-

-

986

Während dieser heiligen Handlung als folche gilt den Bauern das Essen- sprach sie bei Leib und Leben kein Wort. Erst als sie Hunger und Durst gestillt, stand sie ihrem Schwesterkind wieder Rede.

"

Was giebt's dann Neues in Eschenrod  !"

Nix daß ich wüßt'."

Der hat als gejagt: Gott grüßt manchen, der ihm nicht dankt. Das hätt ich mir nicht träumen lassen, daß ich noch einmal als Magd zum Jakob seinem Vater kommen that. Lieber Gott, das hast Du so eingericht'. No, ich werd Dir keine Schand' machen. Und arbeiten will ich, wann's sein muß, für zwei. Eh möcht' ich nur für mein Leben gern wissen, wie Du Dir

"' s ist eine Ewigkeit, daß ich keins aus Euerm Ort ge- das alles ausgeklugt hast, wo der Flurschüß doch kein Arg von fehn hab'."

Wir liegen halt abseit."

" Ja, ja.

"

Die Alte wischte sich die Nase mit der Schürze.

"

Was ich sagen wolt'? Es sterben es viel Leut' bei uns." ,, Atrat wie in der Stadt. Das macht die Infallenza." Die vorige Woch' hat der Knochenmann unserm Flur schütz seine Frau geholt. Und war erst sechsundvierzig." ,, So, so, dem Flurschütz seine Frau," sagte Christine schein bar gleichgültig.

Und dessentwegen wollt' ich einmal mit Dir sprechen," packte die Gritt nun aus.

Christinens Augen hefteten sich starr auf die Alte. Dessentwegen willst Du mit mir sprechen?"

" Ja freilich. Als Witmann ist der Flurschütz übel d'ran. Sein Bub' ist auf der Wanderschaft und stößt sich die Hörner, ab. No will er seine Sach' in Ordnung haben. Die Aecker hat er zwar berlehnt. Derweil' giebt's im Haus und im Garten noch genug zu schanzen. Von Vieh stellt er nir ein, höchstens ein paar Ferfel Den Tag über geht er in die Ge­markung. E sucht er eins, wo Verlaß drauf ist. Und wie ich mit ihm dadrüber schwäß', fährt mir's durch den Kopf, das wär' justement ein Blaz für Dich."

Und hast ihm das vorgestellt?" fragte Christine mit vor Erregung heiserer Stimme.

Das versteht sich," schmunzelte die Alte. He hat erst gemeint, wann eins in der Stadt ist, geht's nicht mehr aufs Land." Das kommt drauf an, hab' ich gesagt, für Geld und gute Wort fann man alles haben. No, spricht er, hundert fufzig Mark und ein Christkindchen thät' er ausgeben. Ezz überleg' Dir's, Christine. Kriegst Du den Dienst in Eschen rod. sitzt Du wie die Katz' auf dem Speck. Der Flurschüß ist noch in guten Jahren und gilt im Ort als vermöglicher Mann. Ja, Du bist doch auch nicht von Dummbach."

Christine bastelte an ihren Schürzenbändern herum und sagte die Augen niederschlagend:

,, Du hast keine Gedanken darauf gehabt, Wäs, ich gehör' doch bei mein Kind."

Die Schnappersgritt erhob sich behebt. Christine. Du mußt wissen, was Du thust. Ich mein', Du machst nach Eschenrod   und das Kind bleibt wo's ist. Und wann Du Sonntags als nach dem Schnuckeschen guckst, legt Dir der Flurschüß nix in den Weg."

Die Alte humpelte hinaus, in der Stadt ihre Geschäfte zu besorgen, versprach aber, gegen Mittag wiederzukommen. Christine lief mit hochrotem Gesicht in ihre Kammer, aus der Rammer in die Küche und hatte schier den Kopf verloren.

Draußen läuteten die Glocken den Gottesdienst ein. Un­willkürlich holte sie ihr Gesangbuch herbei. Darin stat das Buchzeichen, das ihr der Lehrer zu Velda geschenkt hatte.

" Ich lag in schweren Banden, Du fomist und machst mich los, Ich stund in Spott und Schanden, Du kommst und machst mich groß."

Seitdem sie der Jakob im Stich gelassen hatte, hatte sie einen wahren Zorn auf den Herrgott gehabt, weil er ihr das angethan. Offenbar sah er die Sache jetzt mit andren Augen an, denn er hatte ihr in ihrer Herzensangst die Schnappersgritt gefchickt. Das war gar tröstlich. Da wurd' es einem leicht, wieder fromm zu werden. Und dankerfüllt faltete sie die Hände um ihr Gesangbuch und sprach wie betend vor sich hin:

nir hat und ich nicht als Heimduckfern dasteh'n will. Stät, stät! sprichst Du, wer fällt dann gleich mit der Thür ins Haus? Ich denk' akrat, wie Du, lieber Gott  . Ich mein' so: ich thu'n ebenst meine Arbeit und sein mureftill. Der Jakob strunzt nicht ewig herum. Auf einmal kommt er wieder heim und macht Augen so groß wie zwei Teller. Et hol' ich flink das Bubchen bei. Und wie das Babbe, Babbe!" ruft, da geht's dem Schlechtkopp doch an die Nieren. No hört sein Vater, wie's zugegangen ist. Ja so verschmäh kann he nicht sein, daß er gegen Dein' heiligen Willen ist. Wann er auch erst ein wink unschier thut. dernach giebt er sein' Segen und richt' die Hochzit. Gelle, lieber Gott, so hast Du's vor? Eh merk' ich erst, wie gut Du bist. No bringt mich auch nig von der Kirch mehr ab. und die ander' Woch' nehm ich das Abend. mahl. Amen!"

( Fortsetzung folgt.)

( Nachdrud verboten

In der Arbeitsffube. Bon R. Leontjew. ( Schluß.)

Alles in der Arbeitsstube erstarrt, wird still wie vor einem Sturm. Nur das Weinen Anjuttas ist zu hören. Sie fizt auf einer niedrigen Bank im Winkel, ganz behängt mit den weißen Säumcheir. Vorsichtig trocknet sie ihre Thränen damit die Arbeit nicht schmutzig wird.

Rotunde.

Blößlich fliegt wie ein Sturmwind die Prinzipalin in die Stube. Im schwarzen, festgeschnürten Arbeitskleid sieht sie ungleich anständiger aus, als am Morgen; in der rechten Hand hält sie die unglückselige Da, ergötzt Euch daran!" zischt sie mehr, als sie spricht, indem sie die Rotunde mit dem Pelz nach unten auf den großen Arbeits­tisch der Taillenmäherinnen wirft. Solch ein teurer Gegenstand verdorben! Ganz und gar verdorben! Rücken, Schultern... nicht eine ganze Stelle in Plüsch! Was soll ich blos thin? Was soll ich blos der Kundin sagen? Wer hat die Heftfäden ausgezogen? Anjutta, Du? Und warum haben Sie nicht aufgepaßt? Sie find die älteste Arbeiterin! Sie haben die Verpflichtung... Ra, ante worte doch irgend jemand! Warum schweigt Ihr alle? Habt Ihr Wir haben genug mit unsrer eignen Arbeit zu thun und können nicht auch noch die Lehrmädchen beaufsichtigen. Wer konnte ahnen, daß sie nicht einmal weiß, wie man Heftfäden aus Plüsch auszieht? Fragen Sie sie doch selbst, warum sie so ausgezogen hat? Sie wollte Heftfäden sparen, die Fäden sollten ganz bleiben!" sagt leise und erbost, ohne sich direkt an die Prinzipalin zu wenden, ganz blaß vor Schrecken, die Arbeiterin Safcha, die am Abend vorher Anjutka die Rotunde, gegeben hat.

Wasser im Munde, wie?"

So, so! Dann bin ich wohl allein daran schuld, und Sie und überhaupt Ihr alle gar nicht!. Du dentst villeicht, das wird Dir so hingehen, Anjutka? Ein so teures Stück. viele hundert Rubel verdorben. Denkit, das schadet nichts! Weinst!! Als wenn das was helfen foll! Na wart', ich hole die Polizei!" ,, Verzeihen Sie!.. Ich w... wußte nicht Immer hat mich so gelehrt und ich bemühte mich daß die

man

eftfäden gang bleiben!" sucht Anjutta sich unter Thränen zu recht­fertigen. Schweig!" schreit das wütende Weib, holt aus und läßt die Hand schwer auf die Schulter des unglücklichen Mädchens fallen, Mach' mich nicht welches unter diesem Schlage zusammentnickt. rasend! Damit die Heftfäden ganz bleiben, verdirbt sie folch ein teures Stück! Ach, ich werde wahrhaftig noch ganz verrückt!"

" So? Glauben Sie? Na meinetwegen: versuchen Sie, was Sie wollen. Ich komme gleich wieder."

,, Vielleicht kann man's ausplätten? Wir haben das schon mat Lieber Vater im Himmel, ich sein dir ganz ver- gemacht, und es wurde ganz gut! Wenn es erst glücklich aus dem Laden heraus ist. Sowie die Dame es einmal bei Frost trägt, zwerbelt gewest, dieweil du dich gar nicht mehr um mich hebt sich der Plüsch und wird wieder wie neu," schlägt die älteste gefümmert hast. Du mußt, scheint's, gedacht haben: was Arbeiterin furchtsam vor. Die Rotunde kann ja gegen abend weg­die Christine sich eingebrockt hat, soll sie auch ausessen. geschickt werden, dann bemerkt man es noch weniger." Mein! ich sein zu dem Kind gekommen uud weiß nicht wie. Sonst hast Du mir doch gar nir vorwerfen können. Und ich hab' als gelurt und gelurt. Du follt'st einmal dreinschlagen und dem Jakob den Kopf zurechtsetzen. An was soll man dann glauben, wann einer einem armen Mädchen so mit spielen darf und dernacher nix mehr von sich hören läßt? Ja und dessentwegen sein ich in keine Kirch' mehr gegangen. Et seh'n ich aber doch, daß der Lehrer zu Velda recht behält.

als ein großer Teil der Arbeiterinnen sich auf die Rotunde stürzt.

Kaum hat sich die Thür hinter der Prinzipalin geschlossen,

Ach, ach, aber auch so zu bemerken! Nein! Ich glaube, das wird sich nicht ausplätten lassen. Der Plüsch hat sich zu sehr gelegt! Und dazu noch hellblau! So zu bemerken. Na, das ist' ne nette Geschichte!" entsetzen sich die Arbeiterinnen, indem sie sich tief über die Rotunde beugen.