Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 35.

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Dienstag, den 19. Februar.

( Nachbrud verboten.)

Der Kaffl vom Hollerbräu.

Roman von R. von Seydlik.

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1901

Kastl sah sich also genötigt, auf eigne Faust die lebhafte Dame zu unterhalten, die neben ihm Platz genommen. Dabei beobachtete er sie im stillen. Besonders schön war sie nicht, und jener flatterhaft affettierte Zug, der ihn vor Jahren an der damals Jungen geärgert hatte, war auch heute bemerk­Bis zum letzten Augenblick hartierte die fleißige Schar der bar; nur daß Kastl inzwischen sein Stück Welterfahrung so Künstler an der Dekoration, die viel zu weit und groß gedacht war nebenbei mit hinuntergegessen hatte und sich vor solchen feinen und nicht zur Hälfte zur Ausführung gelangte. Ob sie wohl Damen nicht mehr gar so sehr fürchtete. So gar schrecklich fertig werden?" fragte sich Kastl verwundert. Natürlich schien sie ihm heute nicht. Sie sprach auch nicht nur kein wurden sie nicht fertig, welcher dekorative Unfug wäre je Französisch, sondern sogar ganz ehrliches Münchnerisch, soweit fertig geworden? und als schon die Massen der Gäste die eine höhere Tochter das vermag. Tische umlagerten, und die Wagen des Komitees und der Ach! Sie hatte längst aufgegeben, was ihr einstiges Ideal Professoren heranrollten, wurden noch immer Stübel voll gewesen. Den Lieutenant, die französischen Brocken, die Bade­Farbe, Berge von Leinwand Papier , Stangen, reifen, ja sogar die Pariser Kleider! Denn sie war hübsch Latten, Kisten, Guirlandenreste und zertretene Lampions alt geworden, wie sie sich gestehen mußte; und eine Kette eilig weggeschafft.- Aber was fertig war, war ge- böser Schicksal hatten ihr bisher das Glück der Ehe vorent­lungen und der dekorierte Teil des Kellergartens bis halten. Heiratete sie jetzt einmal, so follte es eine vernünftige zum Musikpavillon war nicht wieder zu erkennen. Hinten Geschäftsehe werden, soviel hatte sie unterm Beifall ihrer schloß, aus einem Meer fünstlicher Riesenblumen auftauchend, Mutter fest beschlossen. Ueber ihre sociale Sphäre hinaus, ja die überlebensgroße Büste des Gefeierten das prächtige Bild auch nur in fremde Streife hinein, die ihr ebenbürtig gewesen ab. Dahinter konnte man durch die zusammengestellten Tannen- wärennein! Denn dazu war sie zu eng noch mit dem gebüsche schlüpfen und befand sich dann in einem berödeten, alten Hollerbräu verwachsen, wenn auch der Vater das Ge stillen Teil des Gartens. schäft nicht mehr beherrschte. Denn sie und die Mutter zu­sammen hatten den schönsten Teil der Hollerbräuaftien im Staſten. Dem Gelde nach war sie immer noch die Haupt­besigerin.

Hier hinten sammelten sich bald am Nachmittag die Hono­ratioren vom Hollerbräu, die diesen Winkel, wo sie allein saßen, dem Drang und Treiben des Festraums vorzogen. Seitwärts, auf der Wiese, zimmerten fleißige Hände noch an einem improvisierten Tanzboden, dessen gelbe Bretter grell von dem Grün des Rasens abstachen.

Einer vom Komitee, als er die Gruppe der stillen Gäste bemerkte, beeilte sich, über die Tannen her ihnen einen großen Korb mit bunten, von Künstlerhand in unerschöpflicher Laune bemalten Papierlaternen hinüberzureichen:

Hängen Sie das, bitte, selbst auf; Sie siten sonst bald im Finstern!"

Und einige, auch Hegebart, befestigten die viereckigen bunten Dinger an Drähten um die Bäume. Dann setzten sie sich und hörten den Reden und Gesängen zu, die dicht neben ihnen jenseits der Hecke auf dem Festplatz ertönten.

Staftl sette sich auf einen der freien Pläge einer langen Bank; er wählte den Platz, weil neben ihm Roßberger faß, mit Frau und andren. Denn Damen waren auch da. Auch Frau Ebelein und Tochter sah man; aber diese hielten sich mehr an die Ecke, wo das Direktorium vertreten war, und Direktor Haslinger mit Familie präsidierte.

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Kastl arbeitete hart an der Unterhaltung, er war so klug, schnell zu erwähnen, daß er gar nicht tanze, und verbreitete fich flüchtig über das fragwürdige geräuschvoller Unter­haltungen:

" Sehn's Fräulein,- wer recht arbeitet, der hat kaum Zeit übrig und Schneid für so Sachen."

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Ach ja," sagte sie seufzend, recht arbeiten! das mag doch wohl das größte Glück sein. Ich hab das nie gekannt. Was soll unfereins arbeiten? Gesellschaft und Plauscherei, Theater und Langeweile, das ist das ganze Leben."

Staftl wollte, in reifster Weisheit, eben darauf hinweisen, daß Ehe und Kinder gewiß Arbeit genug brächten, als Vivi von einem Herrn zum neuen Tanz abgeholt wurde.

Kastl behielt seine Rede für sich und trant einen be dächtigen Schluck; er segnete den Herrn für die gute Idee, ihn von Vivi befreit zu haben. Gleich darauf ärgerte ihn aber wieder solche Baghaftigkeit. Er wandte sich, um dem Nachdenken zu ent­gehen, Roßberger zu und hörte mit Interesse das Gespräch über die Augsburger Brauerei an. Dabei war er wieder in Für alle diese war's ein ganz improvisiertes Fest. Sie seinem Element. Endlich ging der andre fort, und er sprach genossen es aber darum desto froher. Und gar, als die mit Roßberger weiter über dies und das; auch über Vivi Tanzmusik vom Bretterpodium herübertönte, während Dunkel- Ebelein. heit allgemach herabsank und die farbigen Laternen auf­

Zwei Drittel vom Hollerbräu gehören der Mutter und

leuchteten, dünfte der milde Herbstabend ganz reizvoll. Gar ihr; wer die amal kriegt-!"

bald auch verwischte sich die Grenze der Lannenhecke, denn ,, Mich wundert nur, daß noch keiner angebissen hat," ver­tanzluftige Herren spähten über die grünen Nadeln und setzte Kastl. drangen heraus, um die vorhandenen Damen aufs Podium zu schleifen.

Stafil hatte oft im Kellergebäude zu thun und kam oft halbe Stunden lang nicht zum Vorschein. Als er sich gerade wieder neben Roßberger niedergelassen hatte, war ein Tanz zu Ende, und die zurückkehrenden Paare strömten lachend und erhitzt zu den Tischen zurück. Da rauschte ein Kleid neben ihm, und eine Dame setzte sich lächelnd dicht neben ihm nieder; er sah sich um:

Vivi Ebelein!

Sie begrüßte ihn, der sich höflich erhob, mit Kopfnicken und sprach ihn an:

Herr Hegebart, nicht wahr? Ich sah Sie erst neulich, Wir sind froh, daß Sie bei uns find. Herr Haslinger ist be­sonders vergnügt, Herr Roßberger, das daufen wir, glaub ich, Ihnen, nicht?"

die

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"

Mögen möcht' s mancher," meinte Roßberger. Aber nimmt net an jeden."

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Schiech is s' eigentlich net."

" Des freut mich, daß Sie des fag'n, Herr Hegebart. Denn eigentlich, unter uns gesagt,-'s wär just die rechte für ein'n, den i fenn." Dies flüsterte er schalkhaft an" Hegebart hin".

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Kastl schaute ihn groß an. Er wollte beinah nicht ver­stehen; zuletzt rieb er sich die Nase, strich den Schnurrbart und meinte: Naa. In dees Nest steig i net." Roßberger schüttelte den Kopf. Roßberger schüttelte den Kopf. Dees begreif i net. A Mann wie Sic! Hergott no' mal, wenn mir in' ganzn Lebn amal so a Glück geleuchtet hätt! Ihna fallt alles nur so in'n Schoß. Und Sie bedenken sich a noch, und thun spröd. Herr Hegebart," er legte die Hand auf den Arm Kastis ich denk doch, Sie sind der Gescheidtere von uns allen hier; Sie werden schon wissen, wo der richtige Weg geht zu all dem, was Sie vor haben-"

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Was hab' i denn vor?"

Herrn Hegebart selbst zunächst, Fräulein," erwiderte Roßberger, höflich wie immer, aber dann wandte er sich wieder zu seinem Nachbarn ab, einem Augsburger, der ihm den ganzen Abend seine Wünsche ins Ohr flüsterte; er wollte seine Brauerei gern losschlagen und hoffte, Roßberger könne ihm ohne viel Aufsehen zu einem Käufer verhelfen. Dort winkte also eventuell Provision, und Roßberger hatte auch bräu sein." bei Festgelagen stets für Geschäfte ein offenes Ohr.

Na; i dacht' grad' an unser erstes Gespräch im Braustübl damals, wie Sie uns besucht haben. Damals haben Sie mehr vorgehabt, als wie Bräumeister im Holler.

" Ja, mein Gott!"