Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Mr. 247.

4]

Donnerstag, den 19. Dezember.

( Nachdruck verboten.)

Der Flurfchütz.

Roman von Alfred Bock  .

1901

sollte doch auch mitmachen. Sie schlug's ihm kurzweg ab. Um alles in der Welt hätte sie da nicht mitgehopst. Da ging's ja zu als wie in der Türkei  . Da traute kein beffer Mädchen sich hin. Nun hatte er auch die Lust verloren, blieb bei ihr in der Küche ſizen. Das Anhängliche that ihr wohl, sie hatte noch nicht viel Liebe erfahren. Und sie schwägten und schwätzten Christine trocknete sich mit der umgekehrten Faust die Augen bis in die Nacht. Ihr war so eigen und so wohlig zu Mut, und starrte vor sich hin. Was lag an dem elend g schlechten und sie meinte nun selber: er ist dein Schat. Sie hätte ihm Leben? Wenn sie's der Soldatentarline nachthat und ins fell gern was Gutes gekocht, er nahm aber keinen Bissen Wasser ging? Es krähte ja doch kein Hahn nach ihr. Aber an. Aber an. Er wollte partu nur bei ihr sein. Auf einmal hatte das Kind? Wer sorgte für das arme Wurm? Der Raben- er sie auf dem Schoß und herzte sie, daß ihr der Atem ver­vater verleugnete es. Und bekam die Mandlern keine Mark- ging. stücker mehr, behielt sie den Pflegling nicht im Haus. Wo

Das hätt sie selbigmal nie gedacht, daß man einem

traf man denn noch gutthätige Menschen? In Nimmer- Menschen so gut sein könnt. Dazumal sang sie:

stadt und Nirgendheim. Es war nichts mit dem Sterbens­gedanken. Aufrecht mußte sie bleiben. Sie hing an dem Bub, gab jeden Nickel für ihn hin. Zwar war er seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Aber konnte er da­für? Und wenn er lachte, sah er so wunderlieb aus. Da bobbelte einem das Herz im Leib.

Mein Schatz ist kein Zuder, Was bin ich so froh, Sonst hätt' ich ihn gefsen, Jetzt hab' ich ihn no!"

Hei! war das ein Gepisper und ein Gedutschel, der

Ein heller Schein flog über ihr Gesicht. Nur einen Abend hätt dreimal so lang sein dürfen. Und was der Augenblick. Gleich übermannte sie wieder die Traurigkeit. Jakob für Anschlg' hatte. Erst wollt' er von den Studierten Ein Weg stand ihr noch offen der Weg ans Gericht. was profitieren, daß er vornehme Häuser ausmalen könnt', Nein, dreimal nein, den ging sie nicht. Sollte sie vor den dann wollt er sich in Frankfurt   niedersehen mit seinem eignen Leuten ihre Schande erzählen? Das war ihr doch zu Geschäft. Und die Bestellungen regneten herein. Vor lauter schamerig. Und peinigen thaten einen die studierten Herren Arbeit that er verzwageln. Und Geld war da wie Heu. mit ihrer Fragerei bis aufs Blut. Da ließ sich nichts ver- Seine Sprach' war, sie sollt' nur ihre Gedanken drauf richten, tudeln. was sie später für ein schönes Leben hätten.

Christine Wallbott, wie heißt Dein Vater?" ,, Ei nichts für ungut, ich weiß es nicht." Jezt steckten sie die Köpfe zusammen. Wie der Acker, so die Rüben!"

Nun trat auch noch der Jakob auf. Herr Jefus im Himmel! Ihr Herz stand still. Und sollte doch gegen ihn sprechen und klagen. Mit Verlaub, Ihr Herren, das kann ich nicht. Der Jakob weiß schon, wie's zugegangen ist."

Und der Jakob leugnete rundweg ab. Ja freilich, es war kein Mensch dabei gewesen. Sie brachte vor Schrecken kein Wort mehr heraus. Und zog mit Schimpf und Schande ab. Affurat so wär's gekommen. Sie atmete auf. Gott   sei Dank, daß sie feins beschwägt hatte, ans Gericht zu laufen. Armut macht mutarm, sprach das alte Fräulein aus der Mühl­gasse, das als Sonntags bei der Klemmrathen den Kaffee trank. Wer gab einer bettelarmen Dienstmagd recht, die nichts zu brechen und zu beißen hatte?

Wenn man jetzt dadrüber simelierte, wie schnell die Zeit vergangen war, man wurde weiß Gott   ganz durmelig. Eh' man sich's versah, kam der Jakob von den Soldaten los und machte fort ins Rheinische. Sie hatte den ganzen Sommer geweint. Nicht bloß, weil sie von einander gehen Es sollten. Sie mußte ohnehin ihren Dienst verlassen, war hohe Zeit, daß sie bei der Mutter Unterkunft suchte. Die ließ sie aber schön anlaufen, schwur Stein und Bein, fie leide kein so verliederlicht Weibsstück im Haus. Und das war grausam schlecht von ihr, wo sie's doch selber durch­gemacht hatte, in so einem Stand allein zu sein. Der Hart­herzigen gab sie keine guten Worte, ging stracks wieder in die Stadt zurück und kam mit der Mandlern überein, daß sie bei der ein ruhiges Plätzchen fand. Martini war das Bubchen da, ein schnegelfetter hübscher Kerl. Alleweil war das Kost­geld aufzubringen, und sie verdingte sich als Amme beim Hauptmann von Effenberg. Da schenkte sie einem armfeligen Kindchen die Milch. Die gnädige Frau tränkelte so hin. Der Hauptmann war ein halber Sparrekaspar! Der dätschelte In Elend und Dürftigkeit war sie aufgewachsen. Die sie und sagte, sie sollt ihm zu Willen sein, der Maßmann, Mutter gab ihr färgliche Kost und knuffte sie mit der ge- sein Bursch, der thät für alles aufkommen. Sie ließ ballten Faust. Die Prügelsuppe hätte fie verwunden, aber sich aber nichts gefallen. leber'n Jahr trag das daß die Mutter kalt und warm aus einem Munde blies, das Hauptmannskindchen die Krämpfe und starb. Gerad' fonnte sie nicht ertragen. Mit sechzehn Jahren fam sie auf fuchte die Klemmrathen eine Magd, da nahm sie den Heibertshäuser Hof, zuerst als Stallmagd, dann ins von der den Mietpfennig an. Bei den Bäckersleuten gefiel's Haus. Des Bauern Aeltester strich um sie herum, sie hatte ihr ganz gut, sie hatte für sich und ihr Bubchen genug. den Frechen   abzuwehren. Doch hielt sie's dritthalb Jahre aus. Manchmal vergaß sie den nagenden Kummer, denn man Dann trat sie beim Lehrer zu Velda in Dienst. Da hatte sie konnte nicht immer den Kopf hängen lassen, die Menschen lauter gute Tage. Bei freundlichem Zuspruch schaffte man wollten kein Moggesicht. Wie der Bliz hatte sie die Nach­gern. Am Sonntag gab ihr der Lehrer Bücher. Da standen richt getroffen, daß der Jakob vorgest' durchpassiert war. furiose Sachen drin. Verstand man davon auch nicht viel, so Insgeheim hatte sie doch noch auf ihn gehofft. Jekt wußte hatte man doch was Gescheites in der Hand und dosselte nicht sie's, er war ewig hin.- ungedankjen hin wie das Vieh. Bei dem Lehrer wär' sie ihr Lebtag geblieben. Der frag aber eine Stelle in Starkenburg, und mit dem guten Dienst war's vorbei. Nun vermietete sie sich in die Stadt, als Spülmagd in die Goldene Gans". Da machte sie mit dem Jakob Bekanntschaft. Der stand sell in der Leibcompagnie und war soweit ein manierlicher Bursch. Zuerst fam er ans Küchenfenster und erzählte Späße vom Militär. Das fonnt man sich schon gefallen lassen. Dernacher sagt' er:

,, Horch zu, Christine. Du stehst da in der barbarischen Hit'. Du mußt Dich draußen verkühlen. Wir wollen ein bißchen spazieren gehn."

Das war ihr recht. So gingen fie in der Abendzeit. Sie dachte sich weiter nichts dabei. Nur daß die Leute sprachen: Das ist Dein Schatz. Jetzt war eine Soldatenfeier. Da wurde in der Kaserne mächtig getanzt. Er drangfalterte, sie

-

Draußen hörte man jemand über die Steinfliesen schlurfen. Das konnte wohl die Klemmrathen sein. Christine stand auf und stellte ihre Töpfe zurecht. Die Thür ging auf und die Schnappersgritt trat herein.

zu

Christine schlug die Hände über den Kopf zusammen. Herr Jesses, die Wäs!"

"

a, gelte, Du guckst."

" Nu sag' ich niy mehr. Wo kommst Du dann her?" Ei, diesen Morgen von Eschenrod  ."

"

Wie geht Dir's dann, Wäs?"

Wie soll's gehn! Wann man alt ist, hat man alsfort

freckfen."

,, No, Wäs, Du trinkst doch ein Schälchen Kaffee?" " Jawohl, ich sein Dir halbverfroren."

Christine bediente flink die Wäs. Die Alte schlappte den wärmenden Trank und tunkte drei mürbe Weck darin ein.