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erblickt, da riß er sich los von dem Arm seines Begleiters, lief zur gemeine Destillen", über die die feinen Leute" auf der andren Tafel, roch flüchtig an den Blumen, die Früchte aber verzehrte er Seite sehr verächtlich die Nase rümpfen, es giebt da auch eine Ge­mit wilder Gier und den Wein goß er sämtlich zwischen den Heimratskneipe", wo man selbst Sonntags" nur gutes Publifum" marmornen Lippen wie in einen unendlichen Abgrund. Er wurde findet.

alsbald sehr aufgeregt und schrie wie ein Tier, immer dasselbe: In der Woche ist es still in der Hasenheide. Vormittags be Ich muß nachholen! Ich muß nachholen!" Als der Kellner die sonders, da liegen die Wirtsgärten einsam und leer, hier und da mur Suppe servieren wollte, war sie bereits verschlungen. Der Fisch ein vereinzelter Gast; wie ein einziges grünes Parfidyl zieht sich wanderte in den unerfättlichen Schlund mit einer Geschwindigkeit, die Straße hin, in den Bäumen fingen die Drosseln. daß die verblüfften Festgenossen kaum den Fisch gesehen hatten. Die Kellner liefen ratlos umher. Die Gäste aber empfanden jezt sehr peinlich, wie durftig und hungrig sie waren, und sie gedachten nicht, fich das ganze Festmahl vor dem Munde von dem toll gewordenen Marmorbilde tegessen zu lassen.

Nachmittags wird es lebendiger, die Biergärten füllen sich. In der Nenen Welt" ist Kinderfest, bei Happold und in der Unionsbrauerei Militärkonzert. In ganzen Scharen kommt das Publikum. Gut­bürgerliches" Bublifum übrigens. Beamte und Kaufleute, alles, was zwar nicht gerade zur Gesellschaft", aber doch zu den bessern Kreisen" zählt. In der Mehrzahl find es Damen und Kinder, die Männer kommen erst abends nach, wenn die Läden und die Bureaus geschloffen werden. Die Kinder spielen in den Gärten umber, die Damen trinken Kaffee, häkeln oder stricken und schwaßen. Sie schwagen sehr geist­reich. Es ist amüsant, ihnen zuzuhören.

Wie sich nun der Poet auf die Bratenschüssel mit dem Schlachte ruf: Sch muß nachholen!" stürzte, rafften sich die Festgenossen auf und hielten ihn fest. Diese unehrerbietige Intervention brachte den Dichter, der offenbar stunlos betrunken war, vollends zum Rajen. Er schlug mit den marmornen Fäusten und Füßen um sich, daß alles entsegt auseinanderstob. Der Litteraturprofessor blutete aus der feingeschnittenen Nase, dem militärischen Ehrenmitglied, einem An dem einen Tisch haben sie die Dienstmädchen vor. Das ist Hauptmann a. D., war die Hälfte des Schnurrbarts ausgerissen, der eine Gesellschaft. Zu der Kanzleirätin hat ihre Guste erst gestern Kassenwart, ein Bantier, hatte zwei klaffende, parallel laufende Risse gesagt: Ja, Frau Rätin, über mich schimpfen Se, wenn ich jeden am Doppelkinn, und der Landgerichtsrat jammerte über seine zer Sonntag ausgehen will, aber Sie jehu mit Ihre Jöhren alle Nach­brochene goldene Brille. Es war entseßlich. Inzwischen schrillte un mittag Kaffee tochen!" Frech, nicht wahr? aufhörlich der bestialische Schrei: Ich muß nachholen!" Und nun fang der Kerl gar, mit einer Stimme, als wenn Steine zerklopft Fressen, Saufen, Rippenstöße $ 1400 Giebt dem Dasein wahre Größe.

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Dabei schuhplattlerte er förmlich. Auf einmal erschienen in dem Saal, von dem Wirt citiert, fechs stramme Schutzleute mit schönen, geschmeidigen Gummischläuchen. Der Poet mußte sie wohl in seinem Rausch für Gerichtsvollzieher halten; denn er begann heftig zu zittern, und nachdem ihm ein paar Schläge an die olympische Stirn gesaust waren den Säbel ließen die Schuyleute in der Scheide, um den teuren Mann nicht zu beschädigen ergab er fich wimmernd. Er wurde in eine Zwangs jacke gesteckt und vorläufig in den Keller gebracht.

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Endlich konnte das Festessen seinen ordnungsmäßigen Verlauf nehmen. Wein war in Fülle zur Stelle. Suppe und Fisch waren schnell nen hergerichtet, der ärgerliche Zwischenfall verfiel der Ver­gessenheit, und bald erklomm die Begiſterung für die Kunst und den großen unglücklichen Boeten den Gipfel. Der Litteraturprofessor plaidierte energisch dafür, daß man den heute gehörten posthumen Bers in die gesammelten Werte aufnehmen sollte, und schließlich sang die ganze Tafelrunde im Chor:

Freffen, Saufen, Rippenstöße,

Giebt dem Dasein wahre Größe!

Am nächsten Tage fand man die Marmorstatue unten am Sockel liegen, befudelt mit bräunlichen Weinflecken. Die Presse sprach von einem ruchlosen Attentat; das offenbar von den moralischen und patriotischen Feinden des großen Dichters ausgegangen sei; wenigstens laste auf diesen die intellektuelle Schuld.­Joc.

ju da notte

Kleines Feuilleton.

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Die Lehmann schneidet immer auf", sagt die junge Frau in dem rosa Organdykleid. Was soll ihr neuer Sonnenschirm toften? Vier Mark funfzig? Die denkt wohl, unsereins komunt nicht zu Bertheim? Für funfzehn Groschen hat sie des Ding gehabt."

" Woher die Weber immer so elegant geht? Na, das will ich Ihnen ganz genau sagen." Die Kaufinamsfran stemmt die Hände auf den Tisch:" Bu ihrem Mann sagt fie: Der Spargel fost acht Grofchen, aber holen läßt sie bloß welchen zu finfe, und mit allen Sachen macht fie' s so, und, wenn denn der Mann über schlechte Ware schimpft, fagt fie,' s Dienstmädchen verstände nicht ein­Man hört hübsche Sachen an den Kaffeetischen der zukaufen. Hasenheide. bereits alle Gärten besetzt. Je weiter der Tag vorrückt, je voller Sonntags beginnt das Leben schon früh. Am Vormittag find wird es. Es

Das Sonntagspublikum ist ein andres als das der Woche. zählt erst recht nicht zur Gesellschaft", es zählt auch nicht einmal zu den besseren Kreisen". Es ist einfach Böbel".

Sonntags tommt die Gesellschaft, die während der Woche in Fabriken und Nähstuben, in heißen Küchen und lärmvollen Groß­bazaren figt. Kleine, blaffe, blutarme Rähmädchen, schmalwangige Verkäuferinnen, Dienstmädchen mit füchenroten Gesichtern, abe geracerte Proletarierfrauen schieben die Kinderwagen, Männer mit fchwieligen Händen und gefürchten Stirnen schleppen ihre Kleinen und Kleinsten herans.

Sie haben fein Geld, um in der Woche zu kommen, sie haben fein Geld, um hinauszufahren nach stiffen Wäldern und blauen Seen, aber hier in den Biergärten figen sie und atmen in vollen Zügen die reine Luft, die von den Kastanien auf sie niederweht. Und die Tassen und Gläser flappern, die Kinder jauchzen: Ach, es ist schön hier unter dem grünen Dach, tausendmal schöner als daheim in den loengen öfen, den finsteren Löchern der Hinterhäuser, dem Lärm und Staub der dunstigen Fabrik. Lachen und Leben überall, jubelndes Leben. Die Kegellugeln rollen, die Riesenschaukeln fliegen hoch und höher, von den Schieß hallen tönt Gewehrgetmatter, vor ben Würfelbuden drängt und schiebt man fich, die dünne Blechmusik der Karussells wird immer heller, Stimme fchrill tönt die der Ausrufer dazwischen. flammen auf. Iminer voller werden die Gärten, immer lauter, immer wilder die allgemeine Lustigkeit. Aus der Neuen Welt steigen die Raketen auf. Die Wangen der Mädchen fangen an zu glühen, ihre Augen bligen, ihre Füßchen trippeln, aus den Sälen loden Walzerklänge,- und dann kommt Er", und sie fliegen über das Parkett. Odu feliger Sonntag! O du Lust, zu leben, die Qual und Sorge des Alltags vergessen zu können bei armseligen Frencen einmal auf Stunden einmal! Wie ein toller Jubel schwirrt es durch die Luft.

dg. Die Safenheide. Existiert die denn eigentlich noch? ja, fie existiert schon, sie ist sogar interessant, viel inter­effanter jezt als damals, wo rechts und links noch armselige Kiefern

die dürren Aeste in die Lüfte streckten.

Alte und neue Zeit, Arm und Reich, ztvei Welten so weit ge­trennt, wie Himmel und Erde, Sonne und Mond, und doch mit einander verschwimmend in ihren Grenzen. Das ist die Hasenheide. Die Waldseite sehr vornehm, vom Walde gar nichts mehr zu fehen, bohe Häuser, sehr elegant, die Zimmer haben breite englische   Fenster, die das Licht in vollen Strömen einlassen, von den Balkons, aus den Loggien hängen Geranien und grüne Schling­gewächse.

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Dann kommit der Abend und die Lichter

Das ist die neue Prachtstraße des Südens, das ist das Geheim- Gräßlich der Radan," sagt gegenüber in einer der Loggien eine ratsviertel, wo drei Stuben tausend Mark kosten, wo man das Ver- Danie, wahrer Segen, daß das Back morgen wieder an die Arbeit guügen, auf dem Hofe vier Treppen zu wohnen, mit zweihundert muß, dann hat man doch seine Ruhe hier. Ach wißt Ihr, an so Thaler bezahlen darf. Es wohnt sich aber schön da oben; wohin einem Sommermorgen, wenn alles still ist und nur die Vöget man auch sieht, überall Grünes, vorn die breite Kastanien- Allee mit fingen, dann ist die Hasenheide doch am allerschönsten!" ihren schattigen Laubengängen, hinten der Wald, ein weites rauschen­des Wipfelmeer.

Der Ziegenbort von Deidesheim  . Ans Deidesheim   von. Gegenüber ist das ganz anders. 28. Mai berichtet Eduard Jost   im Pfälzischen Kurier" über einen Da liegen die großen Biergärten, da giebt es fleine Doppel- alten Voltsgebrauch: Am heutigen Tage vollzieht sich die auf Jahra dachhäuser mit breiten Freitreppen und grünen Fensterläden, da stehen hunderte alten Urkunden basierende Ueberführung eines Geisbocs im Schatten uralter Bäume Würfelvuden und Schießhallen, und an von Lambrecht nach Deidesheim  . Durch die Lieferung dieses den grünen Lattenzäunen hängt noch das verwitterte Schild von che- Hörnerträgers fichert sich Lambrecht das Waidrecht im Deides dem: Hier können Familien Kaffee tochen". Alles wie anno da heimer uralten Nach den Bestimmungen des zumal vor hundert Jahren, nur das elektrische Licht bei Happold Hebereinkommens hat der jüngste Bürger" von Lambrecht und in der Unionsbrauerei mahnt schon wieder an unsre vor vor Sonnenaufgang einen gut gehörnten und gut gebeutelten geschrittene Kultur. Jedes dritte Haus ist eine Kneipe, Kneipe, so steht wörtlich in der Stiftungsurkunde Biegenbock dem aber es sind Kneipen mit Unterschied". In den großen Stadtvorstande von Deidesheim   abzuliefern. Dieser spendet dem Brauereien trifft sich alles". E giebt da aber auch Ueberbringer des Tieres ein Käsebrot" und einen Liter Wein. So­

Stadtwald.

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