Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Str. 126

Dienstag, den 2. Juli

1901

( Nachdruck verboten.)

erzählte mir, daß Ragu diesmal seine Frau halbtot ge­schlagen hat."

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Arbeit.

" Ich weiß nicht, gnädige Frau, aber es ist wohl über­Roman in drei Büchern von Emile Zola  . Aus dem Französischen trieben, denn ich habe die Frau gerade vorhin hier vorbei­gehen sehen, und sie sah nicht ärger aus als sonst."

übersetzt von Leopold Rosenzweig.

Als Josine fest bei ihrer Opferwilligkeit blieb, indem sie sagte, daß nur das Heute ihr wichtig sei, da sie ihn frei von jedem Hemmnis, stark und triumphierend siegen sehen wolle, rief er verzweifelt:

,, Wirst Du also nie zu mir zurückkehren, wird dieses Kind nie mein Kind sein, vor den Augen aller Welt, im hellen Licht der Sonne?"

Sie schlang wieder ihre Arme um ihn und flüsterte ihm zu, ihre Lippen auf den seinen:

" Ich werde zu Dir zurückkehren an dem Tage, da Du meiner bedürfen wirst, da ich Dir kein Hemmnis mehr, sondern eine Gehilfin sein werde, und werde Dir das süße Kind mitbringen, das dann für uns beide eine neue Quelle der Kraft sein wird."

Und das schmutzige Beauclair, die alte elende Höhle der zum Fluch gewordenen Arbeit, lag rings um sie in der Finsternis unter dem zermalmenden Druck Jahrhunderte alter Ungerechtigkeit, während die Beiden Worte der Zuversicht in eine Zukunft voll Frieden und Glück miteinander tauschten.

" Du bist mein Mann, und fein andrer hat je für mich existiert. D, wenn Du wüßtest, wie süß es für mich ist, Deinen Namen nicht zu sagen, troß aller Drohungen, ihn ganz für mich zu behalten wie eine verborgene Blume und zugleich wie eine Rüstung! Beklage mich nicht, Geliebter, ich bin stark und ich bin glücklich!"

Du bist mein Weib, ich habe Dich geliebt vom ersten Tage an, da ich Dich so elend und dabei so holdselig sah, und wenn Du meinen Namen verschweigst, so will ich den Deinigen verschweigen, er soll meine Religion und meine Stärke sein, bis endlich die Stunde kommt, wo Du selbst unfre Liebe laut hinausrufen wirst." batubi propition O, Lucas, wie gut und flug Du bist, und welches Glück erwartet uns!"

"

Du bist es, Josine, die mich gut und klug gemacht hat, und weil ich Dir damals zu Hilfe gekommen bin, werden wir eines Tages glücklich sein in dem Glücke aller."

Das Mädchen wartete eine kleine Weile und sagte dann noch, ehe sie hinausging:

"

Es sollte mich trotzdem nicht wundern, wenn er sie eines Tages wirklich totschlüge, denn er hat schon oft genug ganz laut damit gedroht."

Fernande   langsam und schweigend weiter, in düsteres Sinnen versunken, als Nise in findischer Zerstreuung halblaut zu trällern anfing:

,, Der wirkliche Mann der Josine ist nicht Ragu, das ist der Herr von der Crêcherie, der Herr Lucas, der Herr Lucas, der Herr Lucas!"

Ihre Mutter sah sie starr vor Staunen an.

"

Was sagst Du da? Woher weißt Du das?"

Erschrocken über das, was sie gedankenlos und gegen ihren Willen hinausgesungen hatte, beugte sich Nise über ihre Tasse und bemühte sich, harmlos auszusehen.

,, O, ich hab' das nur so gesagt, ich weiß gar nichts!" " Du weißt nichts, Du Lügnerin? Das ist Dir nicht von selber eingefallen, was Du da gesungen hast. Jemand muß es Dir gesagt haben, sonst würdest Du es nicht wieder­holen."

Nise fühlte, daß sie da etwas sehr Dummes angestellt hatte, das unberechenbare Folgen nach sich ziehen könne, und immer mehr in Verwirrung geratend, versuchte sie so teck als möglich zu leugnen.

Nein, Mama, ich versichere Dir; man singt manchmal nur so etwas, was einem durch den Kopf geht."

Fernande   sah sie scharf an und erriet plöhlich, woher Rise ihre seltsame Behauptung genommen haben mußte. ,, Nanet hat Dir das gesagt! Es kann kein andrer sein Nanet."

als

Nise zivinkerte mit den Augen, es war wirklich Nanet. Aber sie fürchtete wieder ausgescholten und bestraft zu werden wie damals, wo ihre Mutter sie, Paul Boisgelin und Louise Macelle dabei ertappt hatte, wie sie aus der Crêcherie zurückkommend, die Gartenmauer überkletterten. Sie fuhr fort zu leugnen:

11 1910

Sie sprachen nicht weiter und blieben noch einige Augen- O, mit Nanet komme ich gar nicht zusammen, da Du blicke in fester, inniger Umarmung. Er fühlte ihren bebenden, es mir doch verboten hast!" diy fruchtbaren Leib, und sie drückte ihre Brust dicht an die Voll fieberhaften Verlangens, alles zu erfahren, schlug feinige, als wollte sie ganz in ihm verschwinden und auf- Fernande   einen sanften Ton an. Sie war von so heftiger gehen. Dann machte sie fich los und kehrte stolz und um Erregung ergriffen, daß sie alle Strenge beiseite sette, denn besieglich zu ihrem Martyrium zurück, während er durch die die Uebertretung ihres Verbots verlor alle wichtigkeit im Nacht heimwärts ging, um weiter zu kämpfen und zu siegen. Vergleich zu der kostbaren Neuigkeit, über die sie Gewißheit Aber wenige Wochen darauf lieferte ein Zufall Josinens haben wollte. und die afrodit dregst onella Geheimnis Fernande   aus. Fernande   kannte Ragu, dessen anhöre, mein Kind, es ist sehr unschön, wenn man nicht Rückkehr in die Hölle ein gewisses Aufsehen erregt hatte; feit die Wahrheit sagt. Ich habe Dir neulich das Dessert entzogen, der Zeit that Delaveau, als schäße er ihn besonders, er weil Du mir hast einreden wollen, daß Ihr alle drei machte ihn zum Puddelmeister und bewilligte ihm eine außer über die Mauer geklettert seid, um einen Ball zu holen. ordentliche Zulage, obgleich er ein wüstes Leben führte. Wenn Du mir heute die Wahrheit fagst, verspreche ich Dir, Fernande   war auch unterrichtet von den heftigen Scenen im Dich nicht zu bestrafen. Also, war es Nanet?"- 4 Hause Ragus. Dieser legte sich keinerlei Zurückhaltung auf, stieß Nise antwortete als gutes Kind sogleich: ganz laut die gemeinsten Beschimpfungen gegen seine Frau aus, nannte sie öffentlich eine Straßendirne. Und in den Werkstätten fragten sich die Leute, wer wohl der Kamerad sei, dem Josine ihr Kind verdankte? Auch im Hause des Direktors war von dieser Angelegenheit die Rede, und Delaveau hatte in Gegenwart Fernandes davon gesprochen, wie unangenehm ihm die Sache sei, da Ragu, vor Eifersucht toll, ganz außer Rand und Band geraten war und wie ein Sinnloser arbeitete, indem er einmal drei Tage lang keine Hand rührte, dann wieder in eine unstillbare Arbeitswut verfiel, um in wütender Muskelauftrengung seinen Grimm auszutoben.

Delavean war auf drei Tage nach Paris   gereist, als eines Wintermorgens Fernandes Zofe dieser ihren Frühstücks­thee nebst gerösteten Brotschnittchen brachte; Nise   saß wohl­erzogen neben ihrer Mutter, trant ihre Milch und warf ver­langende Blicke auf den Thee, der ein verbotener Genuß für fie war.

"

Ja, Mama, es war Nanet."

Und er hat Dir gesagt, daß der wirkliche Mann der Josine Herr Lucas sei?" " Ja, Mama."

ihr

fich

,, Und was fagt er, warum glaubt er, daß Herr Lucas wirklicher Mann ist?"

Nise geriet in Verlegenheit und sentte wieder den Kopf. ,, Nun, weil... weil... er weiß es eben, Nanet." Troß ihrer Begierde, alles zu erfahren, begann Fernande  der Fragen zu schämen, die sie ihrem Kinde stellte. Sie drang nicht weiter in sie, und versuchte den Eindruck der brutalen Neugierde zu verwischen, die sie sich hatte anmerken lassen.. od

,, Nanet weiß gar nichts, er spricht Unsinn, und Du bist dumm genug, ihn zu wiederholen. Du wirst so gut sein, nie wieder solches alberne Zeug zu fingen, wenn Dir an Deinem Dessert etwas liegt."

Ist es wahr, Félicie," fragte Fernande   die Zofe, daß Sie vollendeten ihr Frühstück schweigend inmitten der es bei Ragu wieder Bank gegeben hat? Die Wäscherin Stille des kalten Wintertages draußen, die Mutter erfüllt