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weise zu der berühmten Straße Am Graben". An der Ecke in der Ghettozeit schon zu Ehren und Würden gebracht. Da ist ein buchstabierst du unter großen Anstrengungen: Na príkopè". faiserlicher Rat, der zu dem Hof irgend eines Habsburgers gehörte, Ber fomunt auf die kühne Vermutung, daß das gleich da ein striegsmann, der Brag gegen die Schweden   verteidigte, selbst bedeutend mit Am Graben" ist? Unfre trefflichen Prager   eine geadelte Jüdin ist vorhanden; denn der Frau Hendele Schmieles Barteigenossen freilich, die in der Wirruis des Nationalitätenstreits Gemahl ward von Ferdinand II  . Anno 1622 zu einem von Treuen­das allein schöpferisch gestaltende Programm der Socialdemokratie berg erhoben. Vermutlich gehören die heutigen Nachkommen der Hug, opferwillig ind unermüdlich durchzusetzen bemüht find, haben braven Hendele Schmieles zum hochkatholischen antisemitischen auch auf diesem Gebiet den Weg der internationalen Verständigung Feudaladel. eingeschlagen: unser Bartei- Organ haust in der Myslikova ulice. Vor allem aber ist da der Grabstein eines gelehrten Rabbi, um Es ist nicht schwer, in diesem Namen die deutsche Myslit- Gaffe zu den feinse 33 Lieblingsschüler gelagert liegen. Dieser Rabbi war entdecken. Sonst aber ist eine ziveistündige Wanderung in Prag   wie ein Freund des großen Tycho de Brahe  , der den Himmel eroberte. Des eine Vorbereitung zu einem Examen in philologischer Juter- Rabbis Totennial ist mit vielen kleinen Steinen übersäet, die Zeichen pretation. hier sist juder Verehrung; denn es ist eine orientalische Sitte, daß jeder, der an das Grab eines bedeutenden Mannes tritt, ein Steinchen auf

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Kleines Feuilleton.

Joc.

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ee. Ituter Spiritisten. An einem Tische der vordersten Reihe

Brag ist die Stadt der architektonischen Sagen und Märchen. das Mal legt. Eine tiefsinnige Huldigung.... Der Ruhm Die Menschen find nicht viel anders als in großen industriereichen steinigt! Orten sonst. Die bunten Kopftücher der vom Lande kommenden Frauen sind die letzten Reste einer Voltstracht. Die Schuhleute si tragen an den steifen Filzmüßen flotte, dunkelgrün schillernde Federn, und vor dem Rathaus es sind gerade Stadtverordneten- Wahlen stolzieren in riesenhohen Belzmützen mit langen, bligblanken, silber­glänzenden Gewehren zwei Bürgergardisten, denen das Ehrenamt zu teil geworden, die Wahlfreiheit symbolisch zu schüßen. Im übrigen waren noch einige Stühle frei. Sie ging mit raschen Schritten darauf zu und verneigte sich leicht vor den Zunächstsigenden: Die Herr entdecke ich keine besonderen Kennzeichen in der Einwohnerschaft. Aber in den Gebäuden der Stadt wird die Geschichte wunder- schaften erlauben wohl?" fam lebendig. Die zahllosen Kirchen fünden stolz die ungebrochene Herrschaft der katholischen Weltmacht. Durch die Spitzbogen der Thortürme schaut man in winklig verschnörkelte Gassen. Hinter den mächtigen Hausthüren öffnen dunkle Flurgewölbe den Blid in ge­beimnisvolle Höfe und Gänge. Doch über dem alten grauen Prag  spinnen sich bereits die Leitungsdrähte der elektrischen Bahn als Träger der modernen Zeit. Bald werden auch hier nur noch die Staats- und Brunkbanten von der Vergangenheit erzählen, die Heimstätten der Menschen aber wandern ins Gerade und Lichte, wenn Prag   auch niemals die immer frischgestrichene Stadt von 20 Jahren werden wird, wie es das heutige Berlin   ist.

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Schon lichtet sich das alte Judenviertel. In das dumpfe, er­stickende Gemäner wehen befreiend zugleich und zerstörend die Forderungen der Hygiene und der Begierden der Grundstücks­spekulanten. Auch das Prager   Ghetto ist dem Abbruch verfallen, wie das in Frankfurt   a. M. bereits verschwunden ist. Indessen ein trauses Nest eng verschlungener Judengassen existiert heut noch. Und wie vor Jahrhunderten sizzen und stehen vor den schwarzen, übel riechenden Grüften der Trödelläden die armseligen Söhne und Töchter Jsraels erinnernd an die Zeit grenzenlosen Elends. Ihre Ge­fichter haben nichts von dem Reiz der Schönheit und der Jugend. Der Geist der traurigen Waren, mit denen fie handeln, hat sich in ihren Mienen eingegraben. Es sind alte modrige Kleider in dunklen Kerfern, getragene Sachen", die zu fällig Mensch werden. Dennoch fuice ich erschauernd vor Eurer Häßlichkeit Märtyrer der Jahrhunderte! 001) or ch

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Und diese Welt dumpfer, öder, verkümmerter Tage und niedrig quälender Sorge endigt in einem Garten voll seltsamer Weihe, voll erhabenem Ernst und fast lieblicher Schönheit: der alte Friedhof, in dem die Prager   Juden bis ins 18. Jahrhundert hinein des ächtenden, gelben Zeichens ledig wurden.

Bu taufenden ragen hier die verwitterten grauen Grabsteine hervor, schief, gesunken dicht nebeneinander, eine Anzahl immer wie aus einer gemeinsamen Wurzel auseinanderstrebend aufwuchernd. Es wurden immer fünf Tote über einander gegraben; darum drängten fich die Male. Auf den Steinen sind Tierbilder eingemeißelt, Namen tündend: Wölfe und Hirsche, ein Starpfen zeigt an, daß ein Karpeles in der Erde ruht. Zwischen den Hügeln und Steinen des

Todes aber wachsen üppig die noch noch grünen Hollunder­büsche. Ein alter Mann fikt zwischen zwei Steinen, in feinem Schoß ein Drahtgeflecht, auf dem er die schwarz= roten Hollundertrauben liest. Warum soll man auch nicht nährendes Mus tochen aus den Früchten, die der Menschendünger vieler Jahr­hunderte reifen ließ. Man darf nichts ukommen lassen außer die Menschen.

Die Herrschaften" hatten nichts einzuwenden, und so ließ sie sich nieder. Es schienen übrigens wirklich Herrschaften" zu sein. Ein alter Herr mit einer Denterftiru, der Doktor angeredet wurde, ein junges Ehepaar, ein elegantes ältliches Fräulein und eine Dame mit roten Haaren.

Die Rothaarige war von sehr vornehmen Allüren, gesucht vor­nehm und daher etwas zweifelhaft. Sie musterte die fremde Dame durch ihr Stiellorgnon mit einem raschen Seitenblid: Es ist voll hier, nicht wahr?" sagte sie. Ja, wir Spiritisten haben Zulauf." Wo Jeist ist, sammeln sich die Jeister", berlinerte der Doktor etwas ironisch.

Die fremde Dame lächelte amüsiert: Wirklich, thun sie das?" siSie sind wohl nicht Spiritistin?" fragte das ältliche Fräulein. Offen gestanden noch nicht." ,, Dann liegt es bloß daran, daß Sie noch nichts erlebt haben" ist man gleich Spiritist." die Rothaarige gab sich ein Air wenn man erst etwas erlebt

hat,

Ach und Sie? Haben Sie etivas erlebt?" Dienstmädchen ist Medium und spricht! " Furchtbar viel! Wir haben jeden Mittwoch Sigung, mein Denten Sie nur, jett spricht sogar der Geist von einem Kaiser aus ihr, der Geist von wie heißt er weiter?" Sie sah das ältliche Kaifer Heinrich Fräulein erwartungsvoll an. Heinrich der Finkler  ", ergänzte die.

Ach ja, Heinrich der Finkler  , und er sagt, er liebt uns und fommit zu me, weil wir einen Finken im Bauer haben. Gestern war er auch wieder da." kommt er mit Scepter und

"

Wie nett", staunte die Fremde,

Krone?"

" Ja, wir sehen ihn doch nicht." Das ältliche Fräulein lachte. Bei manchen Medien sieht man ja die Geister, aber unsres spricht und schreibt bloß. Sie fällt in eine Art Verzückung, wiffen Sie, und spricht; oder fie nimmt Papier und Bleistift und schreibt. Sie ist es aber nicht, die schreibt und spricht, es sind die Geister. Wenn Heinrich der Finkler   kommt, redet sie richtig wie ein Staifer, so pathetisch. Nein, Sie können sich gar nicht denken, was der für schöne Neden hält." Aber manchmal spricht er auch furchtbares Blech," gestand die Rothaarige offenherzig.

Bled   redet, wird in schöner Kaiser sein." Na also," sagte der Herr mit der Denterstirite,' n Kaiser, der

Als ob das nicht ganz natürlich wäre!" Das ältliche Fräulein warf ihm einen empörten Blick zu.

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" Na eben!" lachte die fremde Dame. Warum sollte dieser Kaiser nicht auch mal Blech reden dürfen, das darf ja schließlich jeder Dienstmann  ." Dann machte sie plöglich ein ernsthaftes Gesicht und wandte sich vollends zu dem Doktor: Hören Sie, ich finde über­Die Weltanschauung, die Prag   beherrscht und die da betet zu haupt, im Infinn leisten diese sogenannten Geister ettvas. Ich habe dent allmächtigen, aflgnädigen und allgegenwärtigen Gott Trint ein paar spiritistische Sigungen mitgemacht, wir hatten ein Schreibs geld, forgt dafür, daß ich mich nicht zu tief in die bannende Mystik medium, was ihre Geister" schrieben, war aber meistenteils auch des alten Judenfriedhofs vergrabe, obwohl ich an diesem trüben nur dumnes Zeug." Herbsttag nur der einzige Gast bin. Die Toten werden nur gegen Dann haben Sie es vielleicht nicht richtig angefangen," fagte Entree gezeigt, und ein lästiger Fremdenführer hetzt mich in die junge Fran; sie hatte bisher schweigend gefeffen, min wurde wenigen Minuten durch die Sehenswürdigkeiten" des Totengartens. fie lebhaft: Sie haben wohl nicht gebetet und gejungen. Das " Deutsch   oder Böhnisch?" so beginnt der Kerl rätselhaft die Unter- muß man thun, sonst kommen nur böse Geister." haltung. Erst nach einigen Mißverständnissen begreife ich, daß er" Das ist eine ganz schändliche Gesellschaft," fiel die Rothaarige mir die Wahl der Umgangssprache freiftellt. Und nun leiert er ein:" Sie machen sich ein Vergnügen daraus, die Spiritisten zu äffen mir Deutsch  , was zu wiffen ich niemals begehrt. Ich und zu narren. Thor  , warum verlangte ich nicht die böhmische Erklärung! Dann hätte der Mann schwagen fönnen und ich wäre durch seine Wissen­schaft nicht gestört worden, die zudem längst entlaroten Schwindel mir aufreden wollte, wie etwa der Leichenstein aus dem 6. Jahre hundert, der doch nur einem Lesefehler seine Existenz verdankt und in Wahrheit dem 16. Jahrhundert angehört.

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Aber nicht, wenn man fromm ist," beharrte die junge Frau. Bei uns tommen niemals böse Geister."

" Frau Hendriche ist nämlich selber Sprech- Medium," erklärte der Herr mit der Denkerstirn, es spricht ein Geist aus ihr, der heißt Eginhard."

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Der von Eginhard und Emma?" fragte die fremde Dame. lo Mein Fremdenführer hat in seinem Vortrag eine fatale Tendenz." Es ist ein sehr hoher Geist! Frau Hendrichs nahm eine An' die zahllosen armen Juden übergeht er schweigend. Aber auf getränkte Miene an; fie hielt die Frage offenbar für eine Bes die Großen von unsern Leuten" weist er stolz hin, die es auch leidigung. Er läßt niemals böse Geister in unfren Zirkel."