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dorben. In diesem Seelenzustande habe ich ganz unpersönlich[ er: Theater. Ein Beigeschmack von Minderwertigem und Uns sang meinen Mann geheiratet."
Du willst Dich also jetzt scheiden lassen?" Mascha wußte nicht, ob sie sich ärgern oder freuen follte. Das war ja eben das Neue, daß der Mann, mit dem fie spielte, sie so ernst nahm. Unter allen, mit denen sie bisher gespielt, hatte, war kein einziger gewesen, der ihr eine
Scheidung zugemutet hätte.
Sie schüttelte leise und traurig den Kopf. .Das geht ja nicht."
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Bohrmann begriff zwar nicht völlig, warum es nicht ginge, aber die Scheidung war ihm nicht mehr die Hauptfache. Es brannte ihm im Herzen, zu erfahren, daß sie ihren Mann nie geliebt habe. Dann war sie ja wirklich das reine, findliche Geschöpf. Er wollte hundert Dinge fragen, aber er fand die Worte nicht. Endlich stammelte er:
,, Wie war der Seelenzustand... in welchem Du.. ihn geheiratet hast?"
Mascha lehnte sich zurück und ließ sich die Augen von Bohrmanns Händen bedecken.
Bohrmann hatte seine Hände von Maschas Augen fort. gezogen, und wie sie jetzt züngelte und die Augen einkniff in unenträtselbaren Erinnerungen, schrie er auf:
Mascha, Du bist.. Du warst.
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echtem und Gemachtem flebt an dem Wort. Theaterpomp, Theaterbegeisterung, theatralisches Auftreten die Sprache drückt es in Dußenden von Formen aus. Es geht so weit, daß Fernstehende gemeinhin überrascht sind, in einem Schauspieler einen einfachen und natürlichen Menschen zu finden.„ Er hat nichts von einem Schauspieler an sich," sagt man und meint das lobend. Wem fiele es wohl ein, the Wiel eher würde man fagen:„ ein rechter Maler," einem Maler zu sagen:„ er hat nichts von einem
Maler an
hat sich
für
um damit seine Zustimmung auszudrücken. Auch Dichter und Mufiter genießen bei Fernstehenden den Nuf einer gewissen Verschrobenheit. aber Schauspieler Familie ein Unglück, wenn ein Mensch Dichter werden will; viel tiefer eingefressen. Es es ist ein größeres, wenn er zum Theater" geht. Mitunter finden sich geborene Berbrecher, die mit beiden Plänen zugleich umgehen, und dann hat die Familie einen Anspruch auf alles Mitleid, das im Himmel und auf Erden zusammenzubringen ist.
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Ein Teil des Vorurteils hängt mit den Bedingungen der schauspielerischen Kunst zusammen und ist am Ende gar kein Vorurteil, sondern eine richtige Meinung. Es ist der berühmte wahre Kern" in der falschen Ansicht. Am Theater giebt es durchaus nicht mehr Un" Ich bin falsch erzogen worden, mein gutes Hänsel. Mein echtes und Imitiertes als in jeder andren Kunst. Nur daß der Bater schämte sich vor mir, weil er in zweiter Ehe eine blut- unechte Schauspieler für seine unechte Kunst mit der förperjunge Person heiraten wollte. So wurde ich bis zu meinem echte mehr am Menschen haftet, als in irgend einer andren Kunſt. lichen Persönlichkeit eintritt. Mit andern Worten: mur daß das Unfiebzehnten Jahre in Schweizer Pensionen herumgejagt. Ich Ein gezierter Schauspieler ist leicht im Leben auch geziert; ein geblieb nirgends lange. Da war ich viel mit Französinnen zuzierter Schriftsteller tann am Biertisch ein ganz vernünftiges Wesen sammen. Das ist ein schlechter Umgang für deutsche Mädchen. fein. Damit ist die Sache aber auch zu Ende und das Vorurteil bes Nach Hause kam ich erst nach der Hochzeit meines Vaters, und da ginnt. Ein Teil desselben haben natürlich die Theaterleute selbst gab es nur einen Gedanken: mich so rasch als möglich zu ver- hervorgerufen. Man braucht nur an die Reklame der Sorma zu Heiraten. Auch die Hausfreunde meines Vaters wünschten denken, um sofort ein Mißverhältnis zwischen Schein und Wirklichkeit mich fort, so gut ich ihnen gefiel. Ich glaube, es ging wüft zu spüren aus diesem Gefühl aber resultiert der Fluch des Minderbei uns zu. Damals vermutete ich schon etwas wie die bunte wertigen, mit dem das Wort„ Theater " behaftet ist. Die Sorma ist mir ein Beispiel; es ließen sich viele anführen, vor allem die Duse, die Lehrerin Reihe als Geheimnis hinter allem. Das Wort aber und was der Sorma in allem Schlechten. Es ist indes an dieser Stelle bereits dazu gehört, hat mich der Klügfte von meines Vaters ausgesprochen und kann gern wiederholt werden, daß gerade die Freunden gelehrt, ein Major a. D., auch mein guter Freund. echten Schauspieler und Schauspielerinnen sich von dem ruinöfen Mein Erster... wenn ich die Pensionen nicht mitrechne. Er Treiben fernhalten. Von Baffermann, Rittner, Reinhardt, Kayßler, ist irgendwo in einer Heilanstalt gestorben, er war zeitlebens Sauer, Matkowski, von Elie Lehmann, Rosa Bertens , Marie Meyer, ein arger Teufel." Bant- Steinert, Frau v. Böllnig usw. hört man nie etwas, es sei Einige von ihnen sieht und hört man sogar weniger, als im Hinblick denn, daß man von ihnen aus zureichenden Gründen hören muß. auf ihr Talent zu verantworten ist. Für diesen Berzicht auf Beitungslärm werden die Schauspieler indes keineswegs immer entschädigt. Wenn sie ernst arbeiten, sollten sie auch Sei still, Hänsel, und laß Dich nicht irre machen in Deinem ein gutes Recht auf ernste Würdigung haben, und das wird ihnen Glauben. Komm, sei auch Du wie ein Kind, knie wieder allerdings nicht immer zugebilligt. Der" Mimentultus" nach Wiener hier zu meinen Füßen und höre mir zu, wie ich dem Major Manier ist mir unter allen Schrecken der schrecklichste; er würde auch zugehört habe... Alles, was Menschen thun, thun sie nur, nicht gefördert, vielmehr zerstört werden, je mehr man fich daran weil sie Liebesverlangen haben, oder weil sie leben wollen gewöhnte, die ernste Arbeit der Schauspieler in ernsten Abhandlungen und ihren Hunger stillen, oder weil sie ihre Gitelfeit be- 3 würdigen. So aber wird ein elender Schwant in dreißig Zeiten friedigen möchten. Hast Du das begriffen, Hänsel? Daher abgelehnt, während man die gesamte Darstellung vielleicht in drei Borten zurückweist ich rede von Ablehnung, weil ich den tommt es, daß die Menschen untereinander leben wie Ernst so wenig im Zadel als in der Zustimmung ver Spinnen oder Wölfe, so voll Haß und Kampf. In den missen möchte; beides scheint zu Kämpfen aus Eitelkeit giebt es fluge und dumme fein. Die litterarischen Wochenschriften bringen im allgemeinen Menschen... So lehrte mich der Major. In den Kämpfen spaltenlange Verichte über die Premieren von den Schauspielern aus Hunger giebt es reiche und arme Menschen. Schade ist dabei wenig die Rede oder doch nur in einer aphoristischen Form, daß ich mir nicht alles genau gemerkt habe. Der Major konnte ichließt. In unsre gelehrten Revuen gar findet man Auffäße über die unbefriedigt läßt, auch wenn sie genug des süßen Lobs umdas viel luftiger ausführen. Warte mal: die Klugen oder Künstler aller Gattungen nur die Schauspieltunst muß beiseite Schlechten müssen die Dummen oder Guten immer unterkriegen. stehen. Ich weiß, daß es Schwierigkeiten zu überwinden giebt und Ebenso müßten die Reichen immer die Armen auffressen, tenne sie so gut wie irgend ein andrer. Das Buch des Dichters wenn nicht noch der Kampf aus Liebe da wäre. Richtig! fann zu allen Lesern wandern, Böcklins Sonne strahlt auch in den Da aber giebt es nicht Kluge und Dumme, nicht Reiche und minderwertigen Reproduktionen und kann mithin überall Licht und Arme, da giebt es nur Männlein und Weiblein. Jawohl! Wärme verbreiten; der Schauspieler ist an den Ort geUnd weil sich die Kämpfe aus Liebe in alle andren Kämpfe bunden. Nur scheint es eine grausame Logit, dem hineinmischen, darum geht die Welt nicht zu Grunde. Das Schauspieler alles zu nehmen, weil ihm die Bedingungen seiner Kunst schon vieles rauber Genau besehen, ist es auch durch nichts ist die bunte Reihe, die ohne Ungerechtigkeit bald dem Klugen gerechtfertigt. Einmal kann eine Abhandlung sehr wohl einen Behilft und bald dem Dummen, bald dem Reichen und bald griff, sogar eine Anschauung bout Schaffen eines Schauspielers geben dem Armen. Ist das nicht hübsch?" und dann habe ich wenigstens manchmal aus einem Artikel über Malerei etwas gelernt, ohne den Maler zu kennen. Es wäre merkwürdig, wenn man der schauspielerischen Kultur nicht ganz in derselben Weise dienen tönnte. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, ja jogar nach Schopenhauer auch Intelligenz. Also: laßt uns 930 wollen isid manimdo Ich möchte nicht mißverstanden werden, an Sympathie und oil or smalWärme fehlt es unsern Schauspielern gewiß nicht. Ihre Kunst bringt es mit sich, daß man im Guten und im Bösen in hohem Grade die Person verantwortlich macht, und so finden sie für echte Stunft gewiß auch einen echten Handschlag. Mir ist das
" Fürchterlich," stöhnte Bohrmann.d
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Du hast ganz recht, es ist auch fürchterlich. Aber das mals glaubte ich das alles und ließ alles mit mir geschehen, und als meine Stiefmutter und der Major meinen Mann für mich aussuchten, da nahm ich ihn eben."
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( Fortsegung folgt.)
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als mir gleich beleidigend
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Unser Schauspieler.nicht genug und dann denke ich auch weniger an die Schauspieler,
Es giebt viele, für die Theater und Imitation gleichwertige Begriffe find. Was mit dem Theater zusammenhängt, verhält sich zum Leben ungefähr wie Theaterprinzessinnen zu wirklichen. Man spricht von Theaterscenen, als von solchen, denen kein Ernst beizumessen ist, und wenn ein Maler die Situation eines Bildes oder ein Dichter die Situation eines Buches als unecht bezeichnen will, fagt
als viel mehr an ihre Kunst, und darin hoffe ich mit den besten unter ihnen eines Sinns zu sein. Für ihre Kunst aber verlange ich: mehr Raum, mehr Ernst, mehr Tiefe. Jepis
Daß der Einzelne wenig zu ändern vermag, habe ich selbst nicht ohne Bedauern empfunden. Es muß ein Umschwung in den allgemeinen Anschauungen eintreten. Die Neubelegungen müssen mehr beachtet werden selbst auf die Gefahr hin, daß ein paar
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