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Seid ohne Sorge, sie thut es doch. Viola odorata   femit ihre Schwestern, sie weiß, daß sie Gutes thun ohne Lohn, daß ihr schönster Lohn der Dank dessen ist, dem sie halfen. Sie weiß, auch Ihr werdet dankbar sein. Ju feurigen Farben malt sie es aus, wie Ihr Euren Dank beweisen werdet, Ihr armen Näherinnen.

Maeterlint muß man der Bühne Dank wissen, um so Ihr schüttelt den Kopf? Ihr zweifelt, Ihr sagt: Viola odorata  mehr, als sie geschäftlich. einen gewissen Heroismus er- meint es gut, aber ihr Gutmeinen wird nichts nügen, die bürger­forderten. Wolzogens lleberbrettI" hat fich im liche Frau thut das nimmermehr. Laufe des Winters zu einer Art Sensation ausgewachsen. Es ist vielleicht allzu harmlos geblieben, aber unter der Fuchtel der preußischen Censur fällt auch den Besten der Uebermut schwer. Der Einfluß, den es auf das Variété ausgeübt hat, die Nachahmung, die es in andern deutschen Städten findet, muß trotz allem als erfreulich bezeichnet werden. Die lang geplante Reform des Tingel­Tangels ist damit endlich aus dem Bereich der Diskussion in die Wirklichkeit hineingeführt worden. Der erste Schritt ist gethan; es liegt in der Natur der Sache, daß weitere folgen werden.

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worden.

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Für freie Station" werdet Ihr sicher mit Freuden bereit sein, der Hausfrau in der Wirtschaft zur Seite zu stehen", ebenso werdet Ihr auch gern die Garderobe der Kinder in Ordnung halten". Ja, das alles werdet Ihr gern thun, ich glaube, Ihr werdet noch viel mehr thun. Ihr werdet gerne zu Hause kochen, damit Eure Dame spazieren gehen fann; Ihr werdet ihr gern alle Arbeit abnehmen, stopfen, fliden, nähen, schneidern, Kinder warten werdet Ihr. Ihr müßt doch Euren Dank" für die gebotene Gast­ freiheit  " beweisen! lind Viola odorata   hat ganz recht, es bleibt Euch ja daneben immer noch Zeit genug, in Wald und Feld herumzustreifen und die frische Luft einzuatmen". Natürlich bleibt Euch die.

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Daß die Freie Voltsbühne" einen erfreulichen Auf­schwung genommen hat, haben wir bereits mehrfach dargelegt. Wir stellen in diesem Zusammenhang die Thatsache einfach fest. Auch in der Neuen freien Volksbühne" ist nach Kräften gearbeitet Von den Schauspielern muß zunächst die Dumont genannt werden, die in der" Orestie" durch eine Leistung von prachtvoller Kraft und Leidenschaft hinriß. Ju derselben Borstellung glänzte auch Rosa Bertens  , die dam später noch ein­mal in einer Vereinsaufführung der Macht der Finsternis" Zum Beispiel mittags, wenn Madame zu Haus bleibt und die Gelegenheit fand, ihr starkes, feuriges Talent zu entfalten. Kinder allein beaufsichtigt, weil es zu heiß ist, um auszugehen", oder Von den Schauspielern des Deutschen Theaters trat Kayßler am Abend, wenn alle Arbeit gethan ist und gerade keine Strümpfe mehr hervor, als wir es sonst gewohnt waren, und zwar trat er zu stopfen sind in der Sommerfrische zerreißt sich viel glaubt fehr erfreulich hervor. In der Neuen Freien Volksbühne" lernten Ihr nicht auch, Ihr armen Näherinnen, daß die bürgerliche Frau sich wir in Hedwig Wangel   ein modernes Talent von großer Fein- gerne sonnen wird in solchem Dank? heit kennen, und im Schauspielhaus sahen wir einen Künstler, den O sie wird es thun, sie wird Euch herausreißen aus Fabrik wir schon lange kannten, endlich einmal wieder in einer großen Auf- und Nähstube, zu Hunderten, zu Tausenden wird sie Euch mitnehmen gabe Mattowsky. Die Erfolge, die Bassermann im in die Berge, an die See. Ihr spart ja dem Haushalt die Berliner Theater" errungen hat, fanden im Deutschen  " eine Schneiderin und das Dienstmädchen. glänzende Fortsetzung er vor allem darf mit der Saison zufrieden Es lebe Viola odorata  , es lebe die Barmherzigkeit der bürger­

wir immer

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Erich Schlaikjer.

Kleines Feuilleton.

th. Arme Näherinnen. Jetzt hab ich doch einmal wieder er­sehen, daß die Socialdemokraten eine ganz verlogene Rotte find. Machen sie sich nicht fortwährend Inftig über den sogenannten " Wohlthätigkeitsdrang" der bürgerlichen Frau? Was für niedere Motive schieben sie diesem Drang nicht unter! Eitelkeit soll es sein, wenn die bürgerliche Frau zum Besten der Armen auf Bazaren und Festen ißt, trinkt und tanzt. Nur an sich soll sie denken, an die Ehre, die es ihr einbringt, wenn sie ihren Namen auf alle Wohl­thätigkeitslisten seyt, kein Herz soll sie haben, hochmütig soll sie niedersehen auf die arme, die in harter Arbeit sich mühende Frau. Schwindel, alles Schwindel!

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sein. Nicht ganz so zufrieden wird Frau Sorma sein, die mit lichen Frau! unheimlicher Deutlichkeit die ziemlich engen Grenzen ihrer Begabung zeigte. Daß Pohl ein ausgezeichneter Schauspieler war, wußten Rabe und Schildkröte. Seitenstüde zu der alten deutschen gegen Schluß der Saison durfte man sich im Schau- Fabel von Wettlauf des Hafen und Swinegels hat man, wie spielhaus auch endlich einmal durch den Augenschein davon über- A. Seidel in den Beiträgen zur Kolonialpolitik und Kolonial­zeugen. Die Darsteller, deren Wert bereits feststeht und im ver- wirtschaft" mitteilt, unter den Märchen der Kameruner und der flossenen Winter keine Veränderung erfahren hat, scheiden natur- Chinesen entdeckt. In einem fleinen Buche, das Elli Meinhof gemäß aus dieser Betrachtung aus. Alles in allem darf man sagen, im Jahre 1889 zum zweitenmal herausgegeben hat, und das einige daß der Winter fein verlorener war. Die Arbeit des Kritikers war Märchen und Fabelu aus Kamerun   nach den Erzählungen des manchmal bitter. Vergeblich war sie nicht. jungen Njo Dibone, eines Kamerunnegers, darbietet, findet sich die Geschichte eines Wettlaufs zwischen einer Gazelle und einer Schildkröte, bei welchem die erstere ebenso überliftet wird, wie der Hase vom Swinegel. Und in einer Kleinen Sammlung von spaßigen Geschichten in der Umgangssprache des nördlichen China  , welche Camille Imbault- Huart im Jahre 1882 zu Beting ver­öffentlicht hat, findet sich unter dem Titel: Ya kuei tscheng hsiung ( der Streit des Staben und der Schildkröte um das Erst­geburtsrecht) folgende Fabel: Ein Rabe und eine Schildkröte wollten am Ufer eines Flusses Blutsbrüderschaft schließen. Nun aber wollte jeder der ältere Bruder sein( dem nach chinesischer Sitte besondere Vorrechte gebühren). Die Schildkröte sprach: Es giebt ein Mittel( den Streit zu entscheiden). Laß uns wetten, iver zuerst über den Fluß kommt. Wer dem andern zuvorkommt, soll der ältere Bruder sein, wer zulegt anlangt, der jüngere." Da dachte der Rabe bei sich: Das ist ein Wittel, bei dem sie selbst hineinfallen wird. Ich brauche ja mir meine Flügel auszubreiten, so bin ich drüben, während sie mindestens einen halben Tag dazu ges braucht, ob sie im schnell oder langsam kriecht. Ich bin mit Deinem Vorschlage einverstanden," antwortete der Rabe und flog sogleich über den Fluß. Schildkröte!" schrie er, bist Du herübergekommen?" " Ich bin schon lange herüber," erwiderte die Schildkröte in seiner Nähe. Der Rabe aber schöpfte Verdacht und dachte bei sich: Wie Wehte mir der Wind da nämlich die neueste Nummer einer hat sie nur so schnell herüberkommen können?"" Wetten wir deutschen Frauenzeitung in die Hände. Es war eine äußerst lehr- noch einmal, wer zuerst auf die andre Seite zurückkommt," reiche Nummer, am lehrreichsten ein kleiner Artikel mit dem schönen sprach er zur Schildkröte, Wer zuerst aulangt, soll der ältere Bruder Titel Gastfreiheit  ". Eine wunderbare Jdce regt er an; Viola fein." Die Schildkröte war einverstanden, der Rabe flog von neuem odorata( zu Deutsch  : Wohlriechendes Beilchen) nennt sich die barm- auf die andre Seite des Flusses und schrie mit lauter Stimme: herzige Seele, die ihn schrieb. Schildkröte, wo bist du?"" Hier bin ich," antwortete die Schild­fröte. Wetten wir noch einmal," sprach der Nabe. Die Schildkröte war wieder einverstanden, und der Rabe flog davon. In der Mitte des Flusses angelangt rief er: Schildkröte, wo bist du?" Da sah er plöglich auf jedem Ufer des Fluffes eine Schildkröte; beide schrien zu gleicher Zeit: Hier bin ich." Als er dies bemerkte, rief Pfui, über euch Schildkröten, die einen ehrlichen Raben täuschen wollen."

Die bürgerliche Frau hat gerade ein Herz. Sie fließt über von Mitleid und Erbarmen, in tiefster Seele empfindet sie die Not der armen Arbeiterin, je mehr fie selber hat, je schwerer ergreift es fie, daß die andre allen Freuden des Daseins entfagen muß. Ich habe den Beweis dafür in Händen.

Wovon er handelt? Wirklich nicht von teuren Diners oder eleganten Kaffeegesellschaften, nein, von der" armen Nähterin", von dem Mädchen mit dem blassen Gesicht und den müden Augen", deffen fleißige Hände tagans, tagein durch die Stoffe gleiten", das keine Erholung und kein Ausruhen von der Arbeit kennt."

Viola odorata   fühlt mit tiefem Weh das traurige Dulderlos der Armen.

Die bürgerliche Frau ist gerade dabei, sich für die Sommerreife zu rüsten. Sie eilt mit den Ihren hinaus in schattige Waldeinſam­feit", an die vogende See". Die arme Nähterin" fann das nicht. Die arme Nähterin fertigt wohl die Reisekleider, aber sie selbst hat nicht teil an den Freuden lachender Sommerzeit.

,, Könnte man ihr die Freude nicht verschaffen?" fragt Viola odorata  .

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t. Die englischen Großstädte nach der letzten Volkss zählung. Die Ergebnisse der leyten Bolkszählung in England find jeßt veröffentlicht worden, wenigstens liegen genaue Angaben für die englischen Städte mit einer Einwohnerzahl von mehr als 100 000 bor. Die Bevölkerung von London   betrug danach 4 536 034 Einwohner am Tage der Zählung, eine Vermehrung von Wäre es nicht denkbar, daß so eine echte, glückliche Familie fich 307 717 im Vergleich zu dem Zählungsergebnis im Jahre 1891, so eines armen Menschenkindes annähme und es mitnähme in den fie hat sich also nur um 7,3 Prozent vermehrt, während Wald und an die See?" Ist das nicht ein Uebermaß von Güte? die Zunahme in dem vorausgegangenen Jahrzehnt 10,3 Prozent Horcht auf, Ihr armen Näherinnen! Ein wunderbarer Sommer betrug. blüht Euch entgegen! Ihr sollt nicht mehr zurückbleiben in dumpfer Fabrik, in enger Nähstube, im Lärm der Stadt. Durch die Wälder werdet Ihr streifen, im Schatten der Buchen werdet Ihr ruhen, Euch freuen am Gesang der Vögel, an der Unendlichkeit der See.

Seit

1891 hat fich außerdem die Bodenfläche von London   um 75 442 Ader englischen Maßes vermehrt. Es dürfte von Interesse sein, das Wachstum von London   im Laufe des 19. Jahrhunderts nach den stattgefundenen 11 Zählungen zu ber­folgen. Im Jahre 1801 war London   noch keine Millionenstadt,