Anterhaltungsblatt des Vorwäris

Nr. 10.

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Dienstag, den 15. Januar

( Nachdrud verboten.)

Der Kaffl vom Hollerbräu.

Roman von R. von Seydlik.

hi

Der Bräumeiſter trat vor Kastl hinein und bedeutete ihm, die kleine Thüre hinter sich zu schließen. Dann trat er bis an einen der Bottiche, faßte ernsthaft und zärtlich an den Rand derselben, und ließ seine Hand da ruhen, indem er einige Augenblicke vor sich hinbrütete, um sich zu sammeln, denn er sollte den Kastl ins Siedgeschäft einweihen, wofür der Buchhalter ihm etwas Angenehmes in Aussicht gestellt hatte Fürsprache bei einer Gehaltserhöhung oder duldsame Nachsicht bei irgend welchen Nebeneinkünften.

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1901

böhmischen Professors, die der Bräumeister nicht wenig lobte! Die zerbrechlichen Glasröhrchen überhaupt, in Kastls Fäusten; ja, es foftete Schweiß. Und die Arbeit war so anders als feine bisherige. Und aufmerken durfte er, wie ein Hafter­macher; denn da gings auf Minuten zamm" und auf Und Kastl hatte gewähnt, halbe Thermometergrade. je höher man stiege, je tiefer man eingeweiht würde, desto fräftigere Fäuste brauchte man, desto schwerere Lasten gelte es zu heben!

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Die neue Arbeit war törperlich nur in einem Punkt für ihn ermattend: in der langen Dauer. Zwölf Stunden, vom Cinteigen der Schüttung an bis zum Ausschlagen aufs Kühl­schiff! Und immer und ewig das heifle Ablesen am Thermo­meter, und eine fast lächerliche Sorge um halbe Grade und halbe Minuten. Ein Labsal war's ordentlich, wenn er da­zwischen einmal zur Feuerung hinausspringen konnte und Er ließ dem Kastl Zeit, und dieser benützte sie, sich in schüren und schaffen vor der hellbrennenden Glut. dem wunderlichen Raum umzusehen. Oben hantierte der Abends, oder vielmehr nachts, denn es war stets stock Bierfieder, unten in einer der Pfannen, deren Helm gefinster, wenn er zur kurzen Ruhe entlassen war, setzte er sich öffnet war, stat ein Bursch und putte die Pfanne zum nächsten gern abseits in einen Winkel und erfrischte sich, aber dabei Sud aus; in der andren Pfanne aber braufte und zischte bewegte er das Gelernte und Geschehene unabläffig im Stopf; es in gelbbraunen Wellen auf, und der duftende weiße Qualm denn mit dem Zutritt zum eigentlichen Handwerk hatte sein fuhr daraus empor. Oft hüllten die Dunstballen den Kopf Ehrgeiz und fein Eifer einen neuen Stachel gefühlt. Ohne und die Schultern des Bräumeisters ein, daß man nur den dies waren die meisten jüngeren Burschen, die abends eine Leib und die Beine sah. Stunde frei hatten, entiveder um die Küchenmädel herum oder sie hockten zusammen und dischkerierten" in ihrem Wäldlerdialekt. Mit dem fränkischen Buben, besonders seit er unter hohe Protektion geraten war und ihnen nicht mehr diente wie zuerst, hatten sie wenig zu schaffen.

Süß und weich duftete der stärkende Brodem, eine Art bon luftförmigen Brots, das man einatmen kann, statt es zu essen; die Lungen dehnten sich der milden Speise entgegen. In der brütenden Wärme und dem Halbdunkel, unter dem dumpfen Donnern der unsichtbaren Feuerung und dem Aber die Einsamkeit war dem Raftl nicht unangenehm, dauernden Brodeln und Gischten aus der Pfanne, fühlte und besonders seitdem es eine Zweifamkeit wurde. man es unbewußt, daß hier ein geheimnisvolles Werden Eines Morgens nämlich, nachdem er zum hundersten­sich vollzog, dem die beschäftigten Menschen nur überwachend male eine erste und zweite Dickmaische bereiten gesehen und und leitend anwohnen. Denn was sich in jenen Braupfannen das werdende Gebräu unter der Aufsicht des Gestrengen in und Maischgefäßen eigentlich vollzieht, ist und bleibt auch den Läuterbottich hinübergeschöpft hatte, wo es mun der vor heute der Wissenschaft noch ein Rätsel, und aus Formeln geschriebenen dreiviertelstündigen Ruhe" überlassen wurde, und Büchern konstruiert man kein Bier. Millionenmal voll- holte sich Kastl ein Bier an der Schenke und biß in sein Brot, zieht sich die geheimnisvolle Wandlung vor den Augen so während er in seinen offenen Schuhen über den Hof schlappte, vieler Hunderttausende von Brauern, seitdem Jean der Erste um sich einen Sigwinkel zu suchen und unterm Trinken seinen von Niederland den Trank erfunden; die feinsten Ab- Gedanken nachzuhängen. weichungen und Aenderungen, die intimsten Kunstgriffe und Es war etwa zehn Uhr, und drüben in der Küche tochten Kleinften Merkmale hat die reiche Brau- Erfahrung auf- fchou alle Töpfe für die Mittagsmahlzeit. gestapelt, und manchem tüchtigen Brauer vergeht das halbe Leben, bis er die kostbare Erfahrung sich lebendig zu eigen gemacht. Aber warum aus gemaischtem Malz die süße braune Würze wird, das weiß feiner, ebenso wenig, wie der Arzt erklären kann, wie aus Brot und Bier Blut und Fleisch wird. Das ist das Geheimnis des Magens und jenes das der Braupfanne.

Der Bräumeister ging endlich einige Schritte weiter und tehrte dann zu Kastl zurück, der sich auf dem engen Steig um die Bottiche herum durch den heißen Qualm nicht weiter traute, und wies ihm ein fleines Henkelgläschen vor, das er mitbrachte und das voll Bier schien. " Was ist dees?" fragte er. Bier?"

., Schmeck amal!"

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Raftl schmeckte" und sagte:" Ah, dees is süß." ,, Würze", das eine Wort als Erklärung. Dann nach einer Pause, nachdem er durch's Glas gegen das Fenster ge­sehen: Guter Bruch". Und dann wieder, zum Kastl : Wenn gut gemaischt ist, muß die Würze im Glase bald klar werden." Wer Erfahrung hat, sieht daran gleich, ob's nach dem Sieden guten Bruch und Glanz hat oder nicht."

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Er setzte sich in einem offenen Bogen nieder, wo einige Stufen zum Fleischkeller hinabführten. Hier war er ungestört und blickte sinnend um sich. Das alte düstere Gebäude um ragte ihn von allen Seiten. Hinten im zweiten Hof, wo das Sudhaus war, hörte man einiges Geräusch weniger frei lich als heutzutage, denn so viel Maschinen gab's damals noch nicht; ganz weit hinten hänerte ein Schäffler; vorn, durch den Thorbogen, unter dem eine Menge Gäste vor der Sommerhike geborgen ihren Frühschoppen an Slapp­tischen tranken, hörte man den Lärm der Straße. Hier drinnen aber war's fühl; oben leuchtete ein Viereck wunder blauen Himmels hinab; und dort oben flogen zeitweilig Vögel durch die Luft; auch eine blendend weiße Wolfe zog langfam da oben vorüber.

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Weiß nicht warum, aber der Kastl vergaß auf einmal das Kauen und Trinken und erinnerte sich an den schnee­frischen Windhauch der grünen wilden Har. Es war geradezu, als ob er jetzt nicht mehr in München wäre; die far hatte er nicht mehr gesehen seit dem ersten Tage. Das Leben war hier doch etwas gar zu verflirt eintönig. Er wurde melancholisch und pfiff leise vor sich hin.

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Da hörte er eine schöne Weiberstimme aus der schwarzen Tiefe des offenen Vorratskellers tönen, au dessen schwerer Bogenthür der Schlüssel steckte; eine große Holzfugel baumelte vom Schlüsselring.

Und in dieser Weise, sprunghaft und nicht immer ver­ständlich, begann der erfahrene Praktiker seinen Unterricht zu erteilen. Ehe der Tag herum war, hatte der Schüler begriffen, auf was es ankam. Wie's zu machen war, das freilich lernt sich Die Stimme fang lustig und Hallend weiter, und endlich nicht in einem Tag, und die vielen Kunstausdrücke drehten sich fam fie näher, man hörte Tritte auf den vertretenen Stein­zuerst in seinem Schädel in wildem Wirbeltanz. Anschwänzen, stufen, und zuletzt fam ein großer Korb mit Gemüse und -Würzefpiegel, Vormaischer, Pfaffe,- Dickmaischen, einigen abgestochenen Hühnern zuur Vorschein, nebst einer zweierlei, Läutermaische, Hopfenseiher, Oberteig" Hand und einem bloßen Arm, darunter Schürze und Rock Herr Gott, wer sich das alles mierken soll. und ein Fuß im Pantoffel. Und endlich die Sängerin selbst: Und dann das Kreuz mit den zwei Instrumentin", das Ager!! dem ewig angewandten Thermometer und dem so schwer aus- Das Agathl war in der Küche ungefähr auch Haberfelder, zusprechenden Saccharometer, der neuen Erfindung eines denn sie hatte Hühner und Gemüse zu putzen, Fische herzu­

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