Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 18.
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Freitag, den 25 Januar
( Nachdruck verboten.)
Der Raffl von Hollerbräu.
Roman von R. von Seydlik.
Herr Ebelein wurde mittlerweile sehr alt, und fein früheres fleißiges Schaffen in siedend heißer Darre und im eisfalten Gärfeller zahlte das Alter ihm mit der Brauerfrankheit heim, mit Gicht und Rheuma .
Er hatte feine Söhne, und lange fonnte er's nicht mehr treiben. Aber er sträubte sich als alter, einfacher Mann der früheren Zeit sehr dagegen, aus dem Hollerbräu eine Aftiengesellschaft zu machen und sich zur Ruhe zu sehen. Seine Frau dachte anders; sollte sie ihn überleben, so hätten die anfragenden Kapitalisten dann wohl bei ihr leichter Gehör gefunden.
Der Kastl war dem Alten ein Trost; aber er brauchte jezt auch solchen Trost. Denn in neuester Zeit ging es nicht mehr so wie ehedem.
Die Achstunden fielen stetig ab und wandten sich mehr und mehr den so schnell größer gewordenen Brauereien zu, die in diefen Jahren sich den Weltmarkt eroberten. Es wurde unterm Hollerbräudache viel hin und her beraten, es wurden auch ein paar neue Maschinen gekauft, aber zum Bau einer ,, mechanischen Bierfabrik" im riesigen Stil fehlte dem Ebelein doch noch manche Million.
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Ohmi Ringelmann wußte davon mehr als andre, er war der einzige, der helfen konnte; aber er that, als wüßte er nichts damit er nicht helfen mußte. Denn Ringelmann war, wie er felbft es nannte, ein Mann ganz und gar für fich. Er war schlecht und recht, was man einen Egoisten nennt. Oder noch richtiger, sein Lebensschicksal hatte ihn gezwungen, bisher nur die selbstsüchtige Seite seires Charakters in Aftion zu bringen. Ohne Zweifel hatte er bessere Seiten an und in sich, aber zur Bethätigung dieser fehlte ihm bisher die Gelegenheit.
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1901
sonders hatte er's dort darauf abgesehen, mit der Finanzwelt sich freundschaftlich zu stellen. In München ist aller Uebergang aus einer Belt" in die andre leicht genug, die vielen Kneipvereine, Siegel- und Tarodgesellschaften führen wie von selbst dazu; und auch hier ist's das Bier, das den demofratischen Brei, das bequeme Bindemittel bietet, um die heterogensten Gesellschaftsschichten, ohne daß es auffällt, einander nahe zu bringen und sie zu vermischen. Nach vielem Umhersuchen hatte er auch endlich im sehr exklusiven Regelklub Hallodria" dem unter anderm auch ein Minister augehörte, Aufnahme gefunden und dort die getroffen, deren er bedurfte. Besonders war's da der Banfier Mindelheimer, an den er sich heranzuschleichen wußte. Da Mindelheimer Bilder und Skizzen sammelte, so entwickelte Ringelmann in den letzten Jahren ein unübertroffenes Talent, solche von Künstlern um ein Butterbrot herauszulocken. Und Mindel heimer war dafür dankbar. Er gab dem dienstfertigen Buch halter gern guten Rat, ließ ihn hie und da einmal etwas an einer einen Spekulation verdienen, und war dafür, ohne daß er's besonders merkte, zum größten Teil in die Geschäftsgeheimnisse des Hollerbräu eingeweiht. Bald war es ihm klar, daß Ringelmann recht hatte, wenn er den Hollerbräu als einen unrettbar abnehmenden Mond hinstellte, und daß Ringelmann wohl ein bessers Schicksal verdiente, als lebenslang an dies sinkende Schiff gefettet zu sein. Mindelheimer überlegte: der alte Ebelein wollte be. fanntermaßen nicht gründen. Andrerseits wäre ja viel Geld zu verdienen gewesen, wenn der Hollerbräu mit einigen Millionen auf die Höhe der Zeit gebracht werden konnte. Aber da das nun nicht ging, wäre nicht noch Platz in München für eine neue Brauerei?- Und mit Ringelmann an der Spize?
Aber bei einem gemütlichen Effen, zu dem er Ringelmann geladen, wehrte sich dieser gewaltig gegen solche Ideen. Denn erstens, sagte er, sei er nur Theoretiter einerseits und Kaufmann andrerfeits. An der Spike einer lebensfähigen Brauerei soll aber ein praktisch erfahrener Brauer stehen, und wäre es ein gewefener Bränbursch. Und dann,- warum so eilen? Ein neues Unternehmen muß sich erst zur Anerkennung durchringen; der Hollerbräu aber wäre am Ende doch noch zu haben; ja billig zu haben, wenn er fortführe, immer schlechtere Geschäfte zu machen.
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In seiner Art war er wie fein Neffe ein strebsamer Mann. In der Jugend, daheim in Allersdorf, hatte er sich bald unter die Flügel eines Hopfenhändlers gesteckt und war durch dessen Protektion vorwärts gekommen. Anfänglich wollte er selbst einmal ein reicher Hopfenhändler werden; etwas Höheres„ Und zuletzt, das begreifen Sie doch, verehrter Herr, tennt man ja im Hopfenlande nicht. Aber in der Schreib- ich bin Beamter dieses Hauses. Ich kann doch nicht ohne stube des Händlers war ihm nach und nach sein Jdeal ver- weiteres da austreten und-, nein, das wäre doch zu schoben worden, und wie er später nach München kam, da undankbar. Lassen wir den Ereignissen ihren Lauf. Herr lockte ihn die Brauerei. Da war, so schien's ihm, mehr zu Ebelein ist alt; und ich bin überzeugt, der Hollerbräu ver holen. Und so ward, er Buchhalter in einer Brauerei und liert jedes Sudjahr mehr und mehr Kundschaft.". war gut angeschrieben wegen seiner scharfen Kenntnis der" Ja, wenn das der Fall wäre." Hopfenbranche. Der Hollerbräu war ihm Dank schuldig dafür und er stand dort seit Jahren in gutem Ansehen.
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,, Es ist der Fall, Herr Mindelheimer. Dies unter uns gefagt, natürlich!"
Inzwischen hatte er eine Liebesheirat gemacht- das heißt seine Köchin gefreit, um den Lohn zu sparen und nun saß er seit Jahren, mit erträglichem Ge- den halte langjam vorrückend an den Bulten im Comptoir des Hollerbräu.
Versteht sich!"
Wenn die Konkurrenten wüßten, wie leicht es wäre, Rückgang des Geschäfts noch zu beschleunigen!" -Wenn das möglich wäre!" murmelte Mindelheimer, wie traumverloren seinen Champagner schlürfend. Und Ringelmann nahm auch sein Glas und flüsterte hinein: „ Es ist möglich...
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Aber das war nicht, was er wollte. All diese Jahre hindurch hatte er rastlos an seinen hohen Plänen geschmiedet. Theoretisch war er vielleicht einer der besten Kenner des Brauwefens. Aber er renommierte mit der Kenntnis nicht. Kaum Mindelheimer rückte sich zurecht, bot Cigarren an und einer durfte etwas davon ahnen. Dafür suchte Ringelmann sagte laut: fich nach und nach Fäden anzuspinnen, die ihn dereinst zum„ Auf alle Fälle, lieber Ringelmann,- Sie wissen, ich Mittelpunkt einer mächtigen Verbindung machen sollten. Er bin da, das Kapital ist da, und das Vertrauen zu beobachtete genau alle Braubeflissenen, die ihm unter die Ihnen auch. Und wenn's einmal dazu kommt, den tüchtigen Augen famen, und in den letzten Jahren hatte er eine be- Bianer, den wir brauchen-" sondere Freundschaft mit dem Gärführer geschlossen, " Hab' ich, Herr Mindelheimer. Hab' ich schon lange. eine Freundschaft, die in Hollerbräu selbst gar nicht zu Tage Und wie ist's mit dem Grüßner für vierhundert Mark?" trat; er hatte dann den Luz, den windigen Burschen, anzu- fragte er, schnell aufs Bildergeschäft überspringend. " Ift stellen getoußt, aber all das war wenig zu seinem Ziel. ja spottbillig." Da war enn plötzlich der Kastl aufgetaucht, und der schien ,, Aber kaum eine flüchtige Sfizze zu nennen." Und sie ihm der Morgenstern zu sein, der ihm endlich den heran- sprachen von andren Dingen weiter. brechender Tag verkündete. Und den Kastl hatte er dann ganz unter seine Fittiche genommen, und eine dankbare vertrauende Geele aus ihm gemacht.
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-Seitdem hatte Ringelmann mit den zwei Leuten aus dem Hollerbräu, den Gärführer und dem Luz, noch intimere Freundschaft geschlossen. Den letzteren bezahlte er die Schulden und dem ersteren wußte er allerlei merkwürdige Be- chemische Entdeckungen mitzuteilen, durch die der Gärprozeß ver Außerialb
der Brauerei fnüpfte er nicht minder jede irgend aussichtsreiche Verbindung fest, die sich ihm bot.