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Und darum," rief er, habe ich auf das Leben verzichtet! Darum habe ich mich zu dieser Qual verurteilt, die meinen einst so fräftigen Körper schwächt und entnervt, während mein blödes Hirn, das beständig dieselben Nutzlosigkeiten vornehmen muß, in den Ges wohnheiten verdummt! Nein, nein, ich will hier nicht sterben, ich will mein Leben und meine Freiheit genießen! Mögen die Kinder sehen, wie sie zurechtkommen!

Er ergriff ein Stück weißes Papier und begann zu rechnen, wie viel er mit dem Stückchen Land, das die Eltern ihm hinterlassen hatten, und dem wenigen, was er dort drüben verdienen konnte, zu leben hatte und was es ihn kosten würde. Er traute den Zahlen kaum, denn die Nebenkosten hatte er nicht bedacht. So viel hatte er zum Leben! Damit fonnte er ja glücklich sein! Er hatte sein Haus, fein. Ein Pfeifen des Sprachrohrs rief ihn in die Wirklichkeit zurück. Ach schicken Sie mir doch die Aften Nr. 26 340, die Atten 2150 und die dazu gehörigen Dokumente aus dem Jahre 83, außerdem die Akten 5309.

Ohne das Ende abzuwarten, schrie er: Holen Sie sich Ihre Aften selber und lassen Sie mich in Ruhe! Ich habe genug von Ihrem dreckigen Kasten und Ihrem elenden Geschmiere!"

Mit diesen Worten ging er auf einen Schrank zu, nahm seinen Ueberzieher, seinen Hut heraus und schickte sich zum Fortgehen an,

als der Direktor eintrat.

Was fällt Ihnen denn ein, Martin, sind Sie verrückt?" " Herr Direktor, Herr Direktor," stotterte der arme Teufel ver­dugt, ohne weiter etwas herauszubringen.

gebracht, der dir auf dem Lande für deine Hunde zu flein ers Obwohl aber Joachim I. eine Anzahl dieser edeln Herren Hins scheinen würde; ihr nährt euch von ungesunden Speisen, trinke richten ließ, wodurch er sich von seinen fürstlicher Standesgenossen dazu schlechte Getränke. Reich wolltest du sein. Reich! Ist man den Vorwurf zu rücksichtslosen Umspringens mit dem chriftlichen überhaupt je reich? Als du diese Stelle als Buchhalter mit festem Adel deutscher Nation zuzog, so ist doch die Mark unter ihm nicht Gehalt gefunden, glaubtest du, Peru entdeckt zu haben; und dabei endgültig von der Landplage der Buschklepper befreit worden. Noch bist du nur zwei Finger breit vom Elend entfernt; auf unter feinem Nachfolger Joachim II. , gegen Mitte des 16. Jahr Zulage hast du nicht mehr zu hoffen und kannst sicher hunderts, wurde in der Mark wacker das vornehme Handwerk des darauf rechnen, daß du ein paar Jahre vor deiner Pensionierung Raubrittertums betrieben. Davon enthalten interessante Belege die entweder sterben wirst oder die Gesellschaft in die Luft fliegen oder geschichtlichen Urkunden der Stadt Berleberg in der Priegniß, deren dich vor die Thür setzen wird! Aber dafür sind deine Kinder als Vergangenheit überhaupt viel Merkwürdiges von den preiswürdigen fleine Herren erzogen! Sie werden sich deiner schämen, du Helden des Junkertums zu berichten weiß. Jufolge ihrer Lage in Schreiberseele, wie du dich deines Vaters, des Bauern, geschämt der Nähe der mecklenburgischen Grenze hatte die Stadt eben nicht hast; deine Tochter, die nicht die genügende Mitgift hat, um sich nur von einheimischen Adligen, sondern auch von raublustigen einen Mann nach ihrem Geschmack zu kaufen, wird sich den besten Junkern des Obotritenlandes biel Umgemach zu erdulden Bahlern an den Hals werfen und dein Sohn, der seine Bedürfnisse und mußte mußte es sich sich dazu noch gefallen lassen, wenn die und Launen nicht befriedigen kann, wird ein Ausgestoßener, ein Un mecklenburgischen Staatsbehörden Perleberger Kaufmannsgut glücklicher werden. Konfiscierten, um sich daran schadlos zu halten für die Räubereien von Junkern aus der Priegnig. So geschah es z. B. im Jahre 1435, daß auf dem Markt zu Neustadt in Mecklenburg Perleberger Waren mit Beschlag belegt und als Unterpfand für die von Briegniger Rittern zu leistende Erstattung des von ihnen angerichteten Schadens eins behalten wurden. Auf mecklenburgische Junker, die in der Priegnig auf Raub ausgingen, ließ der Perleberger Rat natürlich fahnden, um sie dingfest zu machen und an Leib und Leben zu strafen. Es konnte das freilich zu unangenehmen Verwickelungen führen. So halfen z. B. die Perleberger im Anfang des 15. Jahrhunderts einmal den mecklenburgischen Ritter Reiner von Plessen fangen, weil er im Ver­dacht stand, durch seine Knechte den Perlebergern bei Dömitz Pferde abgenommen zu haben. Er war zweifellos nicht der beste Bruder, aber in diesem Falle scheint er unschuldig gewesen zu sein. Wenigstens erklärte ein Schreiben des Herzogs Heinrich von Mecklenburg den Perlebergern, sie seien im Irrtum, Raub Irrtum, jenen hätten ihre eignen Landknappen, die Grevenize, Beverneste und Crusemarten berübt. Mit den diplomatischen Weite rungen war die Sache Vielmehr aber nicht erledigt. gingen der Stadt Perleberg alsbald von allen Seiten um Reiner von Plessen willen Fehdebriefe, d. h. förmliche Kriegs­erklärungen zu, zunächst von den übrigen Familiengliedern, dann von Freunden der Gefangenen. Eines dieser merkwürdigen Aften stücke lautet: Wiffet, Ihr Bürgermeister und Ihr Ratsmänner und Ihr ganze Einwohnerschaft von Perleberg , daß wir wollen Euer Feind sein: ich Hans Bassewitz und Berend Welyyn und ich Heinz Ethorst, Henning Grip und Ott Splitt und Hans von Derzen und Heinrich Lüge und Kurt Bassewiß, daß wir alle wollen Euer Feind sein um Reiners von Plessen willen." Das war nicht etwa eine leere Drohung, sondern nun ging ein frisch- fröhlicher Krieg los. Ein paar Jahrzehnte später machte der fühne märkische Naubritter Kone Windelband den Perlebergern viel zu schaffen. Dieser Bieder­man hatte dreist dem brandenburgischen Markgrafen und seinen fämtlichen Unterthanen Fehde angesagt: Wisset, Ihr Bürgermeister und Ratsmänner der Stadt Berleberg, daß ich Eures Herren des Markgrafen Feind will sein und all' seiner Unterthanen." Nun trieb er es ganz toll, bis ihn die Perleberger gefangen nahmen und an den Markgrafen auslieferten, der Windelband hängen ließ. Sein Sohn, Hans Wischerup, gedachte dafür an den Perlebergern Rache zu nehmen und sagte ihnen 1461 folgendermaßen auf: Wisset, Ihr Ratsmänner zu Berleberg, so Ihr meinen Vater Kone Windelband, den Ihr aus Eurer Stadt überantwortetet dem Falschen, der ihn hängte, und mein Vater war ein rechter Pilgrim: darum will ich Henning Wischerup Euer Feind sein so lange, bis Jhr mir Sühne thut für meinen toten Vater, den Ihr so jämmerlich verraten aus Berles berg, was ich Euch mit allen Dingen thun kann, die ich dazu kriegen kann, daß sie Tag und Nacht. Da mögt Ihr Euch nach zu richten wissen. Anno LX10, 1461." Die buchstäbliche Uebersetzung zeigt, daß der rachebegierige Ritter mit der Feder nicht sonderlich umzugehen wußte, im Felde aber machte er dem Kriegsvolk der Stadt Berles berg höllisch zu schaffen. Damals blühte das Fehde- und Raubritters wesen noch; aber auch, als es damit allmählich zu Ende ging, trieb in der Berleberger Gegend noch einmal längere Zeit sein Wefen ein ganz verwegener Geselle, der an die besten Zeiten des Mittelalters er innert. Auf Nebelin in der Nähe von Perleberg war die hochanges sehene Familie derer von Wartenberg erbgesessen. Ihr Vertreter in den ersten Zeiten Joachims II., Hans von Wartenberg, war keines­wegs ein notleidender Landwirt, sondern im Gegenteil reich bes gütert. Das hinderte aber nicht, daß er das Wegelagern und Plün dern mit großem Eifer und wahrhaft leidenschaftlich, sportsmäßig betrieb und mit zahlreichen Spießgefellen die Mark unsicher machte. Nachdem ihn der Kurfürst für einen offenbaren Landbeschädiger und Straßen­räuber erklärt hatte, gelang es den Perlebergern 1542, ihn zu fangen. Vor dem Stadtrichter in Perleberg wurde ihm der Prozeß gemacht und er legte folgendes interessante Geständnis ab, das auf sein Gewerbe und seinen blaublütigen Anhang viel Licht wirft: " Erstlich, daß er vor'm Jahre im Sommer auf der Uckermärkischen Seide mit gewesen und daselbst einen Raubanfall thun helfen, welchen Ritter Hans Hüller, derer von Schmidt Feind, ge­führt, und hat zur Ausbeute zwei Ellen Tuchs bekommen. Dabei auch gewesen Philip Strafe, Hans von Stendal, zwei Ueberland­Reiter, Heinrich von der Lante und Heinrich Zimmermann und ein Pommer, Wobig genannt, mit zwei Pferden. Jtem auf geschehene Frage, was ihm von dem Raubanfall, so bei Boizenburg im Lande zu Mecklenburg unlängst geschehen, bewußt sei, bekannte und sagte

Ach was, Herr Direktor, was soll denn das heißen? Erklären Sie sich! Gerade wo ich im Begriff stehe, mich mit der vielleicht wichtigsten Angelegenheit des ganzen Jahres zu beschäftigen, wandelt Sie die Lust an, mir diesen Vortrag zu halten, Sie ein Muster­beamter! Ja, haben Sie denn den Kopf verloren!"

" Herr Direktor, ich sagte mir

" Sie sagten sich Die Gesellschaft pfeift darauf, was Sie fich fagen! Führen Sie erst meine Befehle ordentlich aus und spielen Sie sich nicht auf den geistreichen Mann hinaus, das paßt uns nicht! Wenn Sie glauben, daß Sie dadurch eine größere Gratifikation be­kommen, dan irren Sie sich gründlich!"

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Aber Herr Direktor Na, feien Sie vernünftig, nehmen Sie Ihren Hut wieder ab, hängen Sie Ihren Ueberzieher wieder in den Schrant, sezen Sie sich an Ihren Tisch und verjagen Sie diese Jdeen, die sich für einen gut angeschriebenen Beamten, wie Sie es find, nicht passen. Diesmal will ich nichts gesehen haben, aber lassen Sie sich das nicht wieder einfallen."

" Ich danke, Herr Direktor, ich danke recht herzlich." Martin gehorchte, und das alte Leben ging weiter.

Kleines Feuilleton.

y: Märkisches Raubrittertum. So gern unsre Junker auf die Thaten und Tugenden ihrer Vorfahren verweisen, um dem deutschen Volt ihre unverjährbaren Ansprüche auf seine Dankbarkeit flarzumachen, unterlassen sie es doch beharrlich, auf eine Eigenschaft hinzuweisen, die sie zweifellos auch erblich überkommen haben, näm­lich eine ganz hervorragende Befähigung, sich auf Kosten andrer Leute die Taschen zu füllen. Wenn die Edelsten und Besten heute durch Schutzölle und Liebesgaben den deutschen Michel schröpfen, so nahmen sich ihre mittelalterlichen Vorfahren viel einfacher das nötige mit offener Gewalt auf der Landstraße. Diese adlige Wegelagerei hat länger als in irgend einem andern Teile des Reiches geblüht in der Mark und den angrenzenden Gebieten. Allgemein bekannt ist, daß noch zu Anfang der Neuzeit, unter Joachim I. ( 1499-1535) zahlreiche Raubritter dem Kurfürsten viel Kopfschmerzen bereiteten, die Straßen der Mark unsicher machten und dem einsamen Wanderer das Stoßgebet entlodten:

Vor Köderitz und Lüderitz , Bor Krachten und vor Jhenplit Behüt' uns, lieber Herre Gott I