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Vielleicht forderte man ihn jekt auf, fein Drama vor- 1 Hegenprozessen zu Tage trete. So mächtig war noch vor zweis zulesen. Er war gerade in der Stimmung, er fürchtete nichts. einhalb Jahrhunderten dieser Rest des Götterglaubens unsrer Vors Die Herren am grünen Tische," fuhr Herr Lose fort, fahren: nur daß freilich unter dem Einfluß christlicher Vorstellungen ,, kennen das praktische Leben zu wenig. Was auf die Brot- der Herenwahn sich in der Hauptsache zu einer Karikatur des heidnischen Zauberwesens der alten Germanen entwidelt hatte, und frucht paßt, das paẞt noch lange nicht auf die Gerste, denn daß unter dem Christentum schließlich als unerlaubt, mit dem Sie müssen wissen, daß Rußland .. Scheiterhaufen strafbar und Todsünde galt, was den alten Deutschen ein durchaus wesentlicher, anerkannter und erlaubter Teil des Volksglaubens gewesen war.
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Bohrmann bemerkte auch, daß es zwischen Herrn Neumann und dem Direktor Lopinsky zu einem lebhaften Auftritt getommen war. Fräulein Szekal und der kleine Hantinger gefellten sich dazu, und die vier verließen plöglich das Rauchzimmer, als ob sie etwas untereinander heimlich besprechen wollten. Da stand Mascha neben ihm.
Ein glücklicher Zufall hat uns in ihrer ursprünglichen Fassung zwei Baubersprüche aus heidnischer Vorzeit übermittelt, die es er möglichten, über diesen Teil des altgermanischen Geisteslebens flarer zu sehen, als es bis dahin angängig war. Es sind das die sogenannten Zaubersprüche von Merseburg , wo fie, in einer alten Hand schrift aus dem zehnten Jahrhundert unter sonst lauter theologischen, intereffelofen Terten verstedt und daher lange übersehen, in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zufällig aufgefunden und von Jakob Grimm zuerst veröffentlicht wurden. Der eine davon lautet in neuhochdeutscher Uebertragung also:„ Einst sezten sich Jdise nieder, fezten sich hierher und dorthin; die einen hefteten Bande, die andren hielten das feindliche Heer auf, die audren pflüdten an den Feffeln herum: entspring Hafibanden, entfahr Feinden!" In seiner orafelhaften Kürze ist der Spruch nicht ohne weiteres verständlich, ( Fortsetzung folgt.) D Gm sondern bedarf der Erläuterung. Unter den Jdisen oder weisen
So langweile doch unsern lieben Bohrmann nicht mit Nationalökonomie."
Nationalökonomie! Wie das Einmaleins sprach Mascha solche Worte aus.
Meine Frau, lieber Herr Bohrmann, will mich nur an meine Pflicht mahnen, mich auch den andren Gästen zu widmen. Ich danke Dir, Mascha. Herr Bohrmann hat mich mit seiner finnigen Unterhaltung zu lange gefesselt."
Die Baubevei
( Nachdruck verboten.)
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Frauen, die des Zauberis kundig sind und davon einen dem Menschen wohlthätigen Gebrauch machen, sind in diesem Falle, obwohl sonst der Ausdruck einen viel weiteren Kreis halbgöttlich gedachter Gestalten umfaßt, jene Schlachtenjungfrauen zu verstehen, die, zu Bodans, des Göttervaters, Umgebung in Walhalla gehörig und feiner übermenschlichen Weisheit und Fertigkeiten in hohem Grade bei den alten Deutschen . Gemeinschaft leben, aber auf der Erde erscheinen, um in das Schlachten19 teilhaftig, für gewöhnlich mit den gefallenen Helden dort in feliger Der Glaube an die Möglichkeit der Bauberei, an das thatfäch getümmel auf ihren fliegenden Roffen thätig einzugreifen: in der liche Vorhandensein von Heren und Herenmeistern ist in Deutsch - altheidnischen Liedersammlung der Nordgermanen, der Edda , heißen Iand noch recht weit verbreitet. Defters thun Gerichtsverhandlungen fie Walküren. In unirem Spruch erscheinen fie in drei Gruppen bald in diesem, bald in jenem zurückgebliebenen Teil des Landes geteilt, wovon die eine hinter dem befreundeten Heer dessen Gedar, daß ganz harmlofe Berfonen bei einer abergläubischen Bevölle- fangene in Feffeln schlägt, die andre dem feindlichen Heer kämpfend rung in den völlig grundlosen Verdacht geraten, das Bich zu be- entgegentritt, die dritte endlich im Rücken des Feindes erscheint, um dessen hegen, Menschenkinder durch den bösen Blick oder sonstivie ertranten Gefangene ihrer Bande zu entledigen unter Aussprechen der lösenden zu machen und andre erstaunliche Kunststücke zum Schaden ihrer Nach- Formel:" Entspring Haftbanden, entfahr Feinden!" Die Edda nemt barn zu vollbringen; andrerseits wiederum werden vielfach durchtriebene das einen„ leyfigaldr", einen Löfungszauber. Die Meinung ist natürSchwindler und Schwindlerinnen oder Halbverrückte, die im Besiz zaube- lich, daß das Hersagen der Formel in ähnlichem Falle gleiche Wirkung rischer Fähigkeiten zu sein behaupten, von zahlreichen Gläubigen ehrfürchtig verspreche, jedenfalls unter der Voraussetzung, daß man dabei auch um Rat und Hilfe angegangen. Der Rest altgermanischen Heiden- anderweitig für seine Befreiung thätig ist, mit„ Herumpflücken" an tums, der in dem Glauben an Bauberei zu erblicken ist, wurzelt der Fessel oder wie sonst. Anders möchte der Glaube an die zaubereben bei wenig aufgeflärten Teilen der Nation noch immer so fest, hafte Wirkung des Spruchs wohl rasch in die Brüche gegangen sein. daß noch geraume Zeit vergehen wird, ehe jener thörichte Aber- 8weifellos aber hat der christliche Mönch, der den Spruch zu Papier glaube ganz zu den Dingen der Vergangenheit gezählt werden kann. gebracht und der Vergessenheit entrissen hat, bei sich den Zauber des Ein beträchtlicher und erfreulicher Rückgang gegen noch nicht so gar verpönten Heidentums für wirksam und nützlich gehalten, da er ihn weit zurückliegende Beiten ist freilich unverkennbar. Man braucht mitten unter fromme Erzeugnisse der Gottesgelahrtheit einzureihen bloß das beste Erzeugnis unsrer Litteratur im Zeitalter des dreißig- fich ertühnte. jährigen Kriegs, Grimmelshausens prächtigen Sittenroman Der abenteuerliche Simpliciffimus", zur Hand zu nehmen, um sich mit Er: staunen von der merkwürdigen Thatsache zu überzeugen, daß selbst dieser Sonst so scharfsinnige, an durchdringender Menschentenntnis und Lebens erfahrung so reiche Schriftsteller der Wahnidee des Hegenwesens steif und fest huldigte. Bei ihm wird in einem Kapitel des ersten Buchs, das betitelt ist: Wie Simplicius zu den Heren auf den Tanz gefahren," allen Ernstes beschrieben, wie dem Helden, als er eines Abends zum Diebstahl von Lebensmitteln in ein Bauernhaus eintreten will, bas folgende haarsträubende Erlebnis begegnet: Unterdessen nahm ich eines Spalts gewahr, den das Küchenschälterlein hatte, welches nach der Stube ging; ich schlich hinzu, zu sehen, ob die Leute nicht bald schlafen geben wollten; aber meine Hoffnung war nichts, denn fie hatten sich erst angezogen und anstatt des Lichts eine schweflichte blaue Flamme auf der Bank stehen, bei welcher fie Steden, Besen, Gabeln, Stühle und Bäute schmierten und nacheinander damit zum Fenster hinausflogen. Ich verwunderte mich schrecklich und empfand ein großen Grausen, weil ich aber größerer Erschrecklichkeiten gewohnt war, zumal mein Lebtag von den Unholden weder gelesen noch gehört hatte, achtete ich's nicht sonderlich, vornehmlich weil alles so still herging, sondern verfügte mich, nachdem alles davongefahren war, auch in die Stube, bedachte, was ich mitnehmen und wo ich solches suchen wollte, und setzte mich in solchen Gedanken auf eine Bant rittlings nieder. Ich war aber faum aufgesessen, da fuhr ich samt der Bank augenblicklich zum Fenster hinaus und ließ mein Ranzen und Fenerrohr, so ich von mir gelegt hatte, für den Schmierlohn und eine künstliche Salbe zurück. Das Auffigen, Davonfahren und Absteigen geschah gleichsam in einem Nu; denn ich kam, wie mich bedünkte, augenblicklich zu einer großen Schar Volts, es sei denn, daß ich aus Schreden nicht darauf geachtet habe, wie lange ich auf dieser weiten Reis zugebracht. Diese Leute tanzten einen
wunderlichen Tanz, dergleichen ich mein Lebtag nie gesehen." Der Herentang, der schließlich sein Ende dadurch findet, daß der über den etelhaften Anblid zu Tode erschrodene Simplicius Gott anruft, worauf der ganze Sput in einem Hui verschwindet, wird mit lebendigen Farben drastisch geschildert, und im folgenden Kapitel werden dann allerlei Histörchen erzählt, nach Grimmelshausens Meinung Thatsachen, die erweisen sollen, daß Simplicius nicht mit dem großen Messer aufgeschnitten habe, sondern sein Erlebnis fich durchaus mit der Erfahrung im Einklang befinde, wie sie in den
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Sein zweites wunderkräftiges Sprüchlein gehört einem andern Gebiet des Zauberwesens an, nämlich dem des Besprechens von Krankheiten; es wimmelt darin nur so von heidnischen Göttergestalten, daß man erstaunen muß, woher der Mönch die Frechheit nahm, niederzuschreiben, was dem Christen in ihm alé Teufelei und Todsünde hätte gelten müssen. Phol und Wodan ", heißt es da, " ritten in den Wald. Da ward dem Fohlen Balders sein Fuß verrenkt. Da besprach ihn Sindgund, der Sonne ihre Schwester; da besprach ihn Freia , der Volla ihre Schwester; da besprach ihn Wodan , wie er wohl konnte, sowohl Knochen, als Blut, Gliederverrenkung: Knochen zu Knochen, als Blut zu Glied Blut, zu Gliedern, als ob sie sie geleimt seien!" Der Gott, deffen Noß der Unfall zustößt, Phol ist ein und dieselbe Person mit Balder , wie er in dem Spruch ja auch genannt wird. In der nordischen Edda erscheint er nur unter der letzteren Bezeichnung, während von seiner in Deutschland gleichwertigen Benennung Phol zahlreiche süddeutsche Ortsnamen zeugen: er ist ein Sohn des Wodan und seiner Schwester und Gattin Freia und als Gottheit des Lichts gedacht. Während mun weder Sindgund noch auch Freia selber durch Besprechen die Verrenkung zu heilen vermögen, gelingt dies dem Göttervater ohne weiteres; er kennt die richtigen Bauber worte, deren man sich also im entsprechenden Fall zu bedienen hat, um eine gleich erfolgreiche Kur zu stande zu bringen. Wodan ist mit allen Arten der Zauberkunst am besten vertraut. Wer sonst etwas davon versteht, hat seine Weisheit von ihm entlehnt. Doch verdankt auch Wodan , der Edda zufolge, seine Kunde nicht sich selber, sondern hat sie von seinem an der Wurzel der Weltesche Yggdrasil hausenden Oheim Mimir gegen Verpfändung eines Auges gewonnen. Was er da alles gelernt hat, spricht er in einem Eddalied( nach Bolzogens Uebersetzung) folgendermaßen aus:
BU
Silfreich zu sein verheißt Dir das Eine
Ju Streit und in Jammer und jeglicher Not. Ein Andres lernt ich, das Leute gebrauchen, Die Aerzte zu werden wünschen.
Ein Drittes fenn' ich, das kommt mir zu gut Als Fessel für meine Feinde;
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Dem Widerstreiter verstumpf' ich das Schwert, g Cnot of Ihm hilft teine Wehr noch Waffe.