist wie meine Katharina. Die hat erzählt, daß Direktors schon seit acht Tagen Besuch haben.

Der Vater des Mädchens sollte die Sache bei der Staats­anwaltschaft angezeigt haben. Roth hätte vor dem Vater auf den Knien gelegen und ihm zehntausend Mark geboten, wenn man shund er schweige. Kurz, es war nicht nur eine unsittliche, sondern

( Fortsetzung folgt.)

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bi blind und

auch eine höchst dramatische Erzählung, die die Dienstboten Aus der musikalischen Woche.

ihren Herrinnen in die gespitzten Ohren raunten.

Man paßte daraufhin sehr auf, wie der Amtsrichter Ueber die Vorherrschaft des Klaviers in unsrer modernen Mufik Blau sich seinem Kollegen gegenüber verhalten würde, denn ist mit Recht und freilich auch ohne wesentlichen Erfolg viel geklagt man wußte, daß Blau sehr sittlich" war. Die eine Dame worden. Unter den Gründen dieser Klagen steht wohl obenan der hatte nun zwar gesehen, daß Blau den Amtsrichter Roth von dem seelenlosen und nach dem Anschlag kaum mehr selbständig gestern auf der Straße nur höchst förmlich gegrüßt, ohne mit zu beherrschenden Ton des Klaviers. Dieser Wangel fällt natürlich ihm zu reden, was ja entschieden für die Wahrheit der am ehesten dann auf, wenn das Klavier im Verein mit Streich­Dienstboten- Erzählungen sprach. Aber die Frau Oberförster dem bernht ein beträchtlicher Teil seiner Verivendung und Beliebtheit versicherte, sie habe die beiden ebenfalls gestern höchst in der Begleitung zum Gefang. Seit das begleitete Sololied aus eifrig und vertraut im Gespräch mit einander bemerkt. Der feinent früheren Dunkel, mit dem es fast lediglich in der soförmliche" Gruß konnte also gerade so gut auf einen Zu- Dilettantenwelt lebte, Heranstrat an die fünstlerische Oeffent fall beruhen. lichkeit und hier vollweitig wurde, d. i. seit dem Wirken Schuberts, ist denn auch das Klavier sein ständiger Begleiter. Nur verhältnismäßig felten wird jezt die feelenvollere und zur Menschenstimme passendere Begleitung durch Streich oder Blase inftrumente oder durch volles Orchester gewählt, und wenig vermögent die Rufe der Musikfreunde nach einer bevorzugten Pflege dieser Art von Tonkunst, die doch im 18. Jahrhundert wenigstens in der Form der Cantaten ziemlich beliebt war. Um so erfreulicher fonnten wir sein, als uns die letzte Woche doch ein oder das andre neuere Beispiel von solcher Art bracyte.

Die Damen hatten sich zwar hinter ihre Männer gesteckt, aber die lachten sie aus. Doch man weiß ja, wie in solchen Fällen die Männer immer zusammenhalten. Ihr Lachen be­wies auch nichts. In Jm Tagblatt" erschienen zwei lange Artikel über Ver­leumden und böses Nachreden. Wie unrecht das sei und wie gefährlich zugleich, da sich der Verleumder der gerichtlichen Verfolgung aussetze, wenn man ihn erwische. Der Besitzer der Zeitung wußte also auch um das Gerücht, doch schien er es nicht für berechtigt zu halten. Aber auch das bewies nichts, denn der Amtsrichter Roth und der Zeitungsbefizer waren gute Freunde.

Es war wirklich empörend, daß man nicht hinter die Wahrheit kommen konnte. Schließlich sagte die Frau Ober­förster:" Ich meine, man denkt von seinem Nebenmenschen das Gute, so lange es irgend geht, so lange das Gegenteil nicht bewiesen ist."

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Im Mittelpunkt stand hier eine neue Komposition von Felig Draeseke, aufgeführt durch den Berliner Lehrer- Gejang­Ey verein unter Professor Felix betitelt: Columbus, Cantate für Soli, Männerchor und Orchester"( op. 52). Professor Draefete, Lehrer theoretischer Fächer am Konservatorium in Dresden , nimmt in unirer Mufitpflege wohl nicht den Rang ein, der ihm nach mancher Stennermeinung gebührt. Er stand in deir lischen Reform 50 er und 60er Jahren lebhaft in der nem bewegung, gilt aber seit längerem als ein eher den Klassikern Nach­strebender. Sein Columbus" ist getragen durch einen vom Kom Aber selbstverständlich, beeilten sich die andren zu ver- ponisten selbst gedichteten Text, der, ohne nach etwas specifisch Modernem zu streben, doch gut und namentlich klangvoll gemacht ist. sichern. Wian spräche überhaupt nur deshalb über die An- Columbus ersehnt auf seinem Schiff die endliche Entdeckung von gelegenheit, um durch gegenseitige Aussprache wenn möglich Land; die Seeleute sind erst niedergedrückt, dann unwillig und end­Sahin zu gelangen, daß man solch ekelhaften Gerüchten lich so empört, daß sie den Führer fesseln und ihn ertränken wollen. mit aller Energie entgegentreten könne. Im Ernst dächte Da ertönt die Schiffspfeife und allmälig deutlicher der Ruf Land!" gar niemand daran, dem Amitsrichter Roth derlei zuzu- und nach allgemeinem Schweigen verwandelt sich die Menterei in trauen. In one m9 Instald mod sist stak

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,, Und wenn auchy," erklärte Frau Walter resolut. Die Hauptsache ist, daß nichts publik wird. Mag er thun, was er will; solange es nicht publik wird, bleibt er ein anständiger Mensch in den Augen jedes Gebildeten." Auf das gebildet legte Frau Walter großen Nachdruck.

Frau Amtsrichter Blau lächelte spöttisch. Meggerstöchter­bildung, dachte sie, schwieg aber still, da die andren Damen Frau Walter beifällig zunickten. Dem Thema war im Augen­blic offenbar teine interessante Seite abzugewinnen.

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Huldigung. Den wechselvollen Momenten dieser ganzen Begebenheit schließt sich nun die Mufit in charakteristischer, aber feineswegs modern naturalistischer Weise an; reich an Gehalt, verzichtet sie doch auf ge= wohntes Melodienwerk und geht einen gut epischen Gang weiter bis zum Schlußgesang, der doch wohl nicht über eine unbedeutende Mufitkonvention hinauskommt. Soloftininen sind hier zwei: neben Columbus sein Sohn Diego, dessen Bedeutung in der gesamten Schöpfung allerdings mehr die einer leberflüssigkeit als einer Un­entbehrlichkeit ist. Fürchtete der Komponist. ohne Frauenstimme ermattend zu wirken? Herr Arthur van Eweyt, jetzt jeden= falls einer der ersten Oratoriensänger, sang den Columbus und Frl. Gertrud Runge den Diego. Daß die Gesamtleistung sehr an deren Pläge so erkennenswert war, bedarf bei diesen Konzerten begehrt sind, daß ich lange vorher nur mehr einen letzten Siz erringen fonnte gar nicht erst einer Erwähnung. Weniger Größe Einige deuteten das im stillen zu Gunsten des Amts- und mehr freundlichen Reiz enthielt eine andre Sang- und richters, andre aber dachten, sie schweigt nur der Kollegschaft Orchesterkomposition: Thauwetter, für Männerchor und wegen. Diese haften recht, denn Frau Blau wußte in der Orchester" von Otto Taubmann ( Gedicht von Th. Hoffe­Sie strebt nach darstellender Straft, erhebt fich That, daß dem Kollegen ihres Manns derlei passiert, aber richter). die Sache war unterdrückt worden, damit also erledigt. Nun jedoch in der programmmusikalischen Schilderung nicht weit über hatte ihrer Meinung nach niemand mehr das Recht, noch beim alten Dittersdorf findet. Gegen Ende nimmt die Kompofition das Maß von Darstellungs- Charakteristik, das sich etwa schon weiter darüber zu reden. Daß das im Grunde auch Metzgers- eine gewisse Mächtigkeit an, die aber den Eindruck macht, als stehe töchter- Moral war, kam ihr nicht in den Sinn. fie nicht im rechten Verhältnis zu dem uns dargebotenen künstleris ichen Gehalt. Doch jedenfalls würde sich das öftere Vorführen auch dieses Werts entschieden lohnen. Im selben Konzert jang

Man hatte zwar gehofft, Frau Amitsrichter Blau würde etwas sagen und wüßte mehr. Sie war aber nicht aus ihrem Schweigen herauszubringen. in

Nun tam Frau Amtsrichter Roth in Begleitung der Frau Chemiker Weber. Gott sei Dank! Sie schien nichts zu wissen

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