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Schaut her, Leute," rief der Bettler, für den reicht's nicht ' mal zur Lage, und der andre hat sich schon ein Denkmal aus Marmor machen lassen, als er noch gar nicht an den Tod gedacht hat... Oh du Gerechtigkeit!"

In demselben Augenblick kam Kladka atemlos zurüd, er fah noch magerer aus als früher und der Rock war sorgfältig bis oben hinauf zugeknöpft. Num?"

Vierzig Kreuzer hab ich bekommen." Wenig!"

Hab' taum das erbettelt."

Was machen wir jett? Neum Kreuzer fehlen noch."

Der älteste von den Friedhofsbettlern erfuhr eben von ihrem Mißgeschick und erging fich in Klagen und Mitleidsbezeugungen, der ganze Groll über den reichen Geizhals flang noch mit an. Ja freilich fein Kreuzer wird einem geschenkt.... Wenn alle Neichen solche Almosen geben würden, wie der da, ja freilich, dann würde es nicht einmal mehr lohnen, Friedhofsbettler zu sein."

Die beiden Freunde kragten noch vier Kreuzer zusammen. Ihr Kutscher hatte sie aus dem Knoten seines Taschentuchs heraus­gewickelt, es waren die legten, die er hatte und fie mußten dreimal bei ihrer Seele Seligkeit beschwören, daß fie sie wiedergeben würden. Aber fünf fehlten noch.

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war, wo die fleinen Lente und die Bauern immer das Totenmahl| eigentlicher Sinn Liebesgefang zwischen einem Hirten und einer feierten. Er wollte feine Wefte versezen. Aver schließlich erzählte für des Königs Harem begehrten Hirtin von firchlicher und zwar er dem Bettler doch die ganze Geschichte. auch lutherischer Seite verkehrt worden in den Sinn der Liebe Christi als des Bräutigams zur Kirche als der Braut. Wie gewaltthätig da durch jenes ganz unzweideutig sprechende Kunstwerk verzerrt wird, zeigt fast jeder von seinen Säßen. Auf diese Grund­lage nun auch noch eine musikalische Kompofition zu bauen ist allers dings ein starkes Stück. Enrico Marca Bossi, geboren 1861, Lehrer des Orgelspiels und der Theorie am Konservatorium in Neapel , Komponist verschiedener Werke, namentlich für die Orgel, doch auch einer Oper, hat das Canticum canticorum " als Biblische Cantate in drei Abteilungen" vertont. Der Text ist eine Berkürzung der 8 Kapitel des Originals, in dem Latein der Bibel, und liegt uns in einer deutschen Uebersezung vor, die den lateinischen Titel als Das hohe Lied" wiedergiebt. Erschwert nun schon die ursprüngliche Fassung, insbesondre durch den Verzicht auf einen geraden epischen Schritt, das Verständnis, so ist dieses in der neuen Fassung erst recht nicht erleichtert, sei es, daß man das Ganze seinem wahren Sinne nach deutet, sei es, daß man es firchlich übertragen nimmt. Erst aus der beigegebenen musikalischen Analyse erfährt man, daß ein Fortschreiten zu Höhepunkten hin gemeint ist. Wie wenig entspricht dies doch dem Geist eines musikalisch- dichte­rischen Gesamtwerts, daß im Tert weder eine anschauliche Recht­fertigung gerade eines solchen Fortgangs liegt noch auch eine Klar­heit, die uns bestimmte Vorstellungen erweckte! Einen andren faßbaren Eindruck als den vieler einzelner Schönheiten der Musik kann da das Publikum wohl schwerlich davontragen. Sole Schöne heiten sind allerdings vorhanden. Die Schilderung: Horch! Die Stimme meines Geliebten! Ja, da tommt er, über die Berge, über die Hügel stürmt er daher" usw., der Schluß des zweiten Teils mit dem Sieg des christlichen" Motivs über das hebräische"() und dann im dritten Teil die zarten überirdischen Motive, die der natürlich nicht finnlichen, sondern mystischen"- Vereinigung entgegens führen: das alles würde innerhalb eines widerspruchslosen Ganzen erst recht verdienstlich sein. Daneben stehen freilich auch mancherlei unangenehme Eigenheiten des Einzelnen. So die zum Teil unleid­lichen Wiederholungen; so die lange fortgesetzte Gleichmäßigkeit eines gelinstelt dahinstampfenden Rhythmus. Das Unnatürliche des Ganzen verrät sich in einzelnen besonders an der Liebesscene", mit welcher der erste Teil schließt Unfre Lagerstatt ist von Blumen" usw.): Die Kompofition ist hier so fünstlich gepreßt, wie es bei einer natürlicheren Anlage des Ganzen für einen guten Komponisten nicht wohl hätte sein können, Es muß hier noch einmal auf den einen von den mehreren Wider­sprüchen aufmerksam gemacht werden, die hier zusammenfließen: auf die epische Behandlung eines in der Hauptsache gang eigentlich Ihrischen Dichtwerts. Dazu kommt noch, daß diese Lyrit mit ihrer Sinnenfreudigkeit doch auch geistige Momente enthält, die feineswegs einer Vertonung entgegenkommen. Das sind die steten üppigen Ver­gleiche: z. B. Wie ausgeschüttete Narde ist dein Name", oder als Schluß jener Liebesfcene- Cedern find die Ballen unsres Hauses, Cypressen das Getäfel". Und um das Quallenhafte des Ganzen

Wenn einer von den Bettlern was borgen wollte!" Sag's einem"

Sag' Du's 1"

Sie fanden keinen andren Ausweg und ohne lange zu zögern, fingen fie an, bei den Bettlern zu betteln. Sie bekamen drei Kreuzer auf diese Weise. Der eine Alte schenkte einen Kreuzer, weil er ihm nicht echt vorkam, eine Frau gab einen, weil es sie seit einigen Tagen in der Herzgrube drückte, und fie Angst vor dem Tode hatte, und eine zweite scentte auch einen Kreuzer, weil sie sich von der ersten, die sich jeden Tag mit den Kazen um ihren Biaz vor der Friedhofsthür raufen nuußte, nicht ausstechen lassen wollte.

Blötzlich stellte sich Sladka hinter Malinowsti, so daß jener ihn ganz verdeckte. Er schielte nur vorsichtig über den Arm des Lackierers himveg nach dem breiten Wege in der Mitte des Friedhofs und flüsterte aufgeregt:

Steh ruhig, rühr' Dich nicht!"

Er zupfte aufgeregt und verlegen an feinem Rod herum, als hätte er Angst, daß man den Verlust seiner Weste merken könne. Der andre schaute sich um und begriff sofort die Situation. Aha gosta!" brimmmte er. Aber plößlich fam ihm ein rettender Gedanke. Er padte den Schuster rasch am Arm und sagte lebhaft:

xi Bielleicht giebt fie's."

Es fehlten ja noch zwei Kreuzer, Der Schuster fuhr entsetzt zurück. Aber geb' 1"

"

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Gott verzeih' Dir Deine Sünden, in folch einem Fall!" sagte noch mehr zu erweichen, ist mitten in den Text, an den Schluß des der Freund und hob beide Hände in die Höbe.

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Sprich mir nicht davon!" wehrte sich kladka. Kladta thu's! Es ist ja für Batvigs. Ich würde selbst zu ihr gehen, aber ich tenne fie nicht."

" Ich auch nicht mehr," sagte der Schuster düfter. Dem armen Kerl fielen die Gründe ein, um derentwillen er mit dem Mädchen gebrochen hatte. Er hatte noch vor kurzer Zeit mit ihr verkehrt und ernsthafte Absichten gehabt, aber dann war ihm verschiedenes über fie zu Ohren gekommen und ihre Gegenwart auf dem Friedhof, jezt um diese Zeit im Sonntagskleide mit Ohrringen und Armbändern bestätigte nur, daß sie der ehrlichen Arbeit den Rüden gelehrt hatte. Sie schien durch den Anblick der beiden Freunde sehr verwirrt. Und fie bitten? 1. Nein, niemals!

Aber in demfelben Augenblic fah Kladka den Sarg des Freunds, der noch immer auf dem Wagen vor dem Thore stand, und Bosta, die eben den Friedhof verließ.

Mit ein paar Schritten segte er ihr nach, während Malinowski ihm unschlüssig nachichaute.-

Endlich war die Summe beisammen. Sie wandten sich wieder an den Aufseher, der noch immer in der Nähe stand und ihnen von Beit zu Zeit ungeduldige und wütende Blicke zuwarf. Aber als sie mit Hilfe der Totengräber den Sarg endlich vom Wagen heben durften, stellte sich ihnen ein neues Hindernis entgegen. Der Glödner rief:

" Hel wartet einen Moment, laßt erst die Herrschaften vorüber­gehen!"

Die Teilnehmer des schönen Leichenzugs verließen eben den Friedhof. Man schwazzte laut, drängte sich um die Frauen und rief nach den Wagen.

Aus der musikalischen Woche.

Es find schon viele Köpfe geschüttelt worden über die Be­Handlung des Hohenliebes Salomos", jenes schönheit fingenden lyrischen Intermezzos im Alten Testament . Erstens ftammt es nicht von Salomo sondern aus einer etwas späteren Beit und heißt ursprünglich Lied der Lieder". Zweitens ist sein

atveiten Teils, ein spätlateinischer Hymnus hineingesetzt: Ecce panis Angelorum" usw., mit der syrupartigen Uebersetzung: Du süße Engelspeise" usw.

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einzelnem Können die Frage nach einem fünstlerischen Geschmack Wir haben uns hier länger aufgehalten, weil uns weit über im ganzen steht. Und einem solchen widerspricht eine Leistung wie jene Boffis nun leider durchaus. Man muß sich nur wundern über die Hingabe, mit der ein Komponist sich einer solchen Aufgabe unter­zieht, und mit der Herr Professor Friedrich Gernsheim es unternommen hat, uns das Wert zugänglich zu machen. Von ihm stammt ja wohl das ganze Seftchen mit leberfegung, Einleitung und Analyse, und von ihm ging ersichtlich die Aufführung aus, die uns der Sternsche Gesangberein( jezt im 53. Vereinsjahr stehend) am legten Montag und mit der von uns gehörten Haupt probe- am vorhergehenden Sonntag bereitete. Die Züchtigkeit folcher Störperschaften wohl nicht erst näher zu erwähnen. Am Er­ der Aufführung und der äußere Erfolg sind bei den Veranstaltungen folg hatten diesmal jedenfalls wieder die( zwei) Solisten einen so starten Anteil, daß über den Erfolg der Komposition selbst schwer zu urteilen ist. Auf die Gesangsleistung Herrn searl Scheide mantels ist noch eigens hinzuweisen, da die Stimmbildung dieses Sängers in der That als vorbildlich gelten darf. Borangegangen war der Boffi- Nummer ein Händelsches Konzert für Orgel und Orchester, das auch Freunde Händels über Erivarten befriedigen tomite, wenngleich es, besonders im zweiten, langsamen feiner beiden Säße, bedenkliche Breiten enthält. Aber schon die reiche Stimmen­fülle des Orchesters und die bescheidene Einfülgung der Orgel in diefes machen das Werk zu einem so fein künstlerischen Genuß, wie er nicht bald wieder zu finden sein dürfte.

Schwer wird es, aus den zahlreichen Meineren Soliftenkonzerten, die jetzt zahllos durch die verschiedensten Konzertsäle gehen, eine gerechte Auswahl zu treffen. Dem Zufall muß hier viel mehr ein­geräumt werden als einer überlegten Anreihung der Konzerte nach ihrer Würdigkeit. Bei dem Besuch eines dieser Abende in der Singakademie war weder vorher noch nachher zu wissen, ob andre Besuche sich nicht viel besser gelohnt hätten. Die Klavierspielerin dieses Konzerts, Mabel Seyton, ist wahrscheinlich eine Entel­schülerin" Liszts. Die H- moll- Sonate von diesem erinnerte uns