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November fimmung im Dogelleben.

D.

Der große Cheim des dritten Napoleon verstand fich auf das mord noch gedeiht; aber aus einem unglücklichen Krieg einen ers Lügen in seinen Kriegsbulletins auch gar nicht schlecht; auf die von folgreichen machen, ein solch imposantes Lügengebäude haben ihm gehandhabte Praxis führt fich die französische   Nebensart zurück: wenigstens im Abendlande wohl mur römische Imperatoren fertig mentir comme un bulletin", ligen wie ein Bulletin. Zwar, so lange gebracht; ihnen gebührt also die Palme als größten Meistern der er von Erfolg zu Erfolg eilte, hatte Napoleon I.   teine Veranlassung zu Kriegsläge. sehr schweren Entstellungen der Thatsachen; es blieb bei vergrößernden Ausschmückungen und bei Herabsegungen der eignen Verlustziffer, Ueberschätzung derjenigen des Feinds. Wirklich grob trieb er es zum erstenmal im Jahre 1809, als er durch Erzherzog Karl   bei Aspern  feine erste Niederlage erlitt, was ihn aber gar nicht hinderte, in dem Bulletin sich einen glänzenden Sieg zuzuschreiben. Seinen Verlust gab er bei dieser Gelegenheit auf 1100 Tote und 3000 Verwundete an, während er in Wirklichkeit einige 30 000 betrug. Die stärkste Verschweigung der vollen Wahrheit, die Napoleon   fich hat zu Schulden kommen lassen, ist fein Bericht über den Rückgang der großen Armee von Moskau  , das berühmte 29. Bulletin, datiert vom 3. Dezember 1812 aus Molodetsamo. Neben einer Masse von Details über die Richtung, die der Rückzug genommen, und zahlreichen noch dazu meist nls Siegen dar­gestellten Zusammenstößen mit dem Feinde hören wir wohl, daß infolge des strengen Winters die Reiterci fast sämtliche Pferde berloren hat, daß ein großer Teil der Geschüße und des Trains zurückgeblieben ist, dagegen wird nicht mit einem Wort auf die that sächliche Vernichtung der großen Armee hingewiefen, sondern in Bezug auf Menschenverluste erfährt man bloß, cine Anzahl Nach zügler ſeien in die Hände der Ruſſen gefallen, und als etwas ganz besonders Bedauerliches wird die Gefangennahme einer Brigade hingestellt: als wenn diefer Unglücksfall etwas Bereinzeltes gewesen wäre; furz, die Absicht der Täuschung ist unverkennbar. Etwas unendlich Abstoßendes hat der Schlußsaß, den der Imperator seiner Hiobspost gegeben: Die Gesundheit seiner Majestät ist nie besser getvesen"; wie zum Hohn all des Jammers!

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Eins muß man übrigens Napoleon   zu gute fommen laffen, daß nämlich seine Gegner es durchaus nicht genauer mit der Wahrheit nehmen, als er selber. Er log gewiß, weim er nach einem Sieg bei Borodino behauptete, die russische Armee sei vernichtet, aber der russische Feldherr Kutufow log noch ärger, wenn er sich den Sieg zuschrieb und Dankfeste feiern ließ. Napoleons   Siegesbulletin über die Schlacht bei Großgörschen  ( 2. Mai 1813) war gewiß mit über treibenden Lügen geipidt, aber die Preußen logen erst recht, wenn fie ganz ungeniert amtlich den Sieg für sich in Anspruch nahmen und ihren Rückzug leugneteit.

Düstere Wolfenschichten umrahmen min wieder den Horizont; öde und leer erscheinen die Fluren dem Wanderer auf seinen Gängen. Wohl haftet noch an der Eiche zähes Laub; aber vom Sturme zer­zaust und welt gemacht, spiegelt der Anblick des Laubwalds nur das Bild haftenden Werfalls wieder. Auch die Nadelhölzer, obwohl ihres Schmucks nimmer bar, stimmen mit ihrem nun in allen Trieben gleichmäßigen, gesättigten Schwarzgrün zur allgemeinen Spätherbst­stimmung. Noch öder als der Wald breiten sich die Feldflächen ans. Am Naine mur heben sich noch einzelne Spätblütler. Schafgarbe. und Feldkamille, Cichorie und Wucherblume, wohlthuend ab von dem schon grangrünen Rasen. Nicht ganz so arm ist das Tier­leben bedacht, trotz der vorgerückten Jahreszeit. Fröhliches Treiben und Jagen herrscht überall in Flur und Hag; besonders aber dem Ornithologen bietet der Windmonat vieles Augiehende. Die Bugzeit bringt nincherlei Gäfte aus nördlichen Klimaten in unsere Gelände, teils vorübergehend, teils zur Winterherberge. Mit ihnen im Berein entfalten die nus treu gebliebenen Scharen der Strich- und Stand­vögel ein Bild, wie es von Mineleben und Gesang abgesehen das Frühjahr oft nicht besser zu bieten vermag.

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Am dornigen Feldgebüsch erhebt sich ein schöner Vogel bei unfrem Naben; in der Färbung ähnelt er der weißen Bachstelze. Doch bald erkennt man an dem gedrungenen Gliederbau, sowie an seinem Gebahren, über freiem Felde zeitweilig im Fluge inne zu halten und über einem Punkte zu schweben, einen zu einer andren Sippe der Sperlingsvögel gehörigen Vertreter. Es ist der graue oder Naubwürger, der jetzt auffälliger ist als zur Sommer zeit. Steinere Vögel, namentlich Sperlinge und Ammer, aber auch Feldmäuse machen seine Hauptmahlzeit aus. Dieser Würger ift neuerdings recht selten geworden; am ehesten gewahrt man ihn auf den Drähten des Telegraphen, auf denen er sich gern niederläßt und nach Naub ausspäht. Auch die durchweg schädliche Elster verringert sich in ihrer Anzahl von Jahr zu Jahr; ihr auffälliges Gefieder fann fie der Verfolgung der Schießberechtigten und oft auch der Schießberüchtigten zu wenig entziehen, wozu noch ihr übers Freie etwas unsicherer Flug sich gesellt.

Das sind ja mun alles recht hübsche Leistungen von Lügen; sie werden aber in den Schatten gestellt durch ein paar geradezu gigantische Schwindel ans der frömischen Kaiserzeit, die nicht zu glauben wären, wenn sie nicht völlig einwandsfrei bezeugt wären. Den einen unternahm im Jahre 39 n. Chr. der damals wohl Im Gegensaße zur eben erwähnten Thatsache stehen die eigents schon mehr als halbverrückte Kaiser Caligula  . Er beschloß lichen Räuber, welche die Wintermonate hindurch bei uns herbergen. einen Kriegszug gegen die Briten. Als er an der französi Hauptsächlich ist des pfeilschnell dahinschießenden Sperbers oder schen Küste des Kanals angelangt ivar, erschien ein Finkenbabichts zu gedenken, des relativ gewöhnlichsten deutschen bon seinem Water vertriebener britischer Häuptlingssohn im Falken. Er ist der Schrecken aller Kleinvögel und lichtet namentlich Lager und flchte Caligulas Schutz an. Schleunigst meldete der die Scharen der Sperlinge, welche er als Soft allem andern Getier Kaiser   dem Senat nach Rom, Britannien   habe sich unterworfen. vorzieht. Scine Dreistigfeit geht so weit, daß er zuweilen bei Ver­Darauf ließ er die Legionen am Strand Muscheln sammeln und mit folgung seiner Beute in allerhand fritische Lagen gerät. Auch die nehmen als eine dem Occan entriffene Beute". Nachher fireifte er Feinde des Hausgeflügels ziehen bei eintretender Kälte mehr und an die Ufer des Rheins, ohne irgendwelche Striegsthaten zu ver- mehr in die Nähe menschlicher Behausung. Als solche seien erwähnt richten, ließ eine Anzahl Gallier als germanische Gefangene ver- Wanderfalfe und Hühnerhabicht; beide Arten sind jedoch nenerdings fleiden und hielt an seinem Geburtstage im Jahre 40 einen so selten geworden, daß der von ihnen verursachte Schaden im triumphierenden Einzug in Rom   als Sieger über Briten   und Vergleich zu demjenigen mancher Raub- Säugetiere gar nicht ins Ge Deutsche. wicht fällt.

In noch ehrenvollerer Weise erwarb Kaifer Domitian sich den Sieges- Sobald die Stürme des Novembers, von falten Regen- und den Torbeer. Zunächst zwar wiederholte er mir die Komödie des Caligula. erften Schneefällen begleitet, das Land durchbraufen, ziehen zahl­Von einem Feldzug gegen die Chatten im Jahre 84 fehrte er als reiche Kräbenzüge ein und durch; dieselben werden von der eins Triumphator heim und erhielt den Beinamen Germanicus  ; förmig schwarzgefiederten Saatlrähe gebildet. In der Regel ziehen mit welchem Recht, ersehen wir aus einer Venierkung des Tacitus  : diefe Vögel in munterbrochenen, aber nur lose gegliederten Linien Domitian   war sich bewußt, daß jüngst der falsche Triumph über dahin, bei florem Wetter höheren Kurs als bei stürmischem Germanien zum Gelächter geworden sei, da man Leute aufgekauft nehmend. Außer Raub und Krähenvögeln verschiedener Art und ihnen durch Veränderung der Kleider und Haare das Aussehen charakterisieren im November Fringilliden unsre Landschaft. Gemäß von Gefangenen gegeben." Er unternahm also einen Feldzug gegen dem Abwechselung liebenden Charakter dieser Gattung finden die Dacier im heutigen Rumänien  , hatte aber das Pech, daß seine wir deren nteifte Mitglieder im wechfelvollen Hügellande. Generäle von den Daciern jämmerlich verhanen wurden. De- und Jn vielköpfigen Zügen besucht die kleineren Feld- und Ufer­wehmütig bettelte der Kaiser um Frieden, der ihm auch be- gehölze zur Zeit seiner Ankunft der hochnordische Bergfint, der willigt wurde, freilich gegen Zahlung eines jährlichen Tributs, Vertreter unires bekannten Edelfinken im hohen Norden. 8mm Stelling von Arbeitern und Künstlern und so weiter. Der Aus- Winter hin verziehen sich diese Züge nach solchen ausgedehnten gang war also sonnentlar, wodurch sich aber Domitian   keineswegs Gebirgswaldungen, deren Hölzer eine reichliche Samenernte erlangt abhalten ließ, im Siegerfranz fich in Rom   einzufinden. 90 n. Chr. haben. Früher wurden Herde auf diesen Vogel gestellt, welcher triumphierte der Kaiser über die Dacier, kostbare Gefäße, teils aus gleich den Lerchen als Delikatesse verspeist wurde. Den Bergfinken­dem faiserlichen Haushalt, teils den Bundesgenossen geraubt, zügen beigefellt treffen wir hier und da einen andren Finkenvogel figurierten in dem Bug als angebliche dacische Bente, und in allen an, den gelbschnäbeligen Berghänfling, weder durch Zeichnung noch großen Städten ließ sich der Kaiser   Denkmäler jegen. In der Er- Gesang so ausgezeichnet, als der allbekannte Hänfling. Letztere Art innerung daran sagt der jüngere Plinius   in seiner Lobrede auf streicht jeßt, zu größeren Verbänden vereinigt, von Flur zu Flur Kaiser Trajan:" Jetzt kaufen wir die Geifeln nicht mehr, sondern nach Nahrung; Sämereien der mancherlei Doldengewächse und land­nehmen fie in Empfang; jetzt schließen wir nicht mehr mit großen wirtschaftlichen Unfräuter find noch in Hülle und Fülle vorhanden. Verlusten und unermeßlichen Geschenken Verträge, um den Schein zu Längs der mit Erlen und Birken bestandenen Fluß- und Bach­haben, als hätten wir gefiegt." ufer stellt sich fast in jedem Herbste eine auch nordische Hänflingsart Das möchte denn in der That wohl die Höhe des Erreichbaren ein, der Leinfink oder Birkenzeisig. Die älteren Systematiker stellen darstellen. Dem Publikum Sand in die Augen streuen durch ihn in die Gruppe der Zeisige; seinem Treiben nach erinnert er auch Thatsachenverdrehung, durch Ziffernschwindel, durch Umdichten einer mehr an diese, während Haltung und Zeichnung ihn den sogenannten einzelnen Niederlage in einen Sieg, das fann schließlich jeder, das Hanffinken näherbringen. Der Leinfint ist ein reizendes Vögelchen ist von jeher mit leidlicher Fertigkeit getrieben worden und wird von zierlichem Gebahren; beim Männchen prangen Kopfplatte und auch wohl weiter getrieben werden, so lange der organisierte Massen- 1 Brust in zartem Rosenrot, beim Weibchen nur erstere. In der