Anterhaltungsblatt des Vorwärts

M. 246.

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Mittwoch den 18 Dezember.

( Nachdruck verboten.)

Der Flur Ich üh. Roman von Alfred Bock  .

Unter derlei Gedanken war der Flurschüß in die Gemarkung herabgestiegen, die er pflichtmäßig abzuschreiten hatte. Im Winter war das bald gethan, denn die Bauern hoben sich den Feldfrevel für die gute Jahreszeit auf.

"

1901

Da ist meiner Schwester ihr Kind, die Christine. Wallbott schreibt sie sich und ist von Freienstein. Die dient beim Bäcker Klemmrath in der Stadt. Die hat was zuzu­setzen und flenzt sich nicht, wann's arbeiten heißt."

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a, geht dann die aufs Dorf?"

" Das ist die Frag'. Sie hat nir, ist arm wie' ne Kirchenmaus-"

,, Arm mit Ehren kann niemand wehren."

" Und geht dem Verdienst nach, Du bist ja bei Geld, fannst schon was ausgeben. Am End' daß sie kommt." Ja, ausgeben! Da berührte die Alte einen wunden Er setzte über den Hollerbach und trat gleich darauf in Punkt. Zwar war der Flurschüß nichts weniger als ein Sen Gemeindewald. Das war ein gemischter Bestand von Geizhammel und hatte für die Bedürftigen ein warmes Fichen, Buchen, Fichten und Kiefern, so gut bewirtschaftet, Herz. Aber einer Dienstmagd ins Blaue hinein hohen Daß es auch Wintertags eine Lust war, sich darin zu ergehen. Lohn verwilligen und noch nicht wissen, wofür? Das ging Das thaten freilich die Eschenröder nicht. Die hockten lieber ihm gegen die Natur. Das mußte weislich überdacht sein. Seim warmen Ofen oder, refelten sich in den Wirtshäusern Indessen lobte die Gritt ihrer Schwester Kind durchs Jerum. Nicht so der Flurschüt. Er liebte die Natur auf seine ABC. Die Hauptsache war, die Christine wußte haus. Art und hatte für die Waldespracht Herz und Sinn. Wie zuhalten und kam mit wenig aus. Dabei war sie eine leid. taats und still lag vor ihm der Forst, das Gezweig der Laub- liche Person. Freilich hatte sie bei aller Manierlichkeit einen jölzer überzuckert, die Fichten und Kiefern von der Schneelast Klotz am Bein. eschivert. Da nun die Sonne den Nebel durchbrach, vermeinte nan sich in einem funkelnden Saal. Das Auge war geblendet von all dem Glanz. Kein Menschenwerk war so herrlich wie dns. Und von den Stämmen rannen die blinkenden Tropfen, bei jeder Baumart mit eigenem Ton. Ja, wenn man horchte, flarigs wie Mufit. Da ward einem seltsam wohlig zu Mut, als schlüpfte man aus der alten Haut. Und der Brast zerging wie rings der Schnee.

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Als der Flurschütz gegen Mittag in feine Behausung zu­rückkehrte, setzte ihm die Schnappersgritt Kraut mit Speck und Salzstücke vor. Es schmeckte ihm, und er forderte auch die Alte cuf, zuzulangen. Diese lehnte mit den Worten ab, es sei ihr nicht just, sie bringe keinen Bissen herunter. ha!" machte der Flurschük.

Die Alte schupperte sich.

Hab's Magendrücken und Reigmatismus."

Der Flurschütz sah sie teilnehmend an. " Du wirst Dich verkältet haben." Möglich."

" Du mußt einmal geherigd schwitzen.

heraus."

Das treibt's

" Ja schon, aber wer soll dann bei Dir die Arbeit thun?" Der Flurschüß kragte sich hinterm Ohr. " Freilich, das paßt es schlecht."

Der Flurschüß horchte auf. Wieso dann?""

Die Gritt strich ein paarmal über die Schürze.

,, Ei, da hat fie's vor zwei Jahr mit einem Soldat gehabt, einem Erzlump. Der ist auf und davon. Und es hat sie natürlich ihr Kind."

,, Wo ist dann das?" forschte der Flurschüß. ,, Bei braven Leut'. Dem geht nir ab."

,, No, wann ich sonst mit ihr einig werd', das Kind thut mich nicht schenier'n."

Da sie noch weiter dischkerierten, kam von ungefähr der Geometer aus der Stadt. Dieser wohnte auf dem Marktplatz dem Bäcker Klemmrath gegenüber und kannte die Christine gut. Wenn die den Dienst bei dem Flurschützen annehme, meinte er, fönne er sich gratulieren, ein forsches Mädchen, früh bei der Hand und arbeitsam bis in die Nacht. Und treu wie Gold. Das hatte die Klemmirathen ihm selbst gejagt.

Solcherlei Rede war Wasser auf die Mühle der Schnappersgritt. Bei dem Flurschüßen aber war's nun be­schlossene Sache: Wenn die Gritt Sonntag halbwegs auf den Beinen war, sollte sie mit dem Milchwägelchen in die Stadt. Und forderte ihr Schwesterkind nicht gar zu viel, so nahm er fie als Magd ins Haus.

III.

Die Schnappersgritt nahm auf der Ofenbank Plaz. " Ich will Dir was sagen, Daniel. Ich sein alt und flapperig. Ich hab's halt probiert, ich kann mich nicht so Seit Urbäterzeiten stand der steinerne Neptun auf dem ftrabezieren." Marktplatz der Stadt und gebot, den Dreizack erhoben, dem Sei doch nicht eppich. Wer schwätzt dann von strabe- feuchten Element, das zu seinen Füßen aus Drachenmäulern zieren?

Die Gritt ruinzelte die Stirn.

" Ihr Manusleut ästemiert das nicht: enz auf'm Boden, enz auf'm Hof, bald in der Stub', bald in der Küch' und alles bligebant. Das will geschafft sein."

" Ja, ja."

"

Gelte? Da braucht eins gesunde Knochen. Ich pack's nicht, Daniel. Hier herein gehört eine kräftige Weibsperjon." Der Flurschüß erhob sich und sagte besorglich:

Du wirst mich doch nicht im Ungerück stecken lassen?" "' s pressiert nicht auf Stund  ' und Minut'," versette die Alte, ein paar Tag' schrackel' ich noch hin."

,, Das heiß ich ein schön Geheugnis," sagte der Flurschütz verdrießlich. Wo krieg' ich dann schnell eins her?" Die Alte zuckte die Achseln.

" Ja, Daniel, Du thust Dein Gottesbestes und guchst Dich um."

Sie gingen die ganze Dorfschaft durch, Haus für Haus. Die Tochter eines wohlhabenden Bauern gab sich gewißlich nicht dazu her, dem Flurschüßen die Wirtschaft zu führen. Da waren einleßig ein paar arme Weiber, allein denen konnte man nicht um die Ecke trauen. Guter. Nat war teuer. Sie fannen hin und her. Zulegt schlug die Gritt sich vor die Stirn.

in ein geräumiges Becken ranu. Hier füllten Städter und Städterinnen, Knechte und Mägde ihre Eimer und wegten ihre scharfen Schnäbel dabei.

Sonntags in aller Frühe war es, daß Christine, die Magd aus Freienstein, ihre Kameradinnen, die Fränz und die Lene am Brunnen traf. Selbdritt   waren sie vom Lande in die Stadt gekommen, hatten mancherlei Unbill in hartem Dienste erfahren und auch in den Liebeshändeln ihr Herz er­probt. Die Lene hielt einem Fuhrknecht die Treue, der Fränz gefiel die Abwechselung. Mit der Christine hatte ein Wicht fein Spiel getrieben; aus ihrem Gesicht sprach ihre Leidens. geschichte. Sie war mittelgroß, von schlankem Wuchs. Das kastanienbraune Haar hatte sie hoch aufgesteckt. Aus ihren tiefen, dunklen Augen leuchtete verhaltene Leidenschaft. Um ihren Mund hatte sich eine Kummerfalte eingegraben. Wenn sie sprach, sah man ihre schönen weißen Zähne. Ihre Hände waren klein, aber von harter Arbeit rot und gequollen. Ob­gleich man ihrem wohlgebauten Körper Kraft und Frische zu trauen konnte, trug ihre gauze Erscheinung etwas Schlaffes, Müdes zur Schau.-

und

"

Du wirst Dich verstaunen, Christine." sagte die Fränz setzte den gefüllten Eimer auf das Pflaster. Ei, weißt Du's dann nicht?" fragte die Lene.

"

Nir weiß ich," verjezte Christine ahnungslos.

"

,, Eh fällt mir was bei."

" No?" fragte der Flurschüß eripartungsvoll.

" 1

Dein Schatz ist vorgeft' hier durchgemacht."

" Der Dumpjack!" fügte die Fränz hinzu.