— 376 „!Ka das muy man eben ausbürsten." DieJStimme der Kanzlei- rätin klang etwas von oben herab. Fräulein Rieth schüttelte sich.„Jawohl, ausbürsten. Brr! Em- innl Hab ich'ne Schleppe getragen, aber nie wieder. Was da raus- kommt, wenn man sie ausbürstet! Und das soll man einatmen? Nein ich danke! Das ist ja ungesund." „Na ja, Du"— Fräulein G retchen mas; sie mit einem hoch- mtttig mitleidigen Blick.—„Du mußt Dir das ja auch alles allein machen. Du armes Ding; wir geben solche Arbeit doch aber unserm Dienstmädchen."— Aus dem Pflanzenleben. — Der Meerrettich. A. Sliwa schreibt in der Wochen- scbrift„Nerthus": Der Meerrettich(Coeirle-rria armoracia) gedeiht am besten in einem kräftigen, mit verrottetem Kuhdünger SO bis 60 Centimeter tief rigolten, frischen Boden und in offener Lage. Die vorteilhafteste Fortpflanzungsweise ist die Anzucht aus starken Nebenwurzeln. Diese über den Winter in Sand aufbewahrten Nebenwurzeln bereitet man in der Weise zur Pflanzung vor, daß man sie mif 25—30 Centimeter Länge kürzt, mittels eines ivolleuen Lappens von allen Faserwurzeln befteit, wobei man jedoch die warzenartigen Auswüchse oben und unten zu schonen hat. Auf den Beeten zieht man zwei Linien, jede etwa 15 Centimeter vom Rand entfernt. Mittels eines 50 Centimeter langen � Holzes werden die Pflanzlöcher unter Annahme eines seitlichen Abstandes von 45 Centi- meter und eines ebensolchen im Verbände dergestalt bereitet, daß dieselben schräg nach der Mitte des Beetes zu laufen; das obere Ende der Wurzelschnittlänge soll etwa 3 Centimeter unter die Oberfläche des Bodens zu liegen kommen. Hierauf wird der Schnittling angedrückt und angegossen. Im Laufe des Sommers ist der Boden cinigemale zu lockern und von Unkraut reinzuhalte». Am schön glatte und starke Stangen zu erzielen, legt man anfangs Juli die Wurzel» bis auf ein Drittel ihrer Länge bloß, hebt sie recht behutsam und ohne daran zu ziehen, in die Höhe und entfernt die in ihrem oberen Teil entwickelten Nebenwurzel» mittels des Messers, die Fasenvurzeln durch Abreiben und bedeckt sie, nachdem sie wieder in ihre Lage zurückgebracht worden, mit Erde, die man gut andrückt. Gleichzeitig schneidet niau alle etlva zur Enttvicklung gelangten Köpfe bis aus die zwei besten weg. Im August kann sich diese Arbeit wieder- holen.— Astronomisches. — Neues vom Himmel. Der Polarstern gehört, wie sich herausgestellt hat, zu den merkwürdigsten Fixsternen, die unfrer Beobachtung zugänglich sind. Vor kaum zwei Jahren machte Pro- feffor Canchbell von der Lick-Sternwarte den in Chikago ver- sammelte» Astrophysikern die überraschende Mitteilung, daß gemäß seinen spektroskopischen Aufnahmen der Polarsten: ein System von drei Siemen bilde, von denen nur einer uns direkt sichtbar ist. Die spektroskopische Untersuchung ergab nämlich, daß der Polarstern in der Richtung gegen die Erde hin eine veränderliche Ge- schwindigkeit befitzt, die in einer Periode von weniger als vier Tagen steh wiederholt. Daraus folgt, daß der Stern innerhab dieser Zeit mit einem unsichtbaren Begleiter um den gemeinsamen Schwerpunkt sich belvegt. Weiterhin erkannte Professor Campbell, daß diese Betvegung des Doppessystenis sich wiederum, aber sehr langsam, ändert, so daß man zur Annahme eines dritten Körpers genötigt wird. Diese Bewegung unifaßt aber einen Zeitraum von vielen Jahren, dessen Dauer natürlich noch nicht bestimmt werden konnte. Nach Aufstellung des großen photographischen Refraktors im astro-physikalischen Observatoriuin zu Potsdam hat Dr. I. Hart- mann Untersuchungen über den Polarstern angestellt und die von Professor Campbell gefundenen Thatsachen völlig bestätigen kömien. Wie die der preußischen Akademie der Wissenschaften soeben vor- gelegte Abhandlung von Dr. Hartmann näher nachweist, beträgt»ach den Potsdamer Beobachtungen die Nmlaufszeit des Polarsterns und seines näheren Begleiters 3 Tage 23 Stunden 14 Minuten 21 Sekunden und die Aenderung der Geschivindigkeit innerhalb dieser Periode ist 6 Kilometer in der Sekunde. Wird diese periodische Geschwindigkeit in Abrechnnng gebracht, so bleibt für die Bewegung des Sterns noch eine erhebliche Geschwindigkeit übrig, welche vom Jahre 1888, aus dem die ersten Beobachtungen darüber vorliegen, bis zum August 1899 abnahm, seitdem aber wieder wächst. Sie betrug 1888 für die Sekunde 25,3 Kilometer, 1899 11,7 Kilometer, im November 1900 nach Hartmanns Messungen 12,1 Kilometer und im Januar 1901 nach demselben Beobachter 13,3 Kilometer. Um die Dauer dieses Umlaufs zu ermitteln, wird es notwendig, den Stern noch jahrelang spektroskopisch zu verfolgen. Nach Dr. Hartniaun kann man inzwischen in ganz roher Schätzung annehmen, daß der sichtbare Stern gemeinsam mit seinem unsichtbaren Begleiter um einen dritten Körper in ungefähr 15 Jahren eine Bahn mit einer Geschwindigkeit von etwa 6 Kilometern für die Sekunde durchläuft und demnach der Durchmesser dieser Vahu mindestens dreimal so groß sein muß als der Durchmesser der Erdbahn. Eine merkwürdige Entdeckung an: Stcrilenhimmel hat Professor Wolf in Heidelberg mit Hilfe des dortigen großen photographischeu Teleskops gemacht, nämlich einen Haufen von Nebel- flecken. Derselbe steht im Stern bildeHaar derBer enice. Professor Wolf schreibt:„Um die Stelle stehe» zahlreiche klein« Nebelflecke so dicht zusammen, daß man bei»: Anblick dieser Gegend söruilich über das merkwürdige Aussehen dieses NebelhaufenS erschrickt.' Ich finde, daß dort mindestens 103 Nebelflecke auf rnicr Fläche von der Größe des Vollmonds beisammen stehen. Darüber sind 4 oder 5 größere und central verdichtete Nebel sowie mehrere langgestreckte, die weitaus meisten haben aber rundliche Form und sind kleiner." Die Deutung eines solchen Nebelhaufens vom Standpunkt der Welten- bildungslehre ist zur Zeit noch nicht möglich, jedenfalls aber gehört eine solche Gestaltung zu den größten Merkwürdigkeiten des Weltalls. — („Köln . Ztg.") Technisches. is. Kleider aus T o r f f a f e r n. Vor etwa 10 Jahren wurden die ersten Versuche mit der Verwendung der Torffasen: für Gewebe angestellt, kamen aber zu keinem günstigen Ergebnis, da die damals hergestellten Fasern zu hart und brüchig waren, um ein gutes Spinnnlatcrial abzugeben, sich außerdem auch nur schwer bleichen oder färben ließen. Eine Verbcssenmg der Faser er- zielte zuerst der Wiener Ingenieur Zichorner, der ohne Anwendung von Chemikalien eine Art von Torfivolle erzeugte, die sich zwar nicht zu feinem Garn verspinnen ließ, aber doch zur Herstellung grober Gewebe biegsam genug war. Es zeigte sich auch zugleich ihr großer Vorzug in der Auftmhmefähigkeit für Wasser und in der geringe» Wärmeleitung. Gewebe aus Torfwolle sind also als ein ausgezeichneter Schutz gegen Feuchtigkeit und Temperatureinflüsse zu schätzen, ferner brennen sie schwer und sind recht haltbar, außerdem billig. Zschorner verfertigte auch eine Torfwatte, die sich alS Verbandszeug, als Füllsel für Kopfkissen und Bettdecken eignet. Ferner fertigte er große Decken und Seile aus Torfgarn, während er die Rückstände zur Herstellung von Papier benutzte. Noch weiter ging dann Geige aus Düsseldorf , der eine feine Torffaser herstellte, die außerordentlich ausirahmefähig für Feuchtigkeit ist und auch gebleicht oder gefärbt werden kann. Die Gewinnung geschieht durch die Behandlung mit Säuren und Alkalien und nachträgliches Kochen der entstandenen Flüssigkeit, wodurch die Torfzellen zersetzt und alle wertlosen Teile ausgeschieden werden, so daß eine aus reiner Cellulose bestehende Torfwolle zurückbleibt. Diese ist weich und elastisch und kann geradeso wie Schafwolle versponnen werden, sie kann daher auch inVermischungmitBannuvolle oder Schafwolle zurHerstcllnng von Geweben benutzt iverden. Torfkleider nehmen im Sommer den Schweiß in sich auf und halten im Winter die Kälte ab. Als Ver« bandzeug benutzt, saugen sie die Ausscheidungen der Wunde aus« gezeichnet auf, ferner ivird Torfwolle empfohlen als Bettunterlage für Kranke, als Polsterung ftir Schienen, außerdem zur Herstellung von Filzhüten und Teppichen.— Humoristisches. — Unverzeihlich. Professor(zu seiner aus dem Dienst tretenden Haushälterin): Sie tvaren sehr sauber, pünktlich und accurat in Ihren Arbeiten— nur eines kann ich Ihnen nicht vergessen, daß Sie die Endsilben immer verschluckt haben!"— — Hinten her» m. Backfisch(in der Buchhandlung): „Was kostet der„Schiller" da im Fenster?" Buchhändler:„Zehn Mark!" Backfisch:„Ach, wie teuer ist denn das Kochbuch, welches rechts daneben steht?" Buchhändler:„Das kommt auf zwei Mark I" Backfisch(zögernd):„Und der Liebesbriefstcller links?" Buchhändler:„Fünfzig Pfennig." Backfisch:„Dann geben Sie nur, bitte, den."— — Verräterische Kritik. Herr:„Sehen Sie, gnädiges Fräulein, dort geht der Verfasser des neueste:: Sensations-Romans i .Sumpfluft." Dame:„Der? Nicht möglich! Der sieht ja aus tvie ein ganz anständiger Mensch!"— Notizen. e. Gabriele K'Annunzio schreibt ein Gedicht über den heilige» Franz von Assisi , das von dem Komponisten Rossi in Musik gesetzt iverden soll.— Dieser Gabriel wird noch die ganze Welt- und Heiligeugcschichte cinschlachten. Ja, es ist schwer heut zu Tage, wenn man Peierlein auf alle» lsttcrarischen Modesuppen sein will!— — Die Leipziger Finkenschaft wird am 13. Juni Hebbels„Judith" mit Matkowsky und Louise Dumont in den Hauptrollen im alten Stadt-Theater zur Anfführung bringen.— ,— H a l e v y s Oper„Der B l i tz" wird von der Marwitz- Oper während ihrer diesjährigen Spielzeit im Schiller- Theater aufgeführt iverden.— — Der Verein Düsseldorfer Künstler zu gegen- seitiger Ilnterstützung und Hilfe umfaßt jetzt 161 einheimische und 24 auswärtige Mitglieder. Außerdem sind 24 einheimische und aus- wärtige Künstlerinnen zu der Beschickung der Kunstausstellungen durch die Kommission des Vereins berechtigt. Das Vermögen betrug Ende 1900 440850 Mark, das Vermögen der Künstler-Wiltveukasse 129 787 M.— — Zur Gründung einer deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin und Naturlvissenschaften fordern Prof. Kahlbauin-Basel, Prof. Pagel-Berli» und Dr. Sudhoff« Hochdahl auf.— Verantwortlicher Redactcur: Heinrich Ströliel in Berlin . Druck und Verlag von Max Vading in Verlin.
Ausgabe
18 (15.5.1901) 94
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