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der Lage waren, das volle Schulgeld zu zahlen". Die erwachsenen Es ist prächtig nachgefühlt und dargestellt, wie Mein- Walther Töchter, welche Fräulein find, denn sie sind in der Tanzstunde den strengen eifrigen Katechismusgott in Einklang zu bringen sucht gewesen"; der Schriftsetzerlehrling Lorenz, mit dem Klein- Walther das mit seinem Gott, den er sich als die höchste Güte und höchste, Bett teilen muß; der pedantische Schulmeister Bennetvig; die lüsterne allzeit hilfreich gegenwärtige Allmacht und Gerechtigkeit vorstellt." und mucerische alte Jungfer Laps; die resolute Waschfrau Frau Klaus Zweifel und innere Kämpfe bleiben denn auch ihm nicht erspart. und ihre prächtige Tochter Femke, die Dulcinea des jungen Don Quichotte„ Die ersten Anstrengungen zum Uebergang vom absoluten Glauben Walther; der ebenso prächtige Freidenfer Doktor Holsma; der ur zum unabhängigen Denken wirken lähmend und es ist nicht zu vergesunde katholische Pater Jansen, dessen Orthodoxie sich vortrefflich wundern, daß so wenige die Kraft befizen, diese Anstrengungen mit den Vorzügen eines guten Frühstücks verträgt diefes ganze durchzusetzen bis zum äußersten." Heer föstlich nach dem Leben gezeichneter und bis auf ihre Nieren Die ungehobelten Platitüden der Sprache Kanaans gingen geprüfter und ausgespähter Personen muten den Leser an wie eine glücklich an Walther vorüber, ohne zu schaden; er lernte, gütig und Galerie genau bekannter Leute, die man oft schon gesehen zu haben folgsam wie er war, was in seinem Büchelchen stand, und ward im glaubt, eben weil sie so naturwahr gezeichnet sind, wie nur je ein Vorbereitungsunterricht zur Konfirmation einer der besten„ Seligkeits= ausländischer Maler, ein Rembrandt oder Teniers , ein Ostade oder lehrlinge", so daß er ein Prämienbuch erhielt. van Dyt Menschen gemalt hat.
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Unmöglich ist's, auch nur slizzenhaft, die Fabel, die Geschichte wieder zu erzählen, diese Reihe der furchtbar einfachen, aber für die innere Entwidlung Walthers so hochwichtigen tleinen Abenteuer mud Ereignisse vermittelst deren sein Geist und Wille zu jenen drei mächtigen Leitmotiven alles Menschenlebens geführt wird:" Leben, Wissen, Kämpfen!" Welch eine furchtbare Erfindungsgabe offenbart sich hier! Welche Fülle von Humor und Satire, Scherz und Laune hat reiche e per steer te ausgegoffer! Daneben die überreiche Menge geistreicher Gedanken, überraschender Einfälle und oft paradorer, aber meist erschreckend wahrer Ausfälle einer ägkalischarfen Gesellschaftskritik!
Vor allen Dingen verkündigt seine pädagogische Straf- und Bußpredigt im Gewande ergreifender Erzählungspoesie das Recht des Kindes.
Es ist merkwürdig, daß so viele Menschen fich anmaßen, Kinder zu haben. Im Tiergarten fenne ich einen Wärter, der mit den Tigern umzugehen weiß. Ein andrer zeigt sich für die Vögel geeignet. Auch die künstliche Fischzucht hat ihre Specialitäten: Aber Kinder hält jeder!"
" Hält jeder", wie man einen Knecht oder ein Haustier hält, von dem man dann„ blinden Gehorsam", ungemein tiefe Verehrung warum nicht gar Anbetung? verlangt. Dagegen eifert Multatuli auf das schärfste.
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Es ist nicht wahr, daß ein Kind Unterthänigkeit und Liebe feinen Eltern schuldig ist. Diese elende Borschrift ist erfunden zur Bequemlichkeit von Eltern, die Mangel fühlten an geistigem lebergewicht und zu faul waren oder zu dürr von Herzen, um Liebe zu
verdienen."
An seine Kinder richtet Multatuli in einem seiner Werte die Apostrophe:„ Ich möchte wohl einmal einen„ Herrn" sehen, der die Macht hätte, Euch zu hindern Eure Mutter lieb zu haben! Mit oder ohne Bibelwort, für oder gegen den Bibeltext, mit oder ohne Gebot werden sie und ich Eure Liebe zu verdienen wissen durch Liebe. Wer d a 3 nicht tann, hat auf Riebe teinen Anspruch. Kinder, Ihr werdet mir nichts zu danken haben als das, was ich für Euch that nach Eurer Geburt, und selbst das nicht, die Liebe findet
wäret Ihr schon so weit, daß Ihr meine Lohn in sich selbst. Ach,
Ideen" könntet lesen
Ach hörte ich es schon: Wir haben Dich lieb, Vater, doch Du hattest dazu nicht nötig, unser Vater zu sein!"
Seit Wolframs Parzival, dem guten, reinen Thoren, ist das Phantasieleben des Kindes nicht schöner und sinniger geschildert worden, als es Multatuli thut. Eine unschuldige Backfischliebe Walthers zu einem etwas älteren, aber immer noch blutjungen Ding, eben der Femte Claus, der Tochter der Waschfrau, hilft mit, die innere Entwicklung des Knaben zu fördern und ihn zum Guten zu Tenten, was Multatuli hochpoetisch und doch streng naturwahr zu zeichnen versteht.
Das Erziehungssystem der Frau Petersen erfährt eine strenge Kritik durch den edlen, freidenkenden Arzt Holsma, der au Walthers Krankenbett gerufen werden muß:
Der Arzt erzählte ihr zu ihrer größten Verwunderung, daß man seine Kinder nicht wie Backgüter in einer Bettstelle aufstapeln dürfe. Daß Luft, Licht, Leben, Bewegung, Genuß nötig feien für die Entwicklung von Seele und Körper. Daß Strafen ( Brügel ) fei es mit oder ohne den HErrn- nicht angebracht feien. Daß ihr Gottesdienst" am besten beiseite bliebe bei der Aufziehung... und mehr Sachen von dieser Art, die Frau Petersen niemals gehört hatte
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Nach seiner Genesung fommt Walther zu Holsma, um ihm file seine Heilung zu danken. Eine ganze neue Welt thut sich auf vor feinen erstaunten Blicken! Holsma, offenbar das Erzieher- Jdeal Multatulis, steht mit seinen Kindern auf dem Standpunkt der innigsten Vertraulichkeit, man möchte sagen der vollsten Freiheit und Gleichheit. Seine Autorität beruht lediglich auf der Achtung und Liebe, die ihm sein ganzes Haus zollt: feinen geweckten und gutartigen Kindern ist er Freund und Kamerab sozusagen. Die Kapitel, in denen Walthers Besuche im Hause Holsmas erzählt werden, sind voll von wahrer pädagogis scher Weisheit, und Eltern und Erzieher können hier sehr viel Gutes lernen. Alle Mängel auch der Schulerziehung, Bedanterie, Silben stecherei, Quälerei mit Orthographie und univesentlichen Formalien, dürre Buchweisheitverzapfung furz alle Unnatur und unwahrheit im Schulunterricht wird durchgehechelt. Auch der nationalpatriotisch verlogene Geschichtsunterricht wird gebührend gebrandmarkt:
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Niemand wird nach dem Lesen der Fabeln von Phädrus oder Lafontaine glauben, daß Füchse und Naben sprechen können, woht
aber befinden sich noch immer viele in dem Wahn, daß Wilhelm der
Schweigfame so ein besonderer Vater war eines Vaterlandes, da s niemals sein Vaterland gewesen ist."
Klein- Walther trifft es nicht so glücklich. Das Angeführte wird genügen, um unsern Lesern eine Vors Von seinem Vater erfahren wir, daß er, als er noch lebte, mit stellung zu erwecken von dem wertvollen Inhalt des Multatulischen Bariser Schuhwerk gehandelt hat, das ans holländischen Leder von Erziehungsromans. M. W. holländischen Schuhmachern gefertigt wurde. Seine Mutter, Frau ind og Petersen, aber huldigt der Ansicht, daß es vornehmer, ehrenvoller Kleines Feuilleton. ift, etwas zu verkaufen, was andre gemacht, gearbeitet haben" und ist eifrig dahinter her, daß man sie und die Ihrigen nicht für Proletarier, für Arbeiter halte.
Und ihre Erziehungsgrundsätze, die sie dem fleinen Walther, diesem sinnigen Kinde gegenüber bethätigt, von dem man nicht begreift, wie er zu dieser Mutter kam? Gewiß ist, daß man ihn zu Haus nicht Gelegenheit gab, dann und wann über eine Kleinigkeit nach eigenem Willen zu verfügen? was doch so reizvoll ist für Kinder."
k. Gine reizvolle Studie über die japanische Frau vers öffentlicht der Japaner J. Hitomi in der Pariser Nevue". Es heißt darin: Die Japanerin ist viel fleiner als die Europäerin, nämt sich durchschnittlich 4 Fuß 5 oder 6 Zoll groß. Erreicht sie eine Höhe von 5 Fuß oder darüber, so ist sie durchaus nicht stolz darüber. Selten wird sie mit zunehmendem Alter dick, sie bleibt fast ihr ganzes Leben lang ein Kind, so daß Fremde sie nicht mit Unrecht mit einer Puppe vergleichen. Es giebt unter der Menge aller„ Und für Menschen," fügt Multatuli dem bedeutsam hinzu. dings auch solche, die 6 Fuß Höhe und das anständige Gewicht von Walthers Mutter war der Meinung, daß es unartigen Kindern 100 Kilogramm erreichen. Unter den Japanerinnen haben viele eine so dienlich sei, an allem gehindert und reichlich chikaniert zu werden". weiße Haut wie die Europäerinnen. Ist diese Weiße noch leicht rosa gefärbt, Der arme Junge war bewindelt und bewickelt von seiner so ist das der Gipfel der Schönheit. Leider verliert sich diese SchönGeburt an. Krumme Beinchen, biblische Geschichte, englische Strant- heit schnell. Auf zehn Frauen fommt ungefähr eine mit weißer heit, immer recht höflich sein, Verse über Tugend und gehorsame Sant. Darum wird diese Weiße auch sehr gefchäßt, und ein Sprich Jüngelchen, schön Händchen geben, Abendgebete mit Knien, zornige wort fagt:„ Eine weiße Haut verbirgt sieben Widerwärtigkeiten." Gottesgerichte, schwarze Männer für eigensinnige Kinder, Gott Da die weiße Haut so geschäzt wird, brauchen die Japanerimen danken" vor und nach einem Butterbrot, Schlafen mit angezogenen viel Schminke und Reispuder. Knien,„ Sünde" begehen, Angst wegen zerrissener Hosen, gottes fich, und dienstliche Nebungen mit oder ohne Accompagnement von Gefühl ist. ( d. h. von Prügeln)... armer Walther I"
Walther fühlte Verlangen zu schieben und seine ganze Umgebung zwang ihn zum Kriechen.
Jedes junge Mädchen schminkt da dieser Brauch eine Wissenschaft geworden erscheint schließlich auch die widerspänstigste Haut weiß. Die Japanerinnen schminken das Gesicht, den Hals und die Hände und legen auf Lippen und Wangen eine leichte Lage Karmin, aber auch die Schminke wird nicht dick aufgetragen, Bei diesem Zwang zum Kriechen spielt natürlich auch die was mit dem technischen Ansdruck„ Usukesho"( leichte Schminke) beReligion, das Christentum und speciell die„ gereformirte" zeichnet wird. Neben diesen durchsichtig weißen Frauen giebt es ( reformierte) Façon derselben eine Rolle. Der geniale Herzenstemmer ganz schwarze, die den Juderinnen gleichen. Die rote Farbe scheint und Herzenstündiger Multatuli läßt sich die Gelegenheit natürlich eine Besonderheit der Dienenden zu sein; die Japanerin zieht es nicht entgehen, an Klein- Walthers Beispiel zu zeigen, wie die falsche daher vor, schwarz zu sein, als eine rote Haut zu haben. Die Religiosität schädlich, das echt Menschliche, das Poetische an der Finger der Japanerin find so schlank wie die eines dreizehnReligion aber förderlich wirkt auf Phantasie und Gemüt des oder vierzehnjährigen Mädchens in Europa . Die Haare find Kindes. gewöhnlich sehr schwarz und sehr dicht und manchmal vier bis fünf