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gleich zum Umkleiden. Direktor Haslinger rief ihn auch noch ins Privatcomptoir.

Sehr ungern, lieber Bräumeister, muß ich heute eine Ermahnung an Sie richten. Sie sind sonst ein Muster von Fleiß und Umsicht. Leider hat dies in lezter Zeit eine Aenderung erfahren. Ihre Untergebenen, obwohl tüchtige Leute, merken, daß die Zügel nicht so straff sind, und gleich giebt's Unordnung. Gestern ist im Sudhaus die ganze Sauc' beinahe berdorben, wenn ich nicht zufällig dazugekommen wäre. Ich hörte dabei, daß Sie seit drei Tagen sich dort nicht mehr hatten sehen lassen. Andrerseits erfuhr ich heute auf der Börse, daß Sie stark in Gerste engagiert sind und wie mir erzählt wurde, eine erstaunlich hohe Summe am Ultimo werden zahlen müssen.- Nun, lieber Hegebart, dies alles im Ver­trauen. Aber trachten Sie danach, daß das bald aufhört, und Sie wieder voll und ganz uns gehören, nicht der Speku­lation und nicht- andren Dingen."

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Haslinger sprach ganz freundlich, aber er ließ doch dabei etwas die Herrenfaust hervorsehen.

Hegebart murmelte etwas und empfahl sich; er kam vor wie ein Schulbub, der vom Lehrer abgefanzelt wird. der Fünfunddreißigjährige!

Er eilte hinauf in sein Zimmer und fleidete sich dann ging er fort, um zu Frau Ebelein den schweren, notwendigen Gang zu thun.

sich Er,

um, aber

Zufällig sah Direktor Haslinger vom Fenster, wie Hege bart zum Thor hinausging, und schüttelte betrübt den Kopf. Es hatte also nichts genutzt; mun, dann mußte man eben eine schärfere Sprache führen. Denn das ging doch nicht, der Hegebart tyrannisierte ja alles. Freilich war er eine Berle von einem Brauer. Aber, lieber Gott, es giebt doch schließ lich auch noch andre!

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Blöglich rief er einem Comptoirdiener zu: " Gehen Sie schnell dem Bräumeister nach, ich ließ ihn fragen, ob's denn so nötig wär', daß er jetzt g'rad fortgeht." Der Bote lief und kam bald zurück: Der Bräumeister sagt, er muß' naus zu Frau Ebelein; er ist bald wieder da. Da wurde der Direktor ganz mild. Es ging ins große Comptoir hinüber zu Roßberger: Wissen Sie, wohin unser Hegebart eben gegangen ist, ganz auf eigne Hand und im schwarzen Rock? Zu Frau Ebelein! Nun fange ich wieder an, zu hoffen. Warten wir's ab."

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Gott sei Dank, Herr Direktor.- Ja, wenn das noch möglich wäre, das wäre freilich schön!"

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Sonst ich hatte schon diese Tage an Ersatz gedacht. Der Bräumeister Unger von der Petersbrauerei ist zu haben, und zwar gleich."

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Das wär' freilich einer, der nach unsrem Hegebart der beste ist, soweit ich München kenne. Aberhoffentlich

" Ja, gewiß, hoffentlich ist's nicht nötig, Bis Abend muß es sich ja entscheiden. Schau'n wir zu, daß wir den Hegebart heut noch sehen, wenn er zurückkommit. Bin neugierig, was er für ein Gesicht macht."

Sie hofften alle drei, Haslinger, Rosberger und auch Hegebart. Aber es war feine günstige Stunde, in der sie hofften. Denn eben hatte Frau Ebelein dem Drängen ihrer Tochter nachgegeben und beschlossen, die Villa zu verkaufen, um München für immer zu verlassen, wo der Fluch der Lächerlichkeit sie bedrohte.

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Am nächsten Morgen gab's einige Verhandlungen, aber en gab's einig Kastl blieb fest. Und am Abend wurde er gefragt, ob es ihm recht sei, in vierzehn Tagen sich von seinem Nachfolger, dem Unger vom Petersbräu, ablösen zu lassen.

Ihm war's recht.

Der erste Mai kam, und Kastl zahlte zum letztenmal feine Differenzen und glich sein Conto aus. Dann hatte er Konferenzen mit jenen Kapitalisten, und acht Tage darauf ward die Welt mit der Kunde überrascht, daß das Konsortium ein paar nebeneinander liegende Brauereien, wie Singerbräu, Thorbräu und noch eine, angekauft hatte und umbauen werde; die Gesellschaft Brauerei Wittelsbach" trat ins Leben, und ihr Direktor war Raftulus Hegebart.

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Aber nicht bloß technischer Direktor; denn was er und seine nun genesene Agathe zusammenthun konnten, das wandten sie an, um Anteile der neuen Gesellschaft zu kaufen, denn es war eine glänzende Unternehmung mit mächtigem Kapital und den besten Verbindungen; und, was ja allein Gold wert war, mit dem Hegebart an der Spike.

Aber das war's noch nicht, was den Kastl jetzt im Maien­sonnenschein so hell und munter machte: das Freisein war schön, das Direktorfein war wohlthuend. Aber als er die genesene Braut vom Krankenhause abholte und nach Schliersee spedierte, wo sie bei Hubers, ihren Freunden, einen vollen Monat zu ihrer Kräftigung zubringen sollte: da schien's ihm, als sei heut zum erstenmale Frühling geworden, zum ersten­male in feinem Leben.

Nach den vier Wochen fuhr er hinaus zu ihr, und sie wurden getraut. Und dann machten sie eine kleine Reise mit­einander ins Gebirg, das er noch kaum kannte; und er hatte die größte Sorge um sie, er fürchtete, fie fönne ihre kaum ge­heilten Glieder im rüttelnden Wagen beschädigen. Aber sie lachte ihn aus, und streckte und reckte sich auf dem Wagen, wie sie durch blühende Thäler fuhren: sie war so gesund- fo gefund! Sie bekam wieder Farbe in ihre Wangen; fie blühte wieder auf, in einer späten, langgehemmten Blüte; Kastl meinte, sie werde an jedem Morgen schöner; und er hatte recht. Welch ein unbändiges Glück!

Sie hatten sich in einem neuen Hause am farquai eine luftige, fonnige Wohnung genommen; als sie eiuzogen, es war Abend, und der Sommertag verglühte in sonnendurch­leuchtetem Staube, da traten sie zuerst auf den Balkon und genossen die Aussicht. Und Kastl hielt sein Glück fest umfaßt und griff nach ihrer Hand.

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Sie lehnte den Kopf an ihn und schwieg, schauend, lauschend und träumend.

Da begann er, auf die Brücke weisend, die zu ihren Füßen den rauschenden Fluß überschritt:

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Schau, Agerl, da unten auf der Brücken bin i am erschten Abend gstanden, wie ich nach München kommen bin. Da hat mir d' sar z'erscht gfalln, und i bin' r treu blieben. Darfst aber net neidig sein. Und da oben, drüben, am Berg, da ist die Ludwigsbrauerei gstandn, wo i schon amal gmeint hab, i war mei eigner Herr;' s war aber a böser Traum. Und da weiter rechts, wo die Auer Kirch her­schaut, da is der Nockherberg. Und no' weiter am Giesinger Da kommt der Hegebart, gerade in dem Moment, wo Turm, da is d' Mälzerei, wo i so lang g'wesen bin. Und Frau Ebelein ihn recht herzlich hassen mußte. Seine Un- da, rechts, schau, hinterm farthor, sieht m'r genau' s Dach schuld, Aufrichtigkeit, seine findliche Unbefangenheit wirkten vom Hollerbräu. Und dort weiter vorn, wo's Dach abgedeckt das Gegenteil von der Abficht. Die Unterhaltung ward is, das wird unser Bräuhaus,' s Wittelsbacherbräu. So, sehr kurz, und Frau Ebelein wies ihm entrüstet die Thür. da kannst mei ganzes Leben überschaun, vom Haberfelder bis Und so tam er heim. zum Direttor." Agathe drückte sich fest an ihn:" Viele Jahr hat's braucht... wie wir zwei auch, gel, Rastl; aber jetzt dürf'n m'r' s nachholen Arbeit war's. Viel Arbeit; und das war's beste dran bis auf.... weißt scho' was i' mein. Gel, Agerl?"

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Im Zimmer fette er sich an den Tisch und schrieb, ohne einen Moment zu zögern, seine Kündigung; wenn möglich, sei es ihm lieber, vor der Kündigungsfrist entlassen zu

werden.

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Den Brief sandte er ins Comptoir, er selbst zwang sich zur Arbeit, und warf sich erst spät aufs Lager. Ein wilder Trost schimmerte ihm in aller Not: er war jetzt fo los­gebunden, so einsam und freudlos wie Agathe, und vielleicht Ehe das Sieden im Wittelsbacherbräu anfing, kam noch etwas neues dazu. Die beiden Gesellschaften, die vom auch ebenso wenig bemittelt. Wittelsbacher - und die vom Hollerbräu gingen eine Fusion ein. Direktor Haslinger verließ seinen Posten, und Stafti ward auch hier Leiter des Ganzen.

Er war weit in die Mittagshöhe des Lebens hinaufgerückt und sah sich wieder heimatlos, tonnte wieder von vorn an­fangen.

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Nun nur eins: Agathe sollte ihm erhalten bleiben; denn stürbe sie jetzt- das Leben, was dann noch kommen tönnte,

war nicht wert, gelebt zu werden!

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' s is nur, damit d' Leut' recht haben," sagte Kastl lachend zu seiner Frau, wenn's mi' n Kastl vom Hollerbräu

nennen."

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