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Bräsident hatte Blak gekommen. Dann erhob er sich, die] Aber es erfüllte Lucas mit brennender Scham, sein ganzes Urteilsschrift in der Hand, und stand einen Augenbick schweigend, Wesen empörte sich, daß er sich so sollte verbergen müssen. Er den Blick über die Menge hinaus ins Weite gerichtet. Endlich verbrachte bei diesem Thürhüter die peinlichste Viertelstunde begann er mit langsamer, tonloser Stimme zu lesen. Es feines Lebens, er empfand es als eine Feigheit, daß er nicht war ein sehr langes Schriftstück, die In Anbetracht, der Menge offen entgegengetreten war, er konnte sich nicht daß"*) folgten einander mit eintöniger Regelmäßigkeit, in die Rolle eines ängstlichen Schuldigen finden, die drehten die strittigen Fragen nach allen Seiten, bemühten sich, ihm da aufgezwungen wurde. Und als die Um­die geringfügigsten Einwendungen zu erledigen. Die An- gebung des Gerichtsgebäudes ruhig schien, wollte er wesenden hörten zit, ohne recht zu verstehen, ohne den Schluß nichts mehr hören und bestand darauf, ruhig zu Fuß erraten zu können, denn die Pro und die Kontra zogen in nach Hause zu gehen, ohne jede Begleitung. Er war allein bunter Reihe dicht aneinandergedrängt vorbei. Es schien jedoch allmählich immer mehr, als ob der Standpunkt Lucas' gut­geheißen würde, es hieß, daß niemand ein thatsächlicher Schaden zugefügt worden sei, daß jeder Grundeigentümer das Recht habe, auf seinem Besitz beliebige Arbeiten vornehmen zu lassen, wenn fein Servitut ihnen im Wege stehe. Und schließlich blitte das Urteil auf: Lucas war losgesprochen.

gekommen, er wollte allein fortgehen. In der Hand trug er nur einen leichten Spazierſtock, und er bedauerte es, selbst diesen mitgenommen zu haben, weil er fürchtete, daß man vermuten könnte, er habe sich irgendwie zu seiner Verteidigung bewaffnen wollen. Langsamen Schritts ging er seines Wegs, der ihn durch ganz Beauclair führte und niemand schien ihn zu bemerken, bis er den Stadthausplatz erreichte. Die Leute, die Einen Augenblick verharrten die Anwesenden in betäubtem der Verhandlung beigewohnt hatten, waren, nachdem sie ihn Schweigen. Dann, als sie sich des Geschehenen vollständig bewußt kurze Zeit erwartet, überzeugt gewesen, daß er erst nach wurden, brachen sie in Schmähworte und heftige Drohungen Stunden das Gerichtsgebäude verlassen werde, und hatten aus. Man entriß der fieberisch erregten, seit Monaten sich zerstreut, um die Neuigkeit von dem Urteilsspruch überall durch Lügen aller Art aufgestachelten Menge das Opfer, zu verbreiten. Aber auf dem Stadthausplatze, wo der Markt das man ihr versprochen hatte; und sie wollte es nun, sie stattfand, wurde Lucas erkannt. Man deutete auf ihn, die begehrte es heftig, um es zu zerreißen, da eine offenbar er- Leute flüsterten einander zu, einige begannen ihm zu folgen, taufte Justiz es ihr unterschlagen wollte. War Lucas nicht noch ohne böse Absicht, bloß um zu sehen, was geschehen der genieingefährliche Feind, der fremde Eindringling, der von würde. Es gab da hauptsächlich nur Bauern, Marktkäufer, weiß Gott   wo hergekommen war, uni Beauclair zu forrumpierrn, Neugierige, die nicht an dem Streit beteiligt waren. Und den Handel zu Grunde zu richten und den Bürgerkrieg zu die Sache nahm erst eine andre Wendung, als er die Ecke der entfachen, indem er die Arbeiter gegen die Herren aufhette? Rue de Brias erreichte, wo Laboque vor seinem Laden, außer Hatte er nicht mit teuflischer Bosheit der Stadt das Wasser sich vor Wut über seine Niederlage, inmitten einer Gruppe gestohlen, einen Bach abgeleitet, dessen Verschwinden ein von Zuhörern seinen Gefühlen Luft machte. Unglück für alle an den Ufern Wohnenden war? Diese Anklagen hatte das Journal de Beauclair" jede Woche wiederholt, sie mit giftigen Kommentaren umgeben, sie in die dicksten Schädel hineingehämmert, in allen das Verlangen nach unaufschiebbarer Vergeltung erweckt. Die Vornehmen, die Erlenholz und rotes Haar sind auf gutem Boden rar, heißt ein Bewohner des reichen Viertels trugen sie unter die kleinen Leute, deutsches Sprichwort, das sich in fast allen germanischen Mundarten verbreiterten und erläuterten sie, unterstützten sie mit dem vorfindet. Der Italiener sagt radikaler: Ein roter Mensch und ein Gewicht ihres Einflusses und ihres Vermögens. Und die wolliger Hund, lieber rasch tot als jemandem fund. Fast wörtlich Kleinen Leute, solchermaßen bearbeitet, verblendet und auf so lautet dieses Sprichwort bei den Franzosen. Aehnliche Sprich gestachelt, waren trunken vor But und verlangten den Tod des wörter haben die slavischen Völker. In neuerer Zeit hat sich der Uebelthäters. Fäuste wurden emporgestreckt, Schreie wurden Geschmack geändert. Germanenjungfrauen mit brannrotem Haar .Erschlagt ihn, erschlagt ihn, den Räuber, den und meergrünen Augen wurden namentlich in historischen Romanen Menschenvergifter!" Sehr bleich, mit steinernem Gesicht, sehr beliebte Dekorationsfiguren, und in jüngster Zeit übertünchten Modedamen ihr schwarzes oder blondes Haar mit dem einst so stand der Präsident inmitten des Lärms. Er wollte verachteten Not. Nach gelehrten Gründen, warum das rote Haar sprechen, wollte den Befehl geben, den Saal zu räumen; einst in Mißkredit gestanden hat, braucht man nicht lange zu suchen; aber er mußte darauf verzichten, sich Gehör zu verschaffen. So beschränkte er sich darauf, die Sigung zu schließen und fich würdevoll zurückzuziehen, gefolgt von den zwei Beisigern und dem Staatsanwalt.

laut:

( Fortsetzung folgt.)

Rotes Haar.

dem Volt ist alles nicht Normale unbequem und verdächtig, im Tier­wie im Pflanzenreiche; die Mistel ist eine allgemein bekannte Zauber­pflanze, verwachsene Kinder find Wechselbälge, und Triefaugen zeigen eine Here an. So hielt man auch die Rottöpfe für auffallend von der Gottheit gekennzeichnet und traute ihnen einen falschen, treu­losen Charakter zu." Nicht sei dir ein Rotkopf jemals ein be fonderer Freund", lautet die erste von zwölf Slugheitsregeln im Ruodlieb, dem romantischen Epos in mittellateinischer Sprache, denn solche sind jähzornig und treulos". Ungefähr um dieselbe Zeit sagt der Geschichtsschreiber Bischof Thietmar von Merseburg  ( 1019), indem er rote Farbe und falschen Sinn zusammenstellt: Boleslaw  , der Böhmen   Verweser, trug den Veinamen Rotkopf und war der Auftifter unglaublicher Ruchlosigkeiten." Vom König Fulfo von Jerusalem dagegen erzählt Wilhelm von Thrus Ende des 12. Jahrhunderts: Es war aber Fulfo ein rotföpfiger Mann, tren, friedlich und, der üblichen Meinung von jener Farbe entgegen, leut­Wort sagt, wird doch der Verräter Judas Jscharioth   allgemein als rothaarig angesehen. Diese Auffassung stammt vielleicht aus germanischer Anschauung, obgleich schon im alten Testament rot haarige Juden erwähnt werden. Efau war rötlich und auch König David; Luther   hat bei dieſem nur das rothaarig mit bräunlich übersetzt. Pessimistischen Anschauungen über Rothaarige begegnen wir auch bei weit entfernten Völkern, z. B. den Südarabern. Die Beduinen Hadhramauts erzählen, als Gott den Propheten Calih fandte, um den in Lafter versunkenen Stamm Thamud zu bekehren, glaubten deffen Angehörige nicht an die Göttlichkeit seiner Sendung Da führte sie der Prophet und verlangten ein Zeichen von ihm. an einen Felsen, öffnete diesen und ließ ein Kamel mit seinem Jungen daraus hervorgehen. Bugleich warnte er sie, den Tieren etwas zuleid zu thun, da das dem ganzen Stamm zum Verderben gereichen würde. Trotz des Wunders schenkten sie dem Propheten feinen Glauben. Einer von ihnen, Quodar el Ahmar, d. h. der Rote, tötete die Kamelfuh durch einen Pfeilschuß. Das junge Ramel verschwand wieder in dem Felsen. Zur Strafe aber vernichtete Gott den ganzen Stamm. Noch jetzt fagen die Araber deshalb rot wie Quodar" oder auch Unheil bringend wie Quodar, der Rote." Die Araber gehören wie die Juden zu den semitischen Völkern, denen die schwarze Hautfarbe typisch ist. Gleichwohl giebt es Rothaarige

Lucas hatte lächelnd und ruhig auf seinem Blake ge­seffen. Das Urteil hatte ihn ebensosehr überrascht wie seine Feinde, denn er wußte sehr wohl, in welcher vergifteten Atmosphäre der Präsident lebte, und er glaubte, daß dieser nicht im stande sein werde, Gerechtigkeit zu üben. Es war ihm ein starker Trost, unter so vielen menschlichen Niedrig feiten einen gerechten Mann zu finden. Aber als die wütenden Schreie losbrachen, wurde sein Lächeln zu einem traurigen, und er wendete sich gegen die schreiende Menge, das Herz von Bitterkeit erfüllt. Was hatte er ihnen denn gethan, diesen Kleinbürgern, diesen Kaufleuten, diesen Arbeitern? Hatte felig, wohlthätig und barmherzig." Obwohl die Bibel davon kein er nicht das Wohl aller gewollt, war nicht all sein Mühen darauf gerichtet, daß alle glücklich werden, einander lieben, als Brüder mit einander leben sollten? Und die Fäuste erhoben sich gegen ihn, Schreie gellten ihm in die Ohren: Erschlagt ihn, erschlagt ihn, den Räuber, den Menschen bergifter!" Dieses arme, verirrte, durch Lügen tollgemachte Bolt verursachte ihm tiefen Schmerz, denn er liebte es trotz allem zärtlich. Aber er hielt seine Thränen zurück, er wollte aufrecht bleiben, stolz und mutig der Beleidigung die Stirn bieten. Die Menge, die sich verhöhnt glaubte, hätte vielleicht alle Schranken durchbrochen, wenn es den Gardisten nicht endlich gelungen wäre, sie hinauszudrängen und die Thüren zu schließen. Der Gerichtsschreiber bat Lucas im Namen des Präsidenten, nicht gleich fortzugehen, um ein Unglück zu ver­meiden, und bewog ihn schließlich zu dem Versprechen, daß er eine fleine Weile beim Thürhüter warten wolle, bis die Menge fich verlaufeu habe.

*) In den französischen   Urteilsformeln gehen die Gründe dem Spruche voraus. Anm. d. Uebers.