Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 12.
Donnerstag, den 17. Januar.m
and in dur Jogand gun of dietis di ( Nachdruck verboten.)
12]
Der Kaffl vom Hollerbräu.
Roman von R. von Seydlik.
Stafil war bereit, die Bedingung einzugehen, aber ließ die Hände nicht los. Der Ringkampf hörte auf, und er behielt den Besitz ihrer Hände, deren Finger sich übrigens, sobald der Gesang aufing, um die seinen legten; während er leise und ummerflich näher und näher rückte.
Ja, fie fing an zu fingen; es schien sogar, daß sie rasch anfing, um die lästige Bedingung ihres Waffenstillstands ihrerseits zu erfüllen; sie dämpfte die Stimme so sehr es möglich war, und der warme melodische Klang war desto füßer.
Wenn Deutsche absolut keinen Grund haben, traurig zu sein, so singen sie zunächst stets die traurigsten Lieder, die sie wissen, die Lorelei oder dergleichen.
Agathe fing demgemäß, und weil sie eine ihr herzlich zugethane Menschenseele neben sich fühlte, das düsterste der Lieder an:
Verlassen verlassen bin i!"
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und Raftl lauschte mit ganzer Seele; zuletzt versuchte er ein paar Töne mitzusingen, aber das gelang ihm sehr daneben
vorbei.
Jetzt bist zufrieden? fragte sie sofort nach dem letzten Ton.
Ein obstinates, breites Naa!" war die Antwort, und es entspann sich wieder ein Wortgefecht, aber die Hände blieben trotz aller Listen, plötzlicher Rude und geheuchelter Schmerzen in seinen Fäusten gefangen. Dabei war sie an seine Schulter zu liegen gekommen, und flüsterte ihr er ins Ohr:
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..Geh, i bitt Di, nur noch eins! Dann laß i Di, weil D' gar so gern vo' mir fortmagst."
Sie fagte nichts, aber sie begann ein neues Lied, in dem viel von einem Wasserfall und von einem verschwundenen Schatz die Rede war.
Jezt war sie ihm so nahe, daß ihre Stirnlocken an seine Wange streiften; sie sang immer leiser, als sänke sie in Halbschlaf. Er rührte sich nicht, nur sein Herz klopfte, daß man's hätte hören können. So blieben sie in völliger Entrücktheit bis zum Ende des Lieds.
Plötzlich aber, mit dem Ausklingen der letzten Note, sprang fie auf, wie ein Kortstöpsel aus der Flasche, riß fich los und sagte: Jet'
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gut Nacht! muß, muß fort!"
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Da sprang auch er auf und schlang die Arme um sie... Sie zerrte und bog sich seitwärts und zurück, und stemmite die kräftigen Hände gegen seine Brust, gegen seinen Hals er aber erzwang in stummer Wut einen hastigen Ruß, der auch troß Finsternis und Ringkampf den rechten Ort traf--
1901
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Ja, der Magen und das Herz waren versorgt. Denn im Frühjahr gerade ein Jahr, nachdem er schüchtern und zaghaft die mystischen Räume des Hollerbräu zum erstenmat betreten, ward der Kastl mit gutem Gehalt fünfundfiebenzig Mark monatlich und sieben Litermarken pro Tag,- als ehrsamer Hinterbursch" angestellt; und was das Herz betrifft, so entwickelte das liebe Agathi eine geradezu phänomenate Fähigkeit, sich vom Kastl , und nur von ihm allein, lieben zu lassen, so daß sein Glück auch in diesem Punkte zu gerechtem Neid Gelegenheit gab.
Man duldete sein Glück, wie man ihn selbst von Anfang geduldet hatte. Aber es war unerhört; und eigentlich ärgerte man sich weniger darüber, daß er Glück hatte, als daß er es war, so ein zugelaufener Bub aus einem ziemlich fremden Land, Franken genannt, wo zwar recht guter Hopfen wächst nächst dem Saazer wohl der beste der Welt; aber ein Land, aus dem noch nie ein Bräubursch nach München gekommen war. Das wurmte die wäldlerischen Kollegen. etwas; aber wie gesagt, sie ertrugen es.
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Das alte deutsche Sprichwort sagt: Hans im Glück wirft auch der Ochse ein Kalb. Wer einmal bei dem verrückten Frauenzimmer Fortuna Hahn im Korbe ist, dem schlägt das unwahrscheinlichste gut aus. So auch mit dem Kaftl.
Denn richtig, wie er sich zum Militär stellen mußte und alle erwarteten, ihn auf ein paar Jahr in blauem Röcklein in eine Kaserne verbannt zu sehen entdeckte der Arzt bei, ihm ein beginnendes Herzleiden, und er kam glatt und flott frant und frei!
Und sonderbar,' s Agatht, die ihn doch mun hätte hart entbehren müssen, war die niedergeschlagenste Seele unterm alten Dach des Hollerbräu an dem Tage. Denn so sind die Weiber: ein schön bunt angezogener Soldat, den man nur Sonntags auf zwei Stunden haben kann, wiegt bei ihnen ein gewöhnliches graues oder braunes Menschenkind bei weitem auf wenn bies lettere auch jenseits des Hofs beim Biersieden beschäftigt ist und man ihn am Tage so und so oft sehen und abends mit ihm schöne Lieder singen kann.
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Ein Rückschlag von ihrer schlecht verhohlenen Betrübnis wars denn auch, was dem Kastl den sonst so fröhlichen Abend etwas verdarb.„ Bin ich denn wirklich herzleidend grübelte er besorgt.
Aber der Oheim, der jetzt erster Buchhalter und die eigentliche Seele des Geschäfts war, tröstete ihn. Er saß mit dem Kastl zusammen und sie feierten den Tag; es war im Ratskeller, ganz hinten, neben dem grünen Ofen, in einem der kleinen Holzverschläge. Kastl hatte eben seiner Besorgnis Ausdruck verliehen; der Oheim aber lächelte boshaft und still für sich hin. Dann nahm er sein Portefeuille aus der Brust tasche, zog einige Hundertmarkscheine hervor, zählte fie be dächtig und mehrmals und schob sie wieder ein; zuleßt sagte
Dann stieß sie ihn lachend von sich und sprang zurück... er gemütlich: schlapp, schlapp, schlappin eiligen Sprüngen war sie um die Mauerecke entschwunden.
So endete Staftis erste Gesangsstunde. Viele, viele, andre folgten, bis der Herbst kam und der stille Hofwinkel falt und unwirtlich wurde. Da saßen sie dann Arm in Arm irgendwo in der Wärme; denn bis dahin wußten es alle Leute im Haus.
III.
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., Met ' Lieber, a Brauer stirbt an Gicht und Rheuma tismus aber an an Herzleiden stirbt nur, wer fauft. Saufst Du gar so viel?"
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,, Daß i net wüßt. Natürli' an Durst .Scho recht. Wer arbeit't, brauchts Löschen mehr wie aner, der daheim am Schreibtisch hocht. Aber' s bekommt ihm a besser. Mach Der ta Sorgen nit. Wenn D' magst, gehn mer morgen zum a Versicherungsdoktor; da hörst glei die Wahrheit."
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Arbeit und Liebe, so lautete Staftis Devise nun für geraume Zeit. Was so gemeinhin als Braubursch in der Und er erhob sein Glas: Prost, Kastl , Du bist Welt lebt, wäre eigentlich damit ganz zufrieden gewesen. g'sund wie nir. Laß Der nix ei'reden. Du hast's Glück und Der Magen war versorgt, das Herz war versorgt,- und Geschick Du sollst mer amal a Mordsfert werden.- bor allem, der Ehrgeiz war versorgt. Denn es fonnte mun Proft!" ja nicht fehlen, bei der mächtigen Protektion aus dem Comptoir: er mußte vom Hinterburschen an durch alle Stadien des Brauerlebens hinaufrücken bis zum Bräumeister.
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Von da freilich geht's nicht so ohne weiteres auf höhere Stufen: denn Talent und Kenntnisse machen einen Menschen wohl zum Bräumeister; aber Geld Geld allein, und zwar sehr viel Geld mehr als Kastl dermalen geträumt hätte, tann einzig den Menschen zum selbstherrlichen Brauerei befizer machen. Und Leute wie der gute Kastl find meist geneigt, zu denken, daß dies Gelb eigues Geld sein müsse;
Dann aber, wie er sich den Bart wischte und eine neue Cigarre anzündete, kam er auf sein altes Thema.
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Sirt, i hab fa Stinder net, i hab niy'n af dera Welt, als wie Di. Na, na, nir danken!- Dees is amat met Narrheit, jeder hat ane.' s is net, weil Du meiner Schwester ihr Sohn bist.' s is nur, weil i halt amal mei Narrheit an Dir g'fress'n hab.- Mi freut's halt. Und damit jud. Und jeg laß mer mei Nuh."
Und er sprang auf etwas andres über, wie um seine Mührung zu verbergen: