Anterhaltungsblatl des Worwürts N?. 30. Dienstag, den 12. Februar. 1901 (NalbdruS verboten.) Der KsPkl vonr z-zollerbviiu. 301 Roman von R. von Seydlitz. Kastl   wandte sich endlich um, denn auf diesem Wege war nicht weiterzukommen; er drängte hinaus auf die Landstraße. und lief bis zur Mauer des Kellergartens, dort überzu- steigen. Aber den Gedanken hatten andre auch gehabt, und nicht die besten. Er begegnete laufenden Leuten mit Tischen und Stühlen, die merkwürdig ähnlich denen vom Keller waren. Doch ohne sich aufzuhalten, ging er auf die niedere Mauer zu, und erklomm sie. Von oben, als er hinabsprang, sah er zum erstenmal den Brand in ganzer Ausdehnung, aber auch zugleich den Kellergarten, der bereits voll Menschen war. Er lief bis hinten an die Verbindungsthür neben der Halle und schloß arif; die wenigen Schritte bis zur Mauer der Mälzerei durchflog er im Nu, und einmal hier, übersprang er auch diese Mauer. Von der Glut versengt, die dicht vor ihm zu den Fenstern und zum Dache hinousraste, stand er einen Augen- blick im Hofe. Was wollen S' da? l Hier darf nieinand herein l" schrie ihm ein Feuerwehrmann zu. Bin ja der Bräumeister!" Ja, nachher. Deos is was I" sagte der besänftigte Mann, mit einer Art Mitleid; und Hegebart eilte neben dem brennenden Gebäude weiter. Hier, am Eingang zur Mälzerei, war die erste Spritze schon in Thätigkeit, Hornsignales gellten durch das Krachen und Praffeln. und die glänzenden Helme liefen hin und her. Auf das Kommando eines Vorgesetzten traten mehrere Leute zum Bretterzaun, der hier links das Grundstück abschloß, und legten ihn mit wuchtigen Axthieben nieder. Draußen warteten mehrere Spritzen und Leitenvagen, die imn im Sturmschritt angriffen. Der rasende Flamm enhaufen im Innern tobte jedoch «inner wilder. Leute, die mit den Schläuchen an den Leitern hinauf zu den oberen Fenstern stiegen, kamen wieder herunter, betäubt, erstickt und versengt: da war nichts mehr zu retten l Endlich kroch Kastl   zwischen den Wagen durch und eilte weiter, da er beim Anblick der schäumenden, atem- losen Pferde plötzlich an die Ställe und Wageuschuppen er- innert wurde, die den unteren Teil des Gebäudes nach der Ouerswaße zu einnahmen. Denn durch die jähe Senkung des Bodens bedingt, wies hier der Bau einen Stock mehr auf als oben, und da unten waren die Pferde der Brauerei, zwanzig an der Zahl. Ueber dem Stall lag ein Schuppen mit Vorräten an Fässern, Pech und Futter. Dieser war noch unversehrt, aber im Moment, als 5lastl vorbellief, schoß eine Rauch- und Feuergarbe hinein, die durch die Verbindungsthür aus der Mälzerei hervorbrach. Kastl   sprang in Sätzen hniab und atmete befriedigt auf, als er sah. daß' die Tiere ins Freie gezogen wurden. Er sah zuerst dort einen und den andern der Burschen, sonst und überall nur Feuerwehr. Hier unten standen zwei Spritzen und arbeiteten heftig. Die Schläuche waren oben, auf der eisernen Brücke, gehalten durch ein paar behelmte Gestalten, die die gischtenden Strahlen des Wassers aus die Brauerei richteten, um diese von außen gegen den sengenden Funkenhagel zu schützen. Von Zeit zu Zeit kehrten die Leute das Wasser gegen sich selber, um nicht selbst zu verbrennen. Es war ein düsteres Stück Heldcnarbeit, da oben im Funkenregen zu stehen. Die Brücke konnte nur so lange halten, als die Mauer der Mälzerei hielt. Aber Malz brennt wie Spiritus; es zerstob in die Luft, Milliarden brennender Körner regneten herab wie ein Riesenfeuerwcrk, alles ver- wirrend und betäubend. Niemand konnte hinaufsehen, unten wurden die gepeinigten Pferde rasend und schlugen sich und die Umstehenden halbtot, che man sie wegführen konnte. Plötzlich kam in eiligem Trab eine Gruppe vom bren- nenden Bau herab: Kastl   sah schaudernd eine schwarze läng- liche Maffe tragen, von der glimmende Fetzen hingen. Er starrte vorgebengt näher daraufhin: das bewegte sich' das lebte noch das war ein sterbender, brennender Mensch! Ein Grauen fuhr ihm durch den Leib und schnürte ihm den Hals... In all der Verwirrung, der Glut, dem lähmenden Schrecken stand er unthätig und blöde da; was konnte er thun? Ein Blick, den er von Zeit zu Zeit über das Brau- gebäude warf, sagte ihm, daß es da nicht brenne. Aber war's nicht besser, dort einzutreten und zu sehen, was zu thun sei? Zusammenraffen, was das Wertvollste war, konnte ja nicht schaden. Er trat ein, und lief zuerst ins Sudhaus. Ein Bursch stand da, wie ein Kind weinend und schluchzend vor der Feuerung und goß Wasser in die Flammen des Ofens... Kastl   jagte ihn fort. Dann sprang er in die Burschenkammer; die war leer, Kisten und Betten waren fort. Nun sprang er hinauf in seine Wohnung. Nebenan, bei Ringelmann, hörte er schreien. Er sprang hinein; in einem Zimmer am Fenster stand Ringelmanns Frau und warf hinunter in den tief- gelegenen Nachbarsgarten, was ihr in die Hand kam, die ganze Zeit schreiend, als brenne sie selber. Kastl   rief nach Ringelmann, aber vergebens. Dann lief er in seiue Wohnung und packte rasch zusammen in Lein- tücher und Tischdecken, was er für wichtig hielt. Wenig Schreibereien, einige Kleider und kleine Sachen; zuletzt, da er sah, daß Zeit genug war, nahm er noch ein großes Tuch und warf Wäsche, Bücher und Stiefel hinein; kurz, er be- werkstelligte einen ganzen Umzug, und eilte mit den Sachen hinab. Aber dort strömte noch der Funkenregen, darum lies er seitwärts bis zum Nachbarhaus, und trug es dahinein; die Leute nahmen es durchs Fenster in Empfang. Jetzt kehrte er zurück; da kam ihm die Idee, nochmals nach Ringelmann zu sehen. Aber er mußte wohl im Conrptoir sein. Da sprang er dorthin, in das niedere Seitengebäude. Dort war Licht.   Und da war Ringelmann, mitten auf dem Boden kniete er, und band, ganz wie Kastl   soeben gethan, alles Erreichbare in einen großen grünen Vorhang, den er Herabgeriffen. Die Kasse stand offen und war leer. Eben wollte er den Ohm anrufen, da brach hinter ihm ein blendendes Licht aus und Geschrei ertönte. Wie er sich uniwandte, sah er mit Entsetzen, daß jetzt helle Flammen aus dem Brauhaus fuhren l Wie war das möglich, er war doch eben oben ge« Wesen? Er lief hinaus und sah schaudernd zu, wie die Flammen fraßen. Hinter ihm sprang Ringelmann zum Comptoir hinaus, das grüne Paket im Arm und rannte damit in die Brauerei. Wo willst denn hin,'s brennt droben!" schrie Kastl  ihm nach. Aber schon war er die Treppe hinauf zur Wohnung. Jetzt stürmten Löschmannschaften ins Haus, Spritzen fuhren an und begannen im Funkenregen ihre Thätigkeit. Kastl   war wie gelähmt von dem neuen Schreck, er begriff nicht, wie das Feuer so schnell hatte überspringen können. Das Dach war rauchumwölkt, um die Fenster züngelten oben die Flammen. Zwei Feuerwehrhauptleute kamen vor Kastl   zu stehen. Ich war oben," sagte der eine.Mir scheint, dort lagert viel böses Zeug,'s hat so nach Petroleum   gestunken!" Kastl   erinnerte sich jetzt, daß auch ihm der Geruch auf- gefallen war. Ist noch jemand in der Wohnung?" Nein, ich glaub nicht." In demselben Augenblick brachte man mächtigeu Ringelmann zum Haus heraus; und jammerte hinterher. Kastl   sah, daß es Ringelmann war; aber er begriff nicht er war in Unterkleidern. Eben hatte er ihn doch noch in Kleidern gesehen l Er lief herzu. Die Frau weinte und heulte:Ach Gott  , Kastl  , dees Unglück! Und mei' Mann noch krank derzn! Hat den ganzen Nachmittag schon im Bett liegen müssen jetzt wird er'n Tod davon haben I Ach Gott, ach Gott I" Sie trugen den Kranken fort, Kastl   stand einen Augen- blick, sprachlos dann sprang er mit einem Satz ins Haus die Bücherl" aber den ohn- die Frau schrie