Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 189.

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Drauf los!

Freitag, den 27. September.

( Nachdrud verboten.)

Roman von Jonas Lie  .

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1901

Sahst Du die mit der dünnen Taille und den großen Augen, die, welche Cachucha tanzte? Das ist etwas andres, als was Du in Norwegen   findest! Und die Castagnetten, mit denen sie schlagen und klirren, so daß es Feuer und Flammen sprüht und sich das Herz einem um und um dreht! Sie sind aus Holz aus festem, glattent, steinhartem Holz. Aber schaust Du, so eine Schwarzäugige setzt sie in Flammen und da klirren... klirren... flirren sie, mein Junge!" Er pfiff die Melodie. Hm! Du hast noch viel zu sehen, Rejer, und es ist ein Glück, daß Du noch nichts weißt ich möchte Dich gern vor allem bewahren.. aber ein bißchen Verstand muß ich Dir doch beibringen, sonst wirst Du Dich nicht in acht zu nehmen wissen."

Ja, nun war er, Rejer Juhl, in die Welt hineingesprungen, einsam und unbekannt, mitten in den Ameisenhaufen! Wenn er sich sonst vorstellt, wie es weit draußen war, so hatte er stets an Batavia gedacht, war auf dem Generalgouverneur Swardecroon", der alten Schute mit dem hohen Hinter­tastell und den schwellenden Segeln an den Raaen, deren Bild daheim an der Wand hing, hinausgefegelt, so wie einst Leise singend ging er auf dem Molo auf und ab. Und sein Stammbater! Wie wohl dem die Welt erschienen höre mun, mein Junge: ich weiß ja, Du hast Dein Ober­war? Zäh war er gewesen und hatte vorwärts kommen stübchen nicht ganz leer... laß Du Dir es nie einfallen zu wollen, der Bursche! Und das wollte vielleicht heutzutage zeigen, daß Du mich kanntest, ehe Du an Bord kanist. Das der eine oder der andre Juhl auch! Aber ärmer als dieser wäre der gerade Weg, von jedem der Leute Haß zu ist der Alte kaum gewesen nicht zwei Thaler in der Tasche! eruten... Nimm lieber alle Reibereien hin; sie gehen Nun, wenigstens bin ich Koch! Müssen halt sehen, schließlich vorüber und ich werde, wo ich kann, für Dich irgendwo den Löffel hineinzukriegen, mich nicht viel bekümmern, mein Bestes thun. Nun, denke ich, werde ich es dahin ob sich jemand dabei die Schnauze verbrennt!" bringen, daß der Steward in der Kambuse die halbe Arbeit thut."

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Wie sein Blick halb in Gedanken auf und nieder streifte, schien es ihm mit einemmal, als müsse er diesen schwarzen Krauskopf in der Reihe unter ihm kennen.

Der Steuermann! Freilich ist das der Steuermann

Lind!

Das ganze Haus bekam ihm ein andres Ausschen; es war jemand da, den er auch fainte!

Der Vorhang ging auf, er aber mußte während des ganzen Aftes immerfort den Steuermann anschauen. Das Seidentaschentuch guckte ihm flott aus der Brusttasche seiner feinen Jacke, die Müße lag auf dem Knie. Er beugte sich zu einer Dame, welche gerade vor ihm saß. Sie war bleich und trug eine Nelfe im schwarzen Haar. Er sagte etwas, worüber sie lachte und dann fächelte sie sich. Nun schälte er eine Apfelsine und reichte sie ihr. Er war ungemein höflich und sprach und plauderte fortwährend. Keiner von den beiden kümmerte sich weiter um das, was auf der Bühne vorging.

Der Stenermann und die schöne Dame fesselten Rejers Aufmerksamkeit bis zum Schluß des Stückes. Zu seiner großen Verwunderung entfernten sich beide mit einander und er sah sie noch einmal flüchtig beim Eingangsportal aus der Menge auftauchen.

Eine Weile später spazierte er bei Laternenschein auf dem Molo auf und ab und erwartete die andern, ehe er den Alert anprajte.

Es war ein bißchen einsam herunten am Hafen oder eigentlich voll von Gesindel, und dann hatten sie diese laugen fatálonischen Messer... Aber er tastete öfters nach der Scheide, welche er unter der Jade trug, er hatte dafür cin Aafjorder Schnitmesser, und noch obendrein das von feinem Vater!

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Dennoch erleichterte es sein Herz. als der Steuermann Lind herabkam; derselbe war in hochgestimmter Laune und summte vor sich hin.

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Guten Abend, Rejer!"

Wie teck und seemännisch er aussah! Schon die Art, wie er die Hand an den Mund legte und wiederholt prajte, bis ein Hallo!" weit draußen ihm antwortete!- Rejer schwärmte für den Steuermann.

Hören Sie, Steuermann!" fragte er plöglich, was für eine spanische Dame war es denn, mit welcher Sie droben im Theater faßen?"

Der Steuermann sah ein wenig überrascht drein.

" Heda, hr, tummelt Euch ein wenig!" rief er dem Zimmermann.entgegen, welcher, laut schwäßend, mit seinem Begleiter von oben herschlenderte, während die Jolle schon an der Landungsbrücke anlegte.

Beim unsicheren Laternenlicht warfen die Fahrzeuge tiefe, schwarze Schatten auf den Grund des Hafens, und das Fort Montjuich sah wie eine drohende Riesengestalt in die Nacht hinein, während die Matrosen sie an Bord ruderten.

Droben zwischen den zahllosen Masten und Raaen funkelten große glanzvolle Sterne und Rejer gedachte ihrer, die Cachucha getanzt hatte und wie er das gar nicht verstanden. Nun sah er sie wieder in seinen Gedanken... jede Bewegung... hörte die Castagnetten... Ach, wie er sich doch auf dem Lande unterhalten hatte!

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Gut gerojet!" sagte der Steuermann, als sie bei der Schiffsfeite anlegten.

Sie lagen drinnen am Molo und nahmen Ladung ein, während jeden Morgen die Marktboote mit ihrem Handel sie umdrängten.

Das war ein Treiben, ein Rufen, ein Schleppen, daß man sein eignes Wort nicht vernahm, und man brauchte sich nur über die Reling zu beugen, um all sein Geld los zu werden. Dieselben Boote legten sich täglich an dieselbe Stelle; Rejer begann sie zu unterscheiden.

Während er im Morgennebel da stand und sich an die Verschanzung lehnte und die alte Nachteule von einer Ver­fäuferin erkannte, die bei den Halsen faß und in ihr eignes Gemüse hineinschrie, gab es achterwärts beim Sonnensegel ein andres Schauspiel.

Ein junges Mädchen in weißen Strümpfen und leichten Schuhen saß mit aufgestrickten Aermeln und mit einem schnee­weißen Handtuch im Schoß da und wusch und kämmte ihren fleinen Bruder, ehe sie die Brücke hinaufging. Unaufhörlich that sie ihm schön, wenn er sich widersetzte; sie bewunderte offenbar ihren kleinen, schwarzgelockten, eigenwilligen Prinzen von einem Bruder. Da plötzlich riß er sich von ihr los. Sie sprang ihm nach und ergriff ihn, als er sich gerade an einem Teerkübel beschmußen wollte und die alte Nachteule im Kohl drinnen schalt.

Wie um Zengen für ihr Recht zu fordern, sah sie sich um. Ihre Augen begegneten denen Rejers. Sie errötete ein ,, So! Warst Du dort? Sie... na. ste ist so eine wenig, während sie zugleich lachend der Alten antwortete und Art Verwandte von mir." den Jungen zurückzog.

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Hier in Barcelona  ?"

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Ja, sie ist hergekommen zufällig eigentlich etwas wie Geschwisterkind... weit entfernt ,, Versteht sie norwegisch?"

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Aber welches Lächeln, welche Augen!

Er sah sie an, er stahl sich näher, um sie anzusehen, that, als kehre er ihr den Nacken zu, während er sich rittlings auf das Geländer sette und eine Hüfing um einen Bolzen ja, so so... ein bißchen... Aber Du brauchst surrte. Er stieg an der Schiffswand eine Leiter auf und gerade nicht darüber zu reden, daß Du uns zusammen ge- ab, als habe er da irgend eine Arbeit und etwas Wichtiges sehen, zu keinem Menschen an Bord! Du begreifft?" nachzuschauen alles bloß, um keinen Blick von ihr wenden Er pfiff leise vor sich hin. zu müssen, bis sie endlich mit dem Bruder auf dem Molo

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