- 25 Toupe gegen den flmgen Mann, der nun ihre große Aehn- lichkeit mit ihrem Bruder Ragu bemerken konnte. Klein und cholerisch, hatte sie ausgeprägte Züge, dichtes rotes Haar, niedere Stirn, kleine Nase, breite Kinnladen. Der weiße Teint, der den Rothaarigen eigen ist, und der ihr mit ihren achtundzwanzig Jahren ein frisches, jugendliches Aussehen gab, erklärte zur Genüge die lebhafte Begierde, die sie Bonnaire ein» geflößt, und die ihn veranlaßt hatte, sie zu heiraten, obgleich er ihren boshaften Charakter kannte. Run. als seine Frau, verleidete sie ihm das Haus mit ihren unaufhörlichen Zornesausbrüchen, und er mußte sich in allen Einzelheiten des täglichen Lebens ihrem Willen beugen, um Frieden zu haben. Kokett, von dem einzigen Ehrgeiz verzehrt, schön gekleidet zu sein und Schmuck- fachen zu tragen, wurde sie nur sanftmütig, wenn sie ein neues Kleid zum Geschenk bekam. lFortsctzung folgt.) (Nachdruck verboten). gI) Vie bimto Vrihv. Berliner Roman. Bon Fritz Mauthner . Anstatt sie aber ihr Anliegen vorbringen zu lassen, be- mühte sich Konrad auffallend, von gleichgültigen Dingen zu reden. Er erinnerte an alte Mitglieder seiner einstigen Schauspielertruppe, an verdorbene und gestorbene Bühnen- großen der kleinsten Städte; er erzählte Anekdoten und suchte die Erinnerungen des Fräulein Rehmond auf- frischen. Sie blieb schweigsam und schien geduldig darauf zu warten, daß sie zu Worte käme. Als aber nach der völligen Erschöpfung Konrads nun auch Bohrmann den Versuch machte, die Aussprache zu verhindern, da unterbrach sie ihn lächelnd und sagte: Ich bin nicht allzuviel nütze, ober von meinem Willen bringt mich so leicht niemand ab. Ich bin herübergekommen, um meinem guten alten Direktor die Leviten zu lesen und um zwischen Ihnen beiden Aufrichtigkeit herzustellen. Ihre Anwesenheit hier im Hause, mein lieber, guter Direktor.. Dein lieber Direktor mag ich sein, Elisabeth... zieh' kein Gesicht, Johannes, ich habe alle meine Leute geduzt, und wenn ich die vom Ärmiprinzen-Theater nicht duzen mag, so ist es eine Schande für sie, nur für sie... Dein lieber Direktor, ja. Aber Dein guter Direktor bin ich nicht. Wer darf sich gut nennen? Hast Du die Erbsünde der- gessen? Elisabeth, Du hast nicht Theologie studiert, sonst würdest Du nicht sagen, daß ich gut bin. Du urteilst nach Dir. Aber den heiligen Augustinus hast Du rncht gelesen. Durch die Erbsünde sind wir allesanrt schlecht geworden, und wenn niir nicht mein Katholizismus heilig wäre, weiß der Kuckuck, ich würde übertreten, bloß Eurem Luther zu- liebe, weil der den heiligen Augustinus und die Erbsünde richtig verstanden hat... Ein grundschlechter Kerl bin ich und muß es f' it, damit ich erlöst werden kann. Sieh' zum Beispiel... wir sitzen da um den runden Tisch herum und es steht nichts darauf. Warum muß ich inimerfort an Bier und Sekt denken, trotzdem ich Dich sehe, meine Elisabeth? Weil ich ein grundschlechter Kerl bin. Also hat der heilige Augustinus recht und Luther hat recht.... Deshalb braucht Ihr an mir noch nicht zu der- zweifeln. Wie der heilige Augustinus in sich ging und heilig wurde, da hatte er ein natürliches Kind. Ich brauche mich also gar nicht zu schämen. Und wenn aus den gefallenen Engeln Teufel geworden sind, so kann auch einmal aus einem Teufel ein Engel werden. Alles ist Gnade und Vorher- Bestimmung." Als Konrad innehielt, wollte Bohrmann den Faden auf- nehmen. Die Vorherbestimmnng, lieber Konrad..." Fräulein Rehmond sah ihn aber mit lächelnden! Kopf- schütteln an, und er verstuinuite. Es blieb lange still in der Stube, dann sagte sie: Es ist nämlich, lieber Direktor, daß Sie die Gast- freundschaft des Herrn Bohrmann schon zu lange in An- spruch nehmen. Er würde eS Ihnen nie selbst gesagt haben, und auch mir hat er sich nicht anvertraut. Aber als Nach- barin und als seine Freundin,.. nicht wahr, Herr Bohr- mann... da habe ich ein Recht, zu sehen und zu sprechen." Wieder"wurde es still. Dann sprang der Direktor auf und warf sich auf das Sofa. Er drückte seinen Kops in die Ecke, und nur undeutlich vernahm man, was er sprach: Kam?. i. Unstet und flüchtig meine Schuld stinkt zum Himmel, denn ich habe meinen Bruder erschlagen." Dann setzte er sich mit verstörtem Gesicht auf das Sofa hin, riß Kragen und Krawatte und beide Stulpen herunter, warf sie zu Boden und rief: Also gut, ich bin ein Schuft! Und hier hast Du Deine sieben Sachen wieder, mein armer Bruder. Aber aus dem Paradiese vertreiben lasse ich mich nicht l Fällt mir gar nicht ein l Zu dumm! Niemals wieder werde ich es so gut haben wjc hier... setz' Dich zu mir, Elisabeth. Ich will Dir das erklären. Ich muß mich nämlich ausleben... hier aber habe ich alles auf einmal... ich habe die heiligeElisabeth in meinerNähe, so daß meine unsterbliche Seele niemals Schaden leiden kann durch die Gemeinheit meiner Sterblichkeit, Ich muß in Deiner Nähe bleiben, Elisabeth, sonst verschwinde ich aufs neue in dem Veuusbcrge, der da heißet die Kneipe. O, o, Elisabeth, wenn Du wüßtest, wie viele Venusberge die fromme Stadt Berlin in ihren Mauern beherbergt und wie der Gast da be- Handell wird I Ja, selbst die Gattin meines Bruders Johannes kann ich nickst mehr entbehren I... Wenn Ihr wüßtet, wie mir ihre Nähe wohlthut und ihre Uebercinsttmmung... es ist geradezu zauberhaft... im Theater, immer derselbe Geschmack. Und wenn ich nun daran denke, draußen ein Glas zu trinken, manchmal mitten im Akte, dann sagt Frau Hilde auch schon gewiß: Finden Sie es nicht langweilig, Herr Direktor?" Bohrmann begann zu stottern, er werde gewiß einen Freund nicht gegen seinen Willen vertreiben. Fräulein Reh- mond aber unterbrach ihn und sagte mit fester Stimme: Seien Sie doch nicht schwach! Der Direttor muß fort. Der Kinder wegen muß er fort I Um der Kinder willen werden Sie gehen. lieber Direktor... es ist nicht wahr, daß Sie schlecht sind. Sie sind gut, Sie sind gut." Ich bin schlecht!" schrie Konrad, legte sich wieder auf's Sofa und warf sich umher wie ein eigensinniges Kind.Ich bin schlecht l Ein Hundsfott bin ich und will es bleiben! Die Erb- sünde! Ich lass' mir nicht sagen, daß ich gut bin. So ist sie immer, meine Elisabeth. Sie sagt mrr, daß ich gut bin. und damit schlägt sie mich breit; aber ich will nicht, ich will nicht! Ich bin nicht gut. ich bin nicht gut!" Er schrie es, als wollte er die Erinnerung an die Stimme des Mädchens übertönen. Fräulein Neymond war aufgestanden und beugte sich zu ihm herab. Sie sind ein guter Mensch, lieber Herr Direktor." Da schwieg Konrad still und lächelte ganz glücklich. Hexe I" sagte er herzlich.Hast eigentlich recht." Behaglich stand er auf und holte sich die Stiefel hinter dein Sofa hervor. Er zog sie an die Füße und sagte dabei: Alles ist eitel. Auch diese Oderkähne werden nicht mehr lange halten. Und so will ich das Paradies verlassen, augenblicks! Grüßt mir Fran Hilde und sagt ihr: Johanna geht, und nimmer kehrt sie wieder." Das ginge nicht, unterbrach ihn Bohnnann. Hilde würde ihrem Gatten mit Recht zürnen, wenn sie den gemeinsamen Freund nicht mehr vorfände. Um Siegfrieds willen sollte Konrad alles in Ruhe mit Hilde besprechen, bis morgen bleiben und dann in der Nähe eine Wohnung suchen. In der Nähe der Frankfurter Linden?" rief sKonrad. Niemals! Der Direktor des Kronprinzen-Theaters muß unter den wirklichen Linden wohnen. Ein feine Gareonwohnung. Ihr werdet schon sehen." Fräulein Rehmond blieb noch ein Weilchen, Bohrmann erzählte ihr, er habe seinen Aufsatz über die Karte von Palästtna vollendet, und sie lobte ihn dafür. Dann ging sie, um Frau Hilde nicht argwöhnen zu lassen, daß der Entschluß des Direktors von ihr beeinflußt worden sei. Als Hilde eine Stunde später nach Hause kam, um die Kinder abzugeben und den Direktor zur Sommeroper abzu- holen, erfuhr sie die Neuigkeit, während Siegfried, sich über- stürzend, die Erlebnisse im Theater berichtete und auch Lcnchen eifrig dazwischensprach. Zu Bohrmanns freudiger Ueberraschung nahni Hilde die Nachricht gut auf. Man könne aus der Entfernung gut Freund bleiben. Es sei vielleicht besser so. Sie werde morgen früh, wenn es dem Direktor recht sei, mit ihm zu- sammen eine möblierte Stube suchen gehen. Einstweilen ging sie mit ihn: ganz heiter fort, und Bohr- mann brachte die Kinder zu Fräulein Reymond. Am liebsten wäre er heute bei Siegfried geblieben, um sein Geplauder anzuhören; aber er habe die Verabredung mit den Lehrern,