Anterhaltungsblatt des Borwärts

Nr. 43.

i e di se Freitag, den 1. März.

1]

( Nachdruck verboten.)

Die bunke Reihe.

Berliner Roman. Von Frik Mauthner. ham

10 2 Clan dus

Mama, wann giebt's Mittag zu essen?"

196 Es war der fünfjährige Siegfried, der zum drittenmal fragte. mondialisa Halt den Mund, dummer Bengel, wir müssen ja wieder auf ihn warten."

Hunger habe ich auch," sagte darauf das kleine Mädchen. ,, Vater könnte etwas schneller dichten."

blok Tutindan a o dold schil

1901

machen. Es kam ja doch keiner hinein, nicht zu den Kindern und nicht zu ihr. Und nebenan, wo er die Schularbeiten torrigierte und dichtete und schlief, da war das alte Gerümpel gerade recht. Nur hier in der gnten Stube wollte sie ein Plüschsofa haben, wie ihre Cousine, die doch nur eine Schuß­mannsfrau war.

Zu Weihnachten hatte sie es bestimmt erwartet. Ihr Mann hatte es ihr freilich nicht versprochen; er hatte auch fein Geld, hatte nie Geld, aber zu Weihnachten konnte doch einmal ein Plüschsofa vom Himmel fallen. Früher einmal, freilich nur ein einziges Mal, hatte sie so einen Weihnachts­abend erlebt. Die kleine goldne Uhr hatte sie von damals noch erhalten, sonst nur eine lustige kleine Erinnerung und nur eine luftige fle eine große Sehnsucht.

Frau Bohrmann blickte vor sich hin, als erwartete sie etwas. Has

"

Ach Gott , liebes Lenchen, das sage ich ihm oft genug. Aber gerade heute will er ja fertig werden mit seiner großen Sache. Heute müssen wir warten. Ninum Dir' ne halbe Lenchen möchte diesen Blick kennen und verstehen. Sie Schrippe und gieb Frieden die andre." d jua lo sie fetzte sich wieder auf ihren Schemel und sagte: sd shlo Sofetzte Das schlanke, blasse Mädchen sprang vom Schemel auf, Mama , wenn Du mit dem Sofafchoner fertig bist und wo sie der Mutter bunte Seidenfäden zugereicht hatte, und Papa mit seiner großen Geschichte, bekommen wir es dann?" ging an den Tisch heran. Der war noch vom Morgenkaffee Auf alle Fälle, Lenchen," antwortete Frau Bohrmann Her mit einem alten roten Tuch gedeckt, darauf standen jetzt wieder mit dem Lächeln einer rohen Befriedigung. Er muß. drei Teller und Bestecke, allerlei Geschirr. Neben dem Suppen- Eine ganze Garnitur. Sofa, zwei Fauteuils und sechs Stühle. löffel von gelb gewordenem Neufilber lag ein halbes Dußend Modefarbener Plüsch." Schrippen. Lenchen suchte eine heraus, welche die Mama, und das modefarbene Plüschkleid kriegst Du wenigsten Rußflecte zeigte, brach sich ein Stück da auch?" von ab und gab das übrige ihrem Brüderchen. Lenchen war drei Jahre älter und bemutterte ihn gern. Sie hatte ihn schon lange beobachtet, wie er an der ungedeckten Seite des Tischs auf einem Stuhl kniete und das grobe Ge­bäck mit den Augen heranzuziehen suchte.

"

Du bist ein Engel, Lenchen. Aber das weiß ich nicht. Und wenn, dann vielleicht lieber ein blauseidenes. Und Du kriegst dann meinen Handschuhkasten, weißt du, den mit dem nackten Engel darauf, und ich frieg' einen neuen einfachen, mit einem Dutzend drin." id

,, Mama, kriege ich Deinen alten Handschuhkasten mit oder ohne Handschuhe?"

"

Während nun die Kinder ihren Hunger ein wenig stillten und miteinander dabei leise von der Maus erzählten, die sie und ihre Spielgenossen gestern auf dem Hof begraben hatten, Frau Bohrmann antwortete nicht. Sie stierte über den stichelte Frau Bohrmann weiter an ihrer Handarbeit. Die Tisch hinweg durchs Fenster. Ihr Gesicht nahm einen ernsten, fleine Wohnung lag vier Treppen hoch an der Nordseite träumerischen Ausdruck an, so ernst, als dächte sie nach. der Frankfurter Linden. Die Hiße eines ungewöhnlich Am Ende hat er wirklich Glück damit," sagte sie lang­schwülen Junitags war hereingedrungen. So faß die sam. Die dummen Bauern haben oft die größten Kartoffeln. Lehrersfrau, mit übergeschlagenen Beinen, möglichst Nein, nein, wenn er Glück hat, will ich stille sein und meinet­leicht gekleidet, da. Ihr Mann, der im Nebenzimmer wegen glauben, daß er etwas los hat... Dann, Lenchen, dann so langsam dichtete, verabscheute jede Nachlässigkeit in der sollst Du sehen. Ich habe auch beffre Tage gekannt. Wir nehmen Kleidung; aber wenn er es anders haben wollte, so konnte er dann ein Mädchen für alles, und zum Herbst oder zu Weih­ja anstatt der drei lumpigen Löcher hier unter dem Dache nachten... ja wohl, zu Weihnachten, dann nehmen wir eine irgendwo eine Vel- Etage mieten, einen Flügel extra für sich, Köchin, weißt Du, Lenchen, eine feine Köchin, und am zweiten wo er dann den ganzen Tag ungestört dichten konnte, und Feiertage geben wir eine Gesellschaft, chic, vierzehn Personen, die ganze Nacht dazu. In solchen Wohnungent gab es gewiß ich bin nicht abergläubisch, aber dreizehn geht nicht. Friede fühle Räume mit Springbrunnen. Sie war gar nicht so dumm. fann den Abend bei der dummen Gans schlafen, bei Fräulein Sie konnte sich auch etwas ausmalen, schöner als er vielleicht. Reymond nebenan. Du darfst aufbleiben, damit Du' mal Und wenn sie ihm so nicht paßte, dann blieb sie erst recht eine feine Gesellschaft siehst. Weißt Du, mit' nem Lohndiener wie sie war. Die Füße nackt, einen alten dünnen Rock, und Rotwein, und Bowle und Fischmayonnaise." und sonst nur mit einem groben Hemde bekleidet. Sie Sie wurde von Siegfried unterbrochen, der jämmerlich zu wußte ganz gut, was Batist war, sie hatte sogar einmal weinen anfing. sechs Batisthemden gehabt. Damals, als sie noch glaubte, daß ein reicher Verehrer... ach, Unsinn! Jetzt war sie eine arme Lehrersfrau, und blieb es, weil fie's nicht ändern tonnte.

( 30)

..Was hat der Bengel schon wieder?"

GINI

Den Jungen stieß der Bock. Mühsam brachte er hervor: Dann triege ich keine Fischmayonnaise, und Fräulein Reymond auch nicht. Dann werden die Großen alle Fisch­mayonnaise ausessen."

Halt deit Mund, dummer Bengel. Vater muß ja arbeiten. Stör ihn nicht. Wenn er Hefte korrigiert, magst Du heulen, so viel Du willst. Wenn er dichtet, kann er Heulen nicht vertragen."

Lenchen war wieder an den Bruder herangetreten. Er hatte in seinem Schmerz das letzte Stückchen der Schrippe zu Boden fallen lassen. Sie hob es auf und schob es ihm fast gewaltsamt zwischen die Zähne.

Frau Bohrmann ließ die linke Hand mit der Handarbeit in den Schoß sinken und stocherte mit der Nadel in den hübschen, kleinen, regelmäßigen Zähnen. Konnte er auch nicht leiden. Just! Sie mochte kaum mehr als sechsund­zwanzig Jahre alt sein, hatte volle, schöne Formen und ein hartes Gesicht mit einer auffallend kleinen, hübschen, frechen Stupsnase. Das Haar, das ihr ungeordnet in schlecht ge­steckten Zöpfen um den Kopf hing, war von stumpf rötlicher Farbe. do mad on thishisid Mit einem Lächeln der Befriedigung blickte sie auf ihre Handarbeit, die nun bald fertig war. Ein Sofadeckchen, das fie aus allerlei Lappen mit bunter Seide regelmäßig zusammen­tiftelte. Bor Weihnachten hatte sie das Deckchen angefangen. Zum heiligen Abend sollte sie mit einem Plüschsofa über­rascht werden, damit wenigstens dieses Zimmer hier, die gute Stube, nach etwas aussehe. Die beiden andren Stuben waren ja doch nicht fein zu kriegen; hinten hinaus schliefen Da öffnete sich die Thür des Seitenzimmers, und der die Kinder, seit kurzem auch sie, seitdem ihn ihre Nähe Lehrer Bohrmann trat herein. - Er war ein hübscher, großer, beim Dichten störte, auf einmal! und da lohnte es schlank und kräftig gebauter Mann von etwa dreißig Jahren. eigentlich nicht einmal immer die Mühe, die Betten zu um die Augen lag ein hilfloser Zug von Müdigkeit. An

,, Sei doch man gut, Friede", sagte sie gutherzig. Fräulein Reymond soll nichts abfriegen. Aber Dir hebe ich etivas Mayonnaise auf. Und wahrscheinlich giebt's auch nur Herings­falat." Wie Du Dich immer mit dem Jungen hast!" rief Frau Bohrmann, als ob sie auf ihr Töchterchen eifersüchtig wäre. Lass ihn doch!"