Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 20

20]

Dienstag, den 29. Januar.

1901

Ringelmann sprach noch weiter. Endlich unterbrach er

( Nachdruck verboten.) sich und fragte:

Der Raffl vom Hollerbrän.

Roman von R. von Seydlik.

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Raft schüttelte den Kopf,' m Hollerbräu bin i Dank schuldig; und bei'm Hollerbräu bleib i, so lang's an Holler­bräu giebt. Meinst, i soll zu'm Konkurrenten von'n Ebelein gehn, nur weil der mi vielleicht besser zahlt? Und mi an schau'n lass'n vom Alten selber?"

Und er schüttelte wieder den Kopf, zeigte eine neue Karte:

Aber der Oheim ,, önnt auch leicht sein, daß' s amal a neue Brauerei 3' München giebt.dent mer so, daß der Bräuer in' n Tod froh war, wann er Di zum Bräumeister hätt, leicht a no was Höheres."

Höheres?"

,, Na wärst endlich amal am Fleck, wo D' hing'hörst, mei Bua!"

" I dank Der schön, Ohm," erwiderte Kastl , ernstlich erfreut durch die gute Fürsorge. Aber, schau, i wart's ab. Bei Lebzeiten vom Ebelein-"

woo

Bist do' net verheirat't mit'n Alt'n!" Und nacha

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,, Wodran denkst denn, Kastl ?"

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wenn

waß net. Ob dees grad a Glück wär für mi?" " Selber a Brauerei leiten?!- Ja Herrgott dees ka Glück net is für an'n wie Du, meh'."

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nacha waß nig

" D' Arbet scho. Da feit si niy. Aber' s Leb'n halt.- Sirt Ohm, Du thust Der leicht. Du hast Dei Wei' und all's... Aber i! bleib'. halt immer der einschichtige Bub. I Vor mir that ja ka Mensch net an richtigen Respekt haben. Und so jung wiar i bin. I wünscht' manchesmal, i war alt,

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recht alt."

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Jett fatramenterte der Oheim los. Was ihm einfiele mit solchen melancholischen Mucken! Er schüttelte den Neffen bei der Schulter dabei und eiferte wie gegen einen Langschläfer oder Trunkenen, den er aufwecken wollte. Und er erschöpfte sich in einem Strom von Rede. Aber umsonst. Der Kastl glotte ins Wasser und ließ das Reden über sich ergehen.

Der Oheim ließ endlich erstaunt ab mit den Worten: ,, Kastl , i moan Du bist krank; i glaub all'weil, Du hast an innerliches Leiden."

Saftl zuckte mit den Achseln. Dann war's lange ganz Du beim Hollerbräu und i anderscht still am Zaun, nur das Wasser gurgelte und zischte vorbei,

Wer sagt Der denn, daß i dableib?"

Kastl sah erstaunt zum Oheim auf:" Ja, Ohm? Was timmt Der denn an?"

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,, Net, daß i durchaus fort möcht. Aber wann's amal dazu fommt; weißt,-wann jetz' der Hollerbräu heut zusperrt und aus is, und Du und i, mir zwa, können zammpad'und' s kam aner und sagt: Da geht's her, da giebt's Arbet, für den oan' als Bräumeister, für' n andern als Verwalter. Oder glei noch mehr,' s kant wer und sagt: Da schaugts her, da is a Geld, da is a Haus, da is all's, was dazu g'hört. Jetzt bringt mer ihr zwa a Brauerei zamm, als eigne Brauherrn, nur daß i an G'winnanteil hab, daß mei bissel Gerschtl gut a'g'legt is; wos sagst nacha, Kastl -?"

Staftl schwieg, aber eine leise Röte zog über seine Wangen; er sah ins eilende Wasser, und die Jfarnymphe bemerkte er­staunt, daß ein schwacher Blik wie eine Erinnerung an frühere Zeit aus den Augen fuhr.

Das wäre freilich etwas. Aber: Hot Der dees tramt,

Ohm?"

hat

-

,, Kann sei'. Kann sei' a, daß mer aner davo' was g'sagt

"

,, Aner der' s Geld hat?"

Der' s Gerschtl hat! Und kann sei' a, daß i dabei a' mi bent ab und meilte, und daß i a amal außi möcht zu was Besser'm; mei', i bin nimmer jung, und a geruh­fam's Alter war grad recht. Also- was sagst nacha, Herr Brauereidirektor?"

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Aber Kastl , der Malzmönch, schwieg lange. Er war das Schweigen so gewohnt; der plöbliche Einbruch neuer Aussichten und Gefühle war ihm fast zu viel auf einmal.

Zufällig war, wie er sich ein solches Direktordasein bergegenwärtigte, das erste der Gedanke an den Schlaf. Ausschlafen können du lieber Himmel, er hatte das beinahe aus der Erinnerung verloren. Freilich, auch selbst Aufsicht führen, das mußte sein. Aber in der Regel konnte der Herr Direktor doch ausschlafen. Und überall nachsehen jeden Tag, Mälzerei, Sudhaus, Gärkeller... ja! Das ging ja nicht. Denn er sah gleich: da reichte seine Erfahrung nicht hin.

Und er fagte gleich ruhig:

Sonnenfunken blizten wie helle, grüne Steine darin auf, und die Zweige nickten taktmäßig in die Flut. Stahlblaue Schwalben wischten wie Schatten dicht über der Fläche hin. Kastl , mei' Bua", begann der Oheim endlich wieder, funnt's denn mögli sei', daß D' no immer an dees Mensch denkst, die Schlamp'n,' s Agathl?" Kastl sah abseits, weiter stromauf und griff hinter sich nach dem Krug, um dem Krug, um daraus zu trinken, aber er ant­wortete nicht.

"

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s's denn um Gott 'swillen mögli', daß der ihre Schlechtigkeit Dir so' s Herz abdruckt hat, so vergift't möcht mer sag'n?"

Ja, war's denn möglich, daß in dem großen, schweren Körper so eine zimpferliche Seele wohnte, daß ein einziger Liebesgram fie für immer mit Trübfinn umhüllt, ihre Spann­traft gebrochen hatte?- Nie hatte der Oheim seit jenen Tagen von dem durchgegangenen Frauenzimmer mit ihm gesprochen; wie es jetzt schien, war das verkehrt gewesen. In Kastls Herz stand noch als legtes Bild aus jener Zeit der Moment da, wo das Mädchen ihm weinend und zornig in die Küche entlaufen war; was seitdem geschehen, wußte er wohl gar nicht. Darum, und weil er einmal angefangen, beschloß er, es umgekehrt zu ver­suchen, und jetzt dem Kastl alles zu erzählen, was er wußte. Auf jeden Fall mußte ihn die Sache aufmischen, und das war vielleicht für ihn gut. Denn dieſe trübfelige Verfunkenheit mußte aufhören.

Uebrigens weißt denn seit dera Zeit nir neu's von dem elendigen Weibsbild?"

,, Ohm!" rief Kastl dazwischen und wandte sich, fast drohend, um.

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Na, na; mer wird do no dervo red'n dürf'n?" ., Red' was D' magst von ihr; nur" und hier faßte er bittend die Hand des andern: weißt, nenn' f' net so! Nenn' f' einfach mit Namen, aber schimpf net. Wenn aner zum Schimpfen a Recht hätt', na war's i; net Du, und neamand."

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Der Ohm erstaunte wieder; also saß das Mädel richtig dem Kaftl noch im Gilet".-

"

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Vo' mir aus!" sagte er dann, und begann flugs seinen Bericht. Haas hatte sie also geheiratet und sie waren in Würzburg , wo sie eine feine Weinstube hatten und recht Vom Gären versteh' i nir und vom Lagern." glänzende Geschäfte machten. Frau Haas war dabei ohne Der Ohm zerstreute all' folche Strupel und sprach leb- Zweifel der Magnet, der die Studenten und Offiziere in ihr haft in ihn hinein. Kastl hörte zwar zu, aber eine andre Lokal zog. Denn sie war eine stadtberühmte Schönheit ge­Vision tauchte plöglich in ihm auf: das schöne Leben dann! worden, voll und rund und glatt und blühend, wie sich's gehört Denn ein Brauereibesizer konnte in seinen Augen doch nur für eine elegante Frau Wirtin. Es schien alles ganz in Ehren leben wie der Alte. Villa, Pferd und Wagen Villa, Pferd und Wagen ja zuzugehen, und das machte die jungen Gäste nur noch wilder und begeisterter. Haas war's zufrieden und hielt sich für den glück­lichsten Menschen, besonders da die Frau sich als unübertrefflich in Nur wenigstens keine solche Tochter wie Fräulein Küche und Geschäftsleitung erwies, so daß er nach Herzenslust den feinen Herrn spielen konnte und mit den Stammgästen

und

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Eine Frau?

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Vivi..

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