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mter dem modernen Leben einhergeht, das alles kann nur der und wie das ernsthaft realistische Drama muß es leider mit Realismus in seiner unerschrockenen Sprache schildern.39
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So hat die Unruhe der Zeit den Realismus geschaffen. Nicht immer aber und nicht überall setzte sich diese Unruhe in Kunst um, die nervöse Abspannung, die sie mit sich brachte, stand dem Kunst genuß im Wege. Die Kunst will Ruhe, Sammlung und innere Kräfte, und gerade Nuhe, Sammlung und innere Kräfte wurden von der Zeit verschlungen. In weiten Streisen entstand ein Bedürfnis nach Amusement, ein berechtigtes Bedürfnis, um es gleich zu sagen. Jeder hat ein gutes Recht auf Zerstreuung, Erholung und sinnliche Erfrischung. Nur schade, daß man das Amusement im Theater suchte. Das Theater kann nicht ausschließlich amüsieren, ohne gleich zeitig zu fisken. Auch die heitere dramatische Kunst hat den Hinter grund des Ernstes und stellt geistige Ansprüche, die zu befriedigen für die meisten Menschen ganz und gar kein Amusement ist. Die Komödie mußte verflacht, forrumpirt, verdorben werden, bevor sie willig dem Amusement dienen konnte und das war eine höchste un angenehme Folge der an sich berechtigten Sehnsucht nach Berstreuung. Trotzdem man aber die dramatische Kunst nicht ohne Uners schrockenheit herabwürdigte( ich erinnere an Blumenthal), erreichte man doch nicht ganz, was man wollte. Das Theater bekam trotzdem einen gefährlichen Konkurrenten! Das Variété, für das wir endlich wieder die hübsche leichtsinnige Bezeichnung, Tingeltangel" einführen sollten. Das Tingeltangel besorgte das Amusement tveit besser und hatte zudem in den Augen aller anständigen Menschen den Vorzug, daß es nicht erst zu finten brauchte, um seine Zwecke zu erreichen. Die dramatische Form mußte forrumpiert werden, um den Amuſeuren zu Willen zu sein. Das Couplet dient von vornherein dem Amusement und kann dabei eine ganze Reihe künstlerischer Vorzüge besigen Grazie, Geist, Leichtfimt, Redheit, und zigeunerhafte Tingeltangel Frechheit. Leichte Musik, Tanz und pitante Kostüme all das ist noch dazu ganz von selbst mit dem Couplet verbündet. Es mußte daher ganz von selbst der Gedanke entstehen, lieber das Tingeltangel zu heben, als das Theater herab zuziehen. Insofern haben wir es im„ bunten Theater"( Ueberbrettl) ganz und gar nicht mit einer Litteratenschrulle zu thun, sondern mit einer Erscheinung, die genau so eng mit der Zeit zusammenhängt. wie etwa das realistische Drama Ibsens , und die darum auch die Beit für sich hat.
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Polizeichikanen rechnen. Trotz alledem und alledem aber war der erste Abend verheißungsvoll. Ein Tanzlied von Bierbaum wurde mit entzückender Grazie vorgetragen und getanzt. Da ein Programm im Theater auch gegen Barzahlung nicht zu haben war, bin ich leider verhindert, die Namen der darstellenden Künstler niederzuschreiben. Eine Parodie auf d'Annuncio erfreutedas Publikum mit Recht, wenn die Satire auch nicht übermäßig scharf und wißig war. Ein humoristisches Gedicht von Wolzogen wurde vom Dichter selbst vorgelesen und zwar so einfach und gut, daß das Vorlesen an und für sich ein künstlerischer Genuß war. Daß man eine kraftvolle Ballade Liliencrons durch Schattenbilder illustrierte, war geschmadlos und zwar was schlimmer ist eine Geschmadlosigkeit, die nicht einmal lustig wirkte. Mit der Schlußpantomime vermochte ich mich nicht zu befreunden, obwohl von der mitwirkenden Dame Gutes geleistet wurde. Alles in allem sehen wir der Entwvidlung des„ bunten Theaters" mit Juteresse, aber leider nicht ohne Bangen entgegen. Erich Schlailjer.
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Humoristisches.
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8u viel verlangt... Also jeder muß hier Mitglied der Feuerwehr fein?" l „ Ja a' Schand is's! Neuli' hab' i' bei mein' eig'na löschen!" aus mithelfen müſſen - Gestörte Illusion. Gelegenheitsdichter: Sie haben mich hierher bestellt!" Privatier:" Jawohl. Ich möchte ein recht schönes Gedicht zum Geburtstag meiner Frau!" -Dichter: Sehr wohl!... Dürfte ich Ihre Gemahlin wohl einmal sehen?"" Privatier:„ Nein sonst wird's Bu devot. Sie: Wie, jest tommst Du erst aus der
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Kneipe? Er:" Ja, aber ohne meine Schuld unser Direktor war bis jetzt da!" Sie:„ Deshalb hättest Du doch früher gehen können 1" Er: O nein; er ist ja auf meinem Hut gesessen!"
Notizen.
( Flieg. Bl.")
-Eine bereits seit Jahren vorbereitete Bödlin- Biographie von Henri Mendelsohn wird nächstens im Verlage von Ernst Hoffmann u. Co. in Berlin erscheinen.-
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Eine öffentliche Giordano Bruno Feier wird der Giordano Bruno- Bund für einheitliche Weltanschauung am 17. Februar, dem Todestage Brunos , mittags im Beethovensaale der Philharmonie veranstalten.
Ist die Erscheinung also an und für sich keine Litteratenschrulle, so bestand und besteht doch die Gefahr, daß sie durch Litteratenschrullen ruiniert werden kann. Der rechte Litterat lebt in einer sehr engen Welt und begreift nicht leicht, daß andren Menschen diese Welt gang eminent gleichgültig ist. Er kennt symbolistische Dichter, Er kennt symbolistische Dichter, da benen entgangen zu fein andre Leute zu den freund lichen Geschenken des Schicksals rechnen. Er läuft mit Gefahr, Dinge zu parodieren, die zwar in seinem Gehirn eine Rolle spielen, im übrigen aber Leuten von Gehirn gleich gültig find. Das„ buute Theater" verliert jede Bedeutung, wenn es ein Theater für Litteraten wird. Man hatte bei der Bremiere den Eindruck, daß Wolzogen seine Sache versteht, und daß somit der rechte Mann am rechten Blaze steht. Etwas weniger litterarisch" hätte es aber trotzdem sein können. Eine weitere Gefahr droht dem bunten Theater" von jener deutschen Feierlichkeit, die man in - Mar Dreyers neuestes Bühnenwert Der Sieger" einer unhöflichen Aufwallung auch als deutsche Lange wird im Deutschen Theater seine Erstaufführung erleben. weile bezeichnen fann. Es besteht die Gefahr, daß der gründliche Deutsche das Tingeltangel muit gleich so energisch„ hebt",- Jofeph Lauff hat ein neues Schauspiel Karwoche", daß er es aufhebt. Die Muse des Tingeltangels muß eine herum- das im Ruhr- Kohlengebiet spielt, vollendet. ziehende Gaullerin bleiben, die es mit ihrer fünstlerischen Jungfern- Destreichische Schauspieler werden am 9. Februar schaft gerade so genau ninumt, wie mit ihrer Jungfernschaft im all nachmittags im Berliner Theater eine Aufführung von gemeinen. Wolzogen hat ohne Zweifel auch das begriffen. Nichts- Anzen grubers Der ledige hof" veranstalten.- destoweniger hätten wir gewünscht, daß der erste Abend unter den-Eine französische Schauspielgesellschaft wird alten Jungfern( die jungen find toleranter) etwas mehr Entsezen im März in Berlin gastieren. getvedt hätte....
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Unter dem Namen Schall und Rauch" veranstalten Aber freilich Wolzogen wird vielleicht antworten: Sie haben die Herren Kayßler, Reinhard und Bickel am 23. Januar im Künstlergut reden, mein Herr, aber ich muß meine Couplets erst der Censur vorlegen und den Charakter dieser segensreichen Institution scheinen hause einen heiteren Vortragsabend, der Perfiflagen und Karikaturen des Berliner Kunst- und Theaterlebens bringen wird. Sie nicht zu fennen". Jch tenue ihn leider. Das Tingeltangel braucht Freiheit, Freiheit und noch einmal Freiheit. Es muß alles Ein staatlich subventioniertes serbisches Theater soll angreifen dürfen, was es zwischen Himmel und Erde giebt und dazu in Nisch errichtet werden. auch noch das, was es im Himmel oder unter der Erde geben mag. Mascagnis neue Oper„ Maschere" wurde überall Nun leben wir aber in Preußen, also in einem Lande, wo man das die Erstaufführung erfolgte in mehreren italienischen Städten zu Wort Freiheit nicht niederschreiben taun, ohne von melancholischen gleich vom Publikum abgelehnt.- Anwandlungen heimgesucht zu werden. Die Censur würde gewiß- selbst Der Salon Caffirer eröffnet heute eine neue Ausstellung. bont Standpunkt der Jimker aus am gescheitesten handeln, wenn Sie enthält eine Sammlung von Gemälden und Radierungen und fie fünf gerade fein ließe und dem Tingeltangel gäbe, was ihm eine Bronzegruppe von Anders Zorn , Mora, eine Sammlung nun einmal gehört. Die Censur kann aber gar nicht gescheit handeln, des jungen Münchener Künstlers Robert Breyer und ferner eine weil ein gescheiter Cenfor eben nichts Befferes thun fönnte, als sich Kollektiv- Ausstellung französischer Impressionisten, die an Thürpfoften seines Arbeitszimmers aufzuhängen. Die Censur etwa 30 Werke von Claude Monet , A. Sisley und wird leben und cenfurieren und damit stehen wir vor der uns Cam. Bissarro zeigt. Babagj angenehmsten Gefahr, die dem jungen Unternehmen droht. Der Teufel - Klingers Marmorfigur, Sauernde" ist von der soll eine luftige Gauklerin bleiben, wenn man alle Wegstunde von einem Gendarm angeschnauzt und nach seinen Kunst- und sonstigen Wiener Secessionsausstellung weg von einem dortigen Privatmann angelauft worden. Verhältniffen" befragt wird. Selbstverständlich hatte denn auch gleich der erste Abend unter der Censur zu leiden. Die politischen Ein Taucher hat bei der Insel Kythera eine überCouplets waren einfach gestrichen, und wenn Wolzogen im Erotischen Lebensgroße Statue aus Erz, die einen Hermes oder bie tece Note angeschlagen hätte, die wir hören wollten, wäre er Apollo darstellt, auf dem Meeresgrunde gefunden. bermutlich auch gehindert worden. Das bunte Theater" ist ein Der 19. Kongreß für innere Medizin findet vom Kind der modernen Zeit, wie das ernsthaft realistische Drama auch 16. bis 19. April 1901 in Berlin statt. Berantwortlicher Redacteur: Robert Schmidt in Berlin . Drud und Verlag von Mag Bading in Berlin .
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